5. April 2016

Panama-Papers: Parallelsystem der Superreichen

Steuerflucht zu verhindern ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine des demokratischen Zusammenhalts. Anlässlich der Panama-Papers warnt der grüne Europapolitiker und W&E-Mitherausgeber Sven Giegold auf cicero.de davor, dass auch Populisten die jüngsten Enthüllungen für ihre Zwecke instrumentalisieren könnten. Wir dokumentieren den Kommentar: 

Von Sven Giegold

Bravo! Die Enthüllungen der „Panama Papers“ sind ein Meistertück investigativen und grenzüberschreitenden Journalismus. Den 400 Journalisten aus aller Welt gebührt unser Dank. Die Recherche ist ein Mammutprojekt im Geiste der Steuergerechtigkeit und der Rechtsstaatlichkeit. Die Journalisten werfen Licht auf das Treiben von Briefkastenfirmen in Steueroasen, deren Lebenselixier die Dunkelheit ist.

So löblich die Arbeit der Journalisten ist, so beschämend ist es für die Staaten, dass sie im Kampf gegen Steuerflucht und Geldwäsche auf solche Datenlecks angewiesen sind. Intransparenz ist der Gegner von Steuergerechtigkeit und gleichzeitig das Geschäftsmodell von Kanzleien wie Mossack-Fonseca. Solche Firmen haben eine gigantische Briefkastenfirmen-Industrie geschaffen. Das globale Finanzsystem ist zur Infrastruktur für Finanzkriminalität geworden.

Die Steuerflucht auf Konten in die Schweiz oder Luxemburg ist schon seit langem als Volkssport bekannt. Die Briefkastenfirmen sind eine aggressivere Form der Steuerflucht und Korruptionsverschleierung, es geht um enorme Summen und auch um kriminelle Aktivitäten. Die schiere Masse der Daten von Mossack-Fonseca verdeutlicht das Ausmaß dieser Machenschaften: Was hier geschaffen wurde, ist ein Parallelsystem, durch das sich Mächtige und Reiche dem Rechtsstaat und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen. Ein verheerender Eindruck drängt sich auf: Wenn Spitzenpolitiker von sozialer Marktwirtschaft oder wirtschaftliche Eliten von Rechtsstaatlichkeit reden, meinen sie nicht sich selbst, sondern die anderen. Und hierin liegt die gesellschaftliche Sprengkraft dieser Enthüllungen: Es ist ein Vertrauensbruch zwischen denjenigen, die unsere gemeinsamen Spielregeln akzeptieren und ihren Anteil zur Gesellschaft beisteuern und jenen, die sich darum drücken. Und das Verschleiern von Vermögen und Abwandern in Steueroasen lohnt sich eben nur für diejenigen, die sowieso schon viel haben.


Weil in den „Panama Papers“ auch die Namen von politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten stehen, können die Enthüllungen von Populisten instrumentalisiert werden. Wie gerne zeichnen die Populisten das Bild von den korrupten Eliten und dem betrogenen Normalbürger, um vermeintliche Nähe zum Volk für ganz andere Ziele herzustellen. Mit diesem Thema könnten sie die Gesellschaft weiter spalten.

Steuersumpf trockenlegen             
Es kommt jetzt also auf die Antwort der politischen Verantwortungsträger an. Nur mit einer entschlossenen und glaubhaften Reaktion kann weiteres Misstrauen in die politischen und wirtschaftlichen Eliten verhindert werden. Aber wie kann die Politik hierzulande gegen Geldwäsche und Steueroasen auf fernen Pazifikinseln vorgehen?

Die Trockenlegung des Steuersumpfes muss über die Banken führen. Banken vermitteln die Reise des Geldes aus den Steueroasen in die Realwirtschaft, wo Erträge erwirtschaftet werden. Aus den USA wissen wir, wie man gegen die Mittäterschaft der Banken vorgehen kann: Banken müssen garantieren können, dass sie grundsätzlich nur Konten und Geschäftsbeziehungen unterhalten, bei denen sie die wirtschaftlich Begünstigten kennen. Machen sie mit instransparenten Firmen Geschäfte, müssen sie eine Strafe zahlen. In den USA heißt das enstprechende Gesetz Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA). Solche Sanktionen gegen Banken, die sich an dubiosen Geschäften beteiligen, sollten auf europäischer Ebene eingeführt werden. Denn eines ist klar: Gegen die globale Geldwäscheindustrie ist ein Staat alleine machtlos. Die Offensive gegen Geldwäsche muss europäisch und global geführt werden. Dann dürfte sie auch gegen die hartgesottensten Häfen für Briefkastenfirmen erfolgreich sein.

Bekämpfung von Geldwäsche als G20-Projekt
EU-Kommissionspräsident Juncker ist nun in der Pflicht, einen Aktionsplan gegen Geldwäsche und Briefkastenfirmen auf den Weg zu bringen. Ein europäisches FATCA gehört als Hebel zur internationalen Durchsetzung in diesen Plan. Finanzminister Schäuble hat die letzten großen Skandale – OffshoreLeaks und LuxLeaks – genutzt, um in der EU und in der G-20 eine erfolgreiche Koalition der Willigen zusammenzubringen. Auch die jetzige Chance muss er nutzen und sich an die Spitze einer internationalen Bewegung stellen. Deutschland muss seine kommende deutsche G-20-Präsidentschaft nutzen und die Bekämpfung von Geldwäsche zu einem Schwerpunkt machen.

Unternehmensregister veröffentlichen
Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Transparenz von Unternehmen. Deutschland und die anderen EU-Länder haben sich bereits zu einem Unternehmensregister verpflichtet. Darin sollen alle wirtschaftlich Begünstigten von Firmen und anderen Rechtsformen aufgeführt werden. Bei der konsequenten und wirksamen Anwendung dieser neuen Regelung hat sich die Bundesregierung aber bisher als Blockierer von Transparenz hervorgetan. Denn es ist von großer Bedeutung, welche Personen und Institutionen Zugriff auf die Informationen des Firmenregisters haben. Die Bundesregierung will nur einigen Wenigen Einsicht in diese Informationen geben.

Was aber gerade Journalisten und NGOs zur Aufdeckung von Steuerskandalen beitragen können, zeigen nicht erst die „Panama Papers“, sondern auch vorangegangene Recherchen wie etwa jene zu den „Luxemburg Leaks“. Das bedeutet: Finanzminister Schäuble darf bei dem Unternehmensregister nicht zum Transparenzverweigerer werden. Die Informationen müssen öffentlich transparent sein, damit diese europäische Richtlinie ihre Wirksamkeit im Kampf gegen Geldwäsche entfalten kann. Deutschland sollte hier mit Frankreich vorangehen und beweisen, dass Europa trotz Krisen und Zankereien in wichtigen Politikfeldern konkrete Verbesserungen erzielen kann.

Es geht um Gerechtigkeit
Zu unseren Hausaufgaben in Deutschland gehört aber noch ein anderer Aspekt. Bei der Bekämpfung von Geldwäsche ist unser Staat bemerkenswert schlecht aufgestellt. In Deutschland ist für die Kontrolle von Geldwäsche häufig die kommunale Ebene zuständig. Das heißt: Die kommunale Gewerbeaufsicht oder gar Standesbeamte, bei denen Menschen ansonsten ihr Kleingewerbe anmelden, sollen Geldwäsche kontrollieren. Das ist auch ein Grund, warum die Aufklärungsquote bei uns so schlecht ist. Deutschland hat sich somit zum beliebten Ziel von Schwarzgeld gemacht.

Die „Panama Papers“ decken die Schändung des Gemeinwohls auf. Aber sie könnten zum Glücksfall werden, wenn wir jetzt endlich anpacken, was über Jahre hinweg verschlafen wurde: Einen ernsthaft geführten Kampf gegen die globale Geldwäscheindustrie. Die Bedeutung dieser Herausforderung kann gar nicht überbetont werden. Es geht um die zentrale Frage von Gerechtigkeit. Gelten für alle die gleichen Gesetze und Pflichten oder erlauben wir es, dass sich manche davon ausnehmen können?

Gleichbehandlung und Gerechtigkeit sind das Fundament einer demokratischen und offenen Gesellschaft. Dieses Fundament muss jetzt erneuert werden.

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