5. September 2016

G20-Gipfel in Hangzhou: Neuer Anstrich der Globalisierung?

"Für eine innovative, starke, integrierte und inklusive Weltwirtschaft“ lautet das Gipfelmotto der chinesischen G20-Präsidentschaft. Keine schlechte Losung in einer Zeit, in der die Globalisierung mehr und mehr unter Beschuss gerät, diesmal vor allem von rechts (>>> W&E 07-08/2016). Auch das vor sich hin dümpelnde Wachstum der Weltwirtschaft soll künftig vor allem „nachhaltig“ und „inklusiv“ gestaltet werden, so pfeifen es unisono die Großen der G20 – von Obama über Theresa May bis zum Gastgeber Xi Jinping – von den Dächern. Doch was heißt das? Die Financial Times hat zum Auftakt des Gipfels zur drängendsten Priorität erklärt, „einen Weg zu finden, um die Vorteile der Globalisierung einer zunehmend skeptischen Öffentlichkeit zu verkaufen“.


Sprache ist verräterisch. Es geht gerade nicht um eine neue Public-Relations-Anstrengung, in der etwas besser verkauft werden muss. Bislang haben die neoliberalen Protagonisten der Globalisierung wesentliche Konsequenzen einer regellosen und brachialen Liberalisierung verschwiegen (beispielsweise dass die Auslagerung der Produktion in Billiglohnländer vor allem die unqualifizierten ArbeiterInnen in Industrieländern trifft) und wundern sich jetzt, dass die Rechten (von Trump über die Brexiters und Le Pen) ihnen das nun um die Ohren hauen. Zu einer wirklichen Kehrtwende auf dem G20-Gipfel würde also zunächst einmal das Eingeständnis bisherigen Versagens gehören.

Doch die Zeichen, dass G20 zum Ausgangspunkt für ein neues Management der Globalisierung werden könnte, stehen eher schlecht. Die ursprünglich durchaus hoffnungsvollen Visionen der chinesischen Präsidentschaft sind offensichtlich in den eigenen Krisentendenzen und inneren Problemen des Landes stecken geblieben. Bis jetzt haben die G20 keinen Weg gefunden, auch nur das konventionelle Wachstum zu beleben. Gerademal 3,1% lautet die derzeitige IWF-Prognose für die Weltwirtschaft. Das Handelswachstum liegt mit 3% noch darunter. Und die Bilanz der G20 bei der Einführung neuer protektionistischer Maßnahmen ist trotz gegenteiliger Versprechungen verheerend.

Die Hoffnungen auf eine „gezähmte Globalisierung“ und einen sozialen Neuanfang werden durch die politischen Entwicklungen in Lateinamerika nicht besser, im Gegenteil: Mit dem De-facto-Putsch gegen Dilma in Brasilien und dem Wahlausgang in Argentinien werden jetzt zwei wichtige G20-Mitglieder von neoliberalen Regierungen geführt, deren soziale Einschnitte und brachiale Privatisierungen bereits spürbar sind. Die Zukunft der BRICS, noch gestern als Hoffnungsträger gelobt, ist völlig ungewiss. Hinzu kommen die alten Gegensätze in der G20, etwa zwischen den USA, die für mehr fiskalpolitische Stimulierung zu haben wären, und Deutschland, für dessen Finanzminister jegliche Mehrausgaben ein rotes Tuch sind. Noch gar nicht erwähnt sind dabei die zunehmenden Großmächte-Rivalitäten, die auch in Hangzhou die wirtschaftspolitischen Kernaufgaben der G20 zu überschatten drohen. – Es ist also noch ein langer Weg in der Entwicklung der G20 zu einem „Wächter des globalen Wohlergehens“ (>>> G20: Concert of great powers or guardian of global well-being?) – leider.

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