21. Juni 2016

Exodus des Westens aus der UNIDO? Weckruf der G77

Die Gruppe der 77, in der 133 Entwicklungsländer und China organisiert sind, hat ihre Besorgnis über den Rückzug von neun Ländern aus der UN-Organisation für Industrielle Entwicklung (UNIDO) zum Ausdruck gebracht, berichtete kürzlich Interpress Service (IPS). Die G77 bestreitet nicht das Recht der Staaten, ihre Mitgliedschaft in internationalen Organisationen selbst zu bestimmen, betont jedoch, dass Veränderungen an der internationalen Institutionen-Architektur durch Konsultation und nicht unter Druck stattfinden sollten. Die betreffenden Länder sind allesamt Mitglieder der EU oder der OECD: Großbritannien, Frankreich, Portugal, Belgien, Litauen, Kanada, Australien, Neuseeland und die USA. Der Exodus begann schon 1993 und hält bis heute an: Zum Januar 2017 planen Dänemark und Griechenland, die Organisation zu verlassen; in den Niederlanden müssen noch die beiden Parlamentskammern den Austritt absegnen. Die Anzahl der ausgetretenen Länder würde damit auf 12 ansteigen.


Der Exodus aus der UNIDO, die seit den 1990er Jahren im UN-System stark marginalisiert ist, hat mehrere Aspekte. Meist schieben die Austrittskandidaten Budget-Engpässe vor, weshalb Beiträge zu internationalen Organisationen eingespart werden müssten. Die schmelzenden Mittel beim Core-Funding erhöhen die Abhängigkeit der UNIDO von freiwilligen, projektgebundenen Finanzmitteln. Ernster noch ist der Dominoeffekt, der mit den Austritten ausgelöst werden könnte. Die Austritte unterminieren die Glaubwürdigkeit und den internationalen Charakter der UNIDO, die derzeit noch 170 Mitgliedsstaaten hat (im Vergleich zu 193 der UNO insgesamt). Mit ihrem Mandat, „die inklusive und nachhaltige industrielle Entwicklung in Entwicklungs- und Übergangsländern“ zu fördern, fällt ihr in der im letzten Jahr verabschiedeten 2030-Agenda eine wichtige Rolle zu. Im SDG 9 ist vorgesehen, „eine widerstandsfähige Infrastruktur aufzubauen und eine inklusive und nachhaltige Industrialisierung“ anzustreben.

In der G77 wird nun überlegt, wie der Exodus gestoppt werden kann, u.a. durch Briefe an die UN-Missionen von Dänemark, Griechenland und der Niederlande. UNIDO-Generaldirektor ist der Chinese Li Yong soll einen Aktionsplan entwickeln. Und das Thema soll auch auf die Tagesordnung der UN-Generalversammlung in diesem Herbst gebracht werden. – So unterstützenswert solche Initiativen auch sind – es dürfte schwer werden, die beschriebene Entwicklung wieder zurückzudrehen. Schließlich gibt es vergleichbare Manöver westlicher Staaten auch gegenüber anderen UN-Organisationen. Als 2011 die UNESCO Palästina anerkannte, sperrten die USA prompt ihre Finanzmittel. Ein anderes Beispiel ist die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD). Im Vorfeld der demnächst in Nairobi zusammenkommenden UNCTAD 14 beginnen bereits wieder die Versuche, das Mandat der Organisation, die sich als „focal point“ des UN-Systems für Handel und Entwicklung sowie verwandter Bereiche wie Finanzen, Technologie, Investitionen und nachhaltige Entwicklung begreift, zu begrenzen und zurückzudrängen. Auch dagegen laufen die G77 bereits Sturm, wobei die Aussichten auf Erfolg hier wahrscheinlich besser sind.

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