28. Mai 2016

Ise-Shima-Initiative? Gespaltene G7

Traditionelles G7-Familienfoto in Ise-Shima
Sherpas sind bekanntlich Meister in der Kunst, Texte zu verfassen, die eine Übereinkunft vorgaukeln, wo keine ist. Und so verhält es sich auch mit der Ise-Shima-Wirtschaftsinitiative, die die ‚Leaders‘ Declaration‘ wortreich zelebriert, bei näherem Hinsehen aber zeigt, dass die G7 in Bezug auf die Formulierung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik keinen Schritt weiter gekommen sind. Zwar wird gesagt „Wachstum ist unsere Hauptpriorität“, doch den Weg dahin soll ein „policy mix“ bestimmen, der in der Nutzung aller politischen Instrumente besteht, seien diese nun fiskalischer, geldpolitischer oder strukturpolitischer Natur. Was die einzelnen G7-Länder letztlich machen, bleibt ihnen überlassen, und so kann sich Japan auf die „Stärkung globalen Wachstums“ berufen, andere mögen die „Angebotsengpässe“ angehen, und die Deutschen „mit den Anstrengungen fortfahren, die Verschuldung auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen“. Von einer gemeinsamen Stimulierung der schleppenden weltwirtschaftlichen Erholung, wie sie die japanischen Gastgeber initiieren wollten, kann keine Rede sein.

Immerhin muss man Japans Premierminister Abe zubilligen, deutlicher als jeder G7-Führer zuvor, auf die globale Nachfragelücke aufmerksam gemacht zu haben, die einer Überwindung der langen Wirtschaftskrise nach der Finanzkrise von 2008 entgegen steht. Dabei beschwor er seine Kollegen sogar mit Vergleichen, wonach die Weltwirtschaft heute bereits wieder da angelangt ist, wie zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs der Lehman-Bank 2008. Diese demonstrierten jedoch eher die Spaltung der G7 in einem zentralen Punkt und verfingen schon deshalb nicht, weil sie ausschließlich mit Beispielen illustriert wurden, die die Schwellenländer betreffen (s. Grafiken aus der Power Point Präsentation Abes).





Die Schwellenländer können der G7 zwar nicht egal sein, aber ihr Stellenwert auf den Treffen ist im Vergleich zu früher deutlich gesunken – man denke nur daran, dass die Gruppe der BRICS (aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) noch in Heiligendamm gemeinsam zum Gipfel eingeladen worden war. Inzwischen ist nicht nur Russland aus der G8 verstoßen worden. Auch die anderen BRICS-Staaten waren nicht einmal zu dem Outreach-Treffen am letzten Gipfeltag geladen. Dieses Setting diente ganz der Befestigung japanischer und US-amerikanischer Sicherheitspositionen im südostasiatischen Raum.

Die Politik des Ausschlusses lässt sich auch in anderen Bereichen beobachten: An der jetzt zur Entscheidung anstehenden Transpazifischen Partnerschaft (TPP) sind zwar die USA und Japan beteiligt, nicht aber China. Einen Warnschuss in Richtung China schossen die G7 auch in puncto WTO ab, indem mit dem Hinweis auf die Überschüsse in der Stahlproduktion künftige Anti-Dumping-Verfahren gegen Peking vorbereitet wurden und dem Land sogar die Anerkennung als Marktwirtschaft verweigert werden soll, die ihm nach 15 Jahren Mitgliedschaft zusteht. Gegenüber Russland wurde die Verlängerung der Sanktionen gefordert – von Initiativen der Wiederannäherung war auf dem G7-Gipfel nichts zu sehen. Man bleibt also lieber unter sich in dem exklusiven Klub der westlichen Demokratien, die derweil nicht von außen, sondern mehr und von innen bedroht werden: Trump, Le Pen, Brexit, AfD und Konsorten lassen grüßen.

26. Mai 2016

G7: Vom Direktorat der Weltwirtschaft zur politisch-strategischen Plattform des Westens

Die Lage der Weltwirtschaft mag das wichtigste Thema des G7-Gipfels sein, der heute und morgen auf der südjapanischen Insel Kashikojima stattfindet. Doch gehört nach dem Finanzministertreffen am letzten Wochenende nicht viel Prognosetalent zu der Vorhersage, dass gerade auf diesem Gebiet die Ergebnisse am dürftigsten sein werden. Zwar will der japanische Gastgeber und Erfinder der ‚Abenomics‘ gerne die Einigung auf ein globales fiskalisches Programm der Konjunkturankurbelung, und auch die US-Regierung hat den Mangel an Nachfrage längst als Hauptgrund für den schleppenden Verlauf der weltwirtschaftlichen Erholung erkannt. Aber gerade Deutschland, das den größten Beitrag zu einem solchen Stimulus leisten könnte, blockiert und propagiert stattdessen lieber „Strukturreformen“. Und so dürfte das höchste der Gefühle sein, „ein Bekenntnis zur Nutzung aller politischen Instrumente – geld-, fiskal- und strukturpolitischen“ abzugeben, wie in dem jetzt endlich veröffentlichten „Chair’s Summary“ der Finanzminister.


Welche Funktion die Gruppe der 7 noch hat, nachdem sich die Gruppe der 20 zum zentralen Forum der weltwirtschaftlichen Koordinierung erklärt hat, ist nicht ganz klar auszumachen. Als Plattform zur Wiederbelebung der globalen wirtschaftlichen Kooperation jedenfalls ist sie seit langem zu klein und wirtschaftlich zu unbedeutend. Als Direktorat der Weltwirtschaft hat sie ausgedient. Allein China bringt mit seiner Wirtschaftsleistung mehr auf die Waage als Großbritannien, Frankreich und Italien zusammengenommen, ist aber – ebenso wie Indien – in Japan gar nicht dabei. Und so schieben sich immer mehr politisch-strategische und sicherheitspolitische Fragen in den Vordergrund der G7-Treffen. Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten zur Beteiligung der Chinesen in Ise-Shima gegeben - etwa als Partner, der in diesem Jahr immerhin die G20-Präsidentschaft hält. Aber nicht einmal zu dem traditionellen Outreach-Treffen am zweiten Gipfeltag ist Peking eingeladen.

In Japan geht es auf Drängen der Gastgeber eher um die gemeinsame Positionierung gegen China, z.B. in der Frage der maritimen Sicherheit im südchinesischen Meer. Gegenüber Russland dürfte das Dauerthema der Ukraine und der Krim hochgehalten werden. Als politisch-strategische Plattform der ‚lupenreinen westlichen Demokratien‘ lebt die G7 also fort. Dazu gehört auch ihre Rolle als Instrument des Zusammenhalts: Sehr frisch ist noch in Erinnerung, dass sich G7-Mitglieder wie Großbritannien und Deutschland an der Gründung der neuen Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) in Peking beteiligt haben – sehr zum Ärger Washingtons. Und so sind denn die Wiederaufrichtung der Gruppe der 7 seit dem Rauswurf Russlands und vor allem die G7-Gipfel mehr als ein Ritual oder ein Fototermin, das sich zu beobachten lohnt. W&E tut dies u.a. mit einer fortlaufend aktualisierten Dokumentation (>>> Rolling Documentation: G7-Gipfel in Japan) und durch die Kommentierung des Gipfels in diesem Blog.

22. Mai 2016

Internationale Konjunkturpolitik: Die G7 bleibt das falsche Forum

G7-Finanzminister und Zentralbanker
Es war jetzt der zigte Versuch der G7-Finanzminister und –Notenbankchefs, die internationale wirtschaftspolitische Koordinierung und Kooperation zu beleben. Doch so notwendig und wünschenswert dies angesichts der vor sich hin dümpelnden internationalen Konjunktur wäre – nach dem Treffen am 20. und 21. Mai im nordjapanischen Sendai stellt sich eher die Frage: War dies nun ein Ausbund der gesammelten Ideenlosigkeit oder das Ende des Waffenstillstands in puncto Währungskrieg oder vielleicht beides?


Mehr als 24 Stunden nach dem Ende des Treffens hatte es die japanische Präsidentschaft noch nicht geschafft, das angekündigte „Chair’s summary“ auf ihre Website zu stellen – ein ungewöhnlicher Vorgang, der auf starke Differenzen unter den Teilnehmern hindeutet. Der Reuters-Korrespondent in Sendai hatte vor Ort zwar ein papierenes Exemplar ergattert, versehen aber mit der Bemerkung, dass das Schriftstück „keine offizielle Darstellung des G7-Konsenses ist“.

Immerhin heißt es in dem „Summary“, dass die führenden Finanzpolitiker der G7 „die Bedeutung unterstrichen, sich einer kompetitiven Abwertung (ihrer Währungen) zu enthalten“. Doch das klingt wie eine Verlegenheitslösung, war das Treffen doch von deutlichen Gegensätzen zwischen den USA und Japan überschattet. Während die USA sowohl vor als auch während des Treffens Japan davor warnten, den Yen durch Intervention in die Währungsmärkte zu schwächen, betonten die Japaner, dass währungspolitische Interventionen für sie eine legitime Option bleiben, und machten deutlich, dass der Anstieg ihrer Währung in den letzten Wochen künstlich und der Spekulation geschuldet sei.

Ähnlich verhält es sich auch mit einem zentralen Passus, wonach sie G7-Finanzminister sich für eine „Mischung aus Währungs-, Fiskal- und Strukturpolitik“ aussprachen, es aber jedem Land überließen, über seine eigenen politischen Prioritäten zu entscheiden. Dieses „Geh Deinen eigenen Weg“ war immer die probate Formel, wenn es an der Fähigkeit der G7 zu einer gemeinsamen Politik haperte. Es kann im vorliegenden Fall auch dahingehend interpretiert werden, dass der (diesmal gemeinsame) US-amerikanische und japanische Ruf nach einer stärkeren fiskalischen Ankurbelung der Weltnachfrage erneut ungehört verhallte bzw. am deutschen Überschusswahn scheiterte. Doch das ist noch nicht alles.

Selbst wenn es innerhalb der G7 zu einer konjunkturpolitischen Übereinkunft (die dann notwendigerweise keyensianische Züge tragen würde) käme, bei der die USA, Japan und Deutschland mit von der Partie wären (Berlin müsste dann sicherlich auf den Export seiner Überschüsse auf Kosten anderer verzichten und stärke binnenwirtschaftliche Nachfrage ankurbeln), wäre dies von nur begrenzter Bedeutung. Dies liegt einfach daran, dass die G7 nicht mehr die größten Ökonomien der Welt repräsentiert und die G7-Gruppe daher schlicht das falsche Forum ist. China beispielsweise ist heute bei einigen Maßzahlen stärker als die USA. Die G20 ist da schon eher das geeignete Forum. Sie erreichte 2009 auf dem Londoner Gipfel immerhin die Übereinkunft, dass alle Mitglieder so lange eine Politik der kombinierten währungs- und fiskalpolitischen Stimulierung verfolgen sollten, bis eine nachhaltige Erholung erreicht wäre. Doch während China zu der Aufgabe stand, drehten die USA und Deutschland den fiskalpolitischen Hahn schon 2011 wieder zu.

20. Mai 2016

G7 in Japan: Gipfel beim fossilen Meister

Im Vorfeld des G7-Gipfels der am 26./27. Mai in Ise-Shima/Japan stattfindet und des G7-Finanzministertreffen heue und morgen im japanischen Sendai haben Umweltverbände den Druck auf die japanischen Gastgeber wegen deren Finanzierung von Kohlekraftwerken verstärkt. Während in der offiziellen Agenda der japanischen G7-Präsidentschaft das Thema Klimawandel und Energiesicherheit an prominenter Stelle firmiert, berichten die Kritiker von Plänen, wonach Japan in nächster Zeit 49 neue Kohlekraftwerke bauen will. Kritisiert wird außerdem die japanische Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland, so der Kohleverstromungsanlage in Batang/Indonesien oder des Darlipali-Projekts in Odisha/Indien.


Die Umweltgruppen, darunter 350.org Japan und Friends oft he Earth Japan, übergaben eine von über 80 Organisationen unterzeichnete Petition an das japanische Finanzministerium und die Japanische Bank für Internationale Zusammenarbeit. Darin heißt es: „Als Vorsitzender der G7 hat Japan die Verpflichtung, eine führende Rolle in der Klimapolitik zu spielen und nicht Nachzügler zu sein. Als erstes muss Japan die Subventionierung fossiler Brennstoffe in Übersee stoppen. An der Heimatfront ist es die Pflicht Japans, die fossile und atomare Technologie des letzten Jahrhunderts zurückzuweisen und sich sauberer und zukunftsfähiger Energie zuzuwenden.“

Tatsächlich ist die Anhängigkeit Japans von der Kohleverstromung nach der Atomkatastrophe von Fukushima noch gewachsen, und wie eine ebenfalls im Vorfeld des G7-Gipfels veröffentlichte Studie enthüllt, belegt das Land bei den Anstrengungen zum Ausstieg unter den G7-Ländern den letzten Platz. Als einziges G7-Land treibe Japan aktiv den Bau neuer Kohlekraftwerke voran, kritisiert die Studie.

12. Mai 2016

Antikorruptionsgipfel: Informationsaustausch ohne wenn und aber!

Von einer „unaufhaltsamen Bewegung hin zum Informationsaustausch“ in Steuerfragen sprach jüngst der Generalsekretär der OECD Angel Gurría. Dies ausgerechnet anlässlich der Selbstverpflichtung Panamas (und einiger anderer Nachzügler) zum automatischen Informationsaustausch unter dem von der OECD entwickelten „Common Reporting Standard“ im Rahmen des Global Forum. Doch automatischer Informationsaustausch für wen – das ist hier die Frage.


Die EU beispielsweise, die am Global Forum der OECD teilnimmt, schreibt in ihrer 4. Antigeldwäscherichtlinie zwar ein Register der wirtschaftlich Berechtigten vor. Der Einblick in dieses Register ist jedoch bisher in erster Linie Ermittlungsbehörden und Banken vorbehalten. Die Öffentlichkeit muss ein „berechtigtes Interesse” nachweisen, um die Informationen einsehen zu können. Die Anti-Geldwäsche-Richtlinie muss bis 2017 von allen EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Den Mitgliedstaaten steht es dabei frei, das Register öffentlich zugänglich zu machen. Frankreich und Großbritannien haben dies getan. Deutschland wehrt sich bislang dagegen.

Anlässlich des Antikorruptionsgipfels, der heute in London stattfindet, wenden sich der Gründer von Transparency International, Peter Eigen, das Netzwerk Steuergerechtigkeit, ONE und Oxfam Deutschland deshalb in einem offenen Brief anJustizminister Heiko Maas. Sie fordern von ihm als Vertreter der Bundesregierung beim Gipfel eine Zusage, dass Deutschland ein öffentlich zugängliches Register der wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen und Trusts einführt. Weiterhin sollte er sich für die öffentliche ländergenaue Berichterstattung der Steuerdaten großer multinationaler Unternehmen aussprechen.

ONE, Oxfam, das Netzwerk Steuergerechtigkeit und Peter Eigen fordern, dass die Informationen allen Bürgern zugänglich sein sollen – nur so können Journalisten und Zivilgesellschaft mit dazu beitragen, Verdachtsfälle aufzudecken und Mittel für die nationalen Haushalte wiederzugewinnen, die beispielsweise in Gesundheitssysteme oder Bildung investiert werden können. Dass es für Unternehmen noch immer legale Möglichkeiten gibt, Geldflüsse zu verschleiern und sich der Steuerpflicht zu entziehen, sei ein unhaltbarer Zustand, so die Geschäftsführerin Marion Lieser von Oxfam Deutschland. So werde die weltweite soziale Ungleichheit weiter verschärft, Menschen in Elend gehalten und der Zusammenhalt von Gesellschaften untergraben. „Die Gegenmaßnahmen sind bekannt, jetzt ist die Zeit, sie umzusetzen.“

11. Mai 2016

Antikorruptionsgipfel: Mehr als verbale Bekundungen notwendig

Mehr als 50 führende Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft haben zum morgigen Antikorruptionsgipfel in London ein Manifest veröffentlicht, das den GipfelteilnehmerInnen klare Vorschläge zur Ausrottung der Korruption unterbreitet. Dazu gehört u.a. die Veröffentlichung der Nutznießer von Firmen und des Anteils der Umsätze und Profite in den verschiedenen Ländern, in denen Unternehmen tätig sind. Gleichgerichtete Transparenzvorschriften werden in einem von Oxfam initiierten Brief verlangt, den über 300 Wirtschaftswissenschaftler aus über 30 Ländern unterzeichnet haben, darunter Bestsellerautor Thomas Piketty, Nobelpreisträger Angus Deaton, Ex-IWF-Chefökonom Olivier Blanchard und UN-Sonderberater Jeffrey Sachs.


Zuletzt waren die steuerpolitischen Versäumnisse der Regierungen auch durch die Veröffentlichung der Hintergrunddaten zu den Panama-Papers beleuchtet worden. Dass es noch immer Whistleblower braucht, um die skandalösen Geschäfte mit Briefkastenfirmen offenzulegen, ist in der Tat eine Bankrotterklärung der Politik. „Skandale wie diese sind möglich, weil die Regierungen beschlossen haben, nicht so genau hinsehen zu wollen“, meint Tobias Hauschild, Oxfam-Experte für Steuergerechtigkeit. Dabei sind die möglichen Maßnahmen gegen solche Praktiken seit Jahren bekannt: Gebraucht werden ein weltweites öffentliches Beteiligungsregister und eine Pflicht zur öffentlichen Berichterstattung darüber, welche Umsätze Unternehmen und ihre Tochterfirmen in welchen Ländern machen und wie viel Steuern sie darauf zahlen.

Es wird Zeit, dies endlich umzusetzen. Ob der Londoner Antikorruptionsgipfel allerdings eine gute Gelegenheit ist, international verbindliche Lösungen zu finden, bleibt vorerst dahin gestellt. Immerhin nehmen an dem Gipfel auch hyperkorrupte Regierungen wie die Afghanistans oder Nigerias teil. Oxfam weist darauf hin, dass durch  Steuervermeidungstricks von Konzernen und reichen Einzelpersonen arme Länder um Steuereinnahmen von bis zu 170 Mrd. US-Dollar pro Jahr geprellt werden. Dadurch entgehen beispielsweise den Gesundheitssystemen dieser Länder Mittel, mit denen pro Jahr das Leben von 150 Millionen Kindern gerettet werden könnte.

3. Mai 2016

Asiatische Entwicklungsbank: Eigene Standards verletzt

Zum Auftakt der Jahrestagung der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) in Frankfurt haben zivilgesellschaftliche Gruppen die Bank zu einem Kurswechsel aufgefordert. ADB-Projekte führten immer wieder zu Verarmung und Umweltzerstörung, statt Entwicklung für Gemeinden und Ökosysteme zu ermöglichen. Dafür trage Deutschland durch seine Einlagemittel eine Mitverantwortung. Nächstes Jahr feiert die ADB bereits ihr 50. Jubiläum. Seit ihrem Bestehen sind die Risiken für arme Bevölkerungsschichten in Asien jedoch nicht gesunken, sondern angestiegen. Die Umwelt- und Sozialstandards der ADB finden sich zu wenig in ihrer konkreten Projektarbeit wieder.

Exemplarisch für die gewaltigen Fehler der Bank bei der Umsetzung ihrer Schutzstandards ist das Umsiedlungsdesaster bei einem Eisenbahnprojekt der ADB in Kambodscha. Ziel des Projekts ist die Sanierung der Eisenbahn in dem südostasiatischen Land. Finanziert wurde es vor allem durch einen Kredit der ADB in Höhe von 84 Mio. US-Dollar. Mehr als 4000 Familien und Kleinunternehmen, die im Streckenverlauf der Schienen gelebt und gearbeitet haben, wurden bereits umgesiedelt oder sind von Umsiedlung bedroht. Nach Angaben von Equitable Cambodia müssen Tausende umgesiedelte Familien nach wie vor unter schrecklichen Umständen leben, auch über sechs Jahre nach ihrer Umsiedlung. Sogar der eigene Beschwerdeausschuss der ADB kam zu dem Ergebnis, dass die Bank hierbei ihre eigenen Grundsätze gebrochen und schwere soziale Schäden bei den überwiegend in Armut lebenden Menschen verursacht hat. Die Folgen reichen von ungenügender Kompensation für Einkommensverluste bis zum Fehlen von Infrastruktur in den Gebieten, in die sie umgesiedelt wurden.

Obwohl der Klimawandel längst Realität ist, finanziert die ADB noch immer Kohlekraftwerke und Mega-Infrastrukturprojekte. Eine neue Studie von indonesischen NGOs zeigt die verheerenden Auswirkungen der Finanzierung großer Infrastrukturprojekte über so genannte „Finanzintermediäre“, wie Banken oder Hedgefonds – regelmäßige Partner auch von Entwicklungsbanken wie ADB oder Weltbank. „Das schockierende Fehlen von öffentlichen Konsultationen und Transparenz, der Mangel an Dokumenten in indonesischer Sprache, die Fehler bei der Einordnung von Risiken für Mensch und Umwelt und das klägliche Scheitern bei der Implementierung von Schutzstandards deuten auf eine düstere Zukunft für Gemeinden hin, die von den Investitionen betroffen sind“, sagen die Verfasser. Die Probleme müssten vollständig behoben werden, bevor die ADB weitere Gelder für Infrastrukturprojekte vergibt.