14. Januar 2016

Globalisierung: Nachlassende Dynamik, doch einige Lichtblicke

Kein Zweifel: Die Globalisierung verliert derzeit weiter an Dynamik. Nach der globalen Finanzkrise sind die Wachstumsraten überall deutlich zurück gegangen, zuletzt auch in den Schwellenländern, deren Output derzeit so langsam zunimmt, wie seit den Jahren 2008 bzw. 2001 nicht mehr. Aus den einstigen globalen Konjunkturlokomotiven könnte 2016 der dritte große Krisenspot werden – nach der Finanzkrise in den USA und der Eurokrise in Europa (>>>Der großen Krise dritter Akt?).


Ein wichtiger Indikator der nachlassenden Globalisierungsdynamik ist, dass der internationale Handel inzwischen längst nicht mehr so schnell wächst wie in den Hochzeiten der Globalisierung in den 90er und den 00er Jahren. Die Geister streiten sich noch, ob die Verlangsamung des Handels ein Resultat des schwächeren Outputs ist oder umgekehrt dessen Ursache (weil Ausweichstrategien der Wirtschaft ins Ausland wesentlich schwieriger geworden sind) oder beides. Jedenfalls gehört das jahrelang vorherrschende Muster der wachsenden internationalen Verflechtung (bei der das Wachstum des Handels meistens doppelt so hoch oder höher war als das des Outputs) zumindest vorerst der Vergangenheit an.

Auf die weitere Richtung der Globalisierung wirkt sich auch aus, dass mit dem Rückgang der Wachstumsraten in den Schwellen- und Entwicklungsländern auch das Tempo der wirtschaftlichen Konvergenz in der Weltwirtschaft abnimmt. Denn Aufholprozesse der Entwicklungs- gegenüber den Industrieländern dauern länger, wenn die Wirtschaftsleistung ersterer nicht mehr mit durchschnittlich 6%, sondern vielleicht nur noch mit 4%  zulegt, während die wirtschaftliche Dynamik teilweise in die Industriestaaten (vor allem die USA) zurückkehrt. Dies mag im Norden Revanchegelüste hervorrufen, verbunden mit der Hoffnung, den Süden erneut zurückzustoßen. Vor allem die beiden Megaprojekte TTIP und TPPA stehen derzeit für die Abkehr von der multilateralen Handelspolitik zugunsten einer „neuen Geoökonomie“ (Stiglitz). Eines ihrer Hauptmerkmale ist die Exklusion: Gerade die größten Schwellenländer der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) bleiben davon ausgeschlossen.

Umso wichtiger ist deshalb, dass der Vorsitz der G20-Gruppe der großen Industrie- und Schwellenländer in diesem Jahr bei China liegt (>>> G20 unterchinesischer Präsidentschaft). China G20-Agenda mag wie traditionelle Wachstumspolitik klingen. In Wirklichkeit zielt sie auf eine Umkehr der schleppenden weltwirtschaftlichen Entwicklung im Sinne eines wirklich globalen und inklusiven Wachstumstyps, der allen „Stakeholdern“ angemessene Teilhaberechte gewährt. Dazu gehört auch eine entschlossene Reform der ökonomischen Global-Governance-Strukturen. Schritte auf dem Weg dahin hat es schon gegeben, etwa die Gründung einer BRICS-Entwicklungsbank und einer Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) oder die Einbeziehung des chinesischen Reminbi in den Währungskorb der IWF-Sonderziehungsrechte. Zu guter Letzt hat der US-Kongress kurz vor dem Jahreswechsel noch die (bescheidene) Stimmrechtsreform im IWF passieren lassen, der die Obama-Administration schon vor einem halben Jahrzehnt zugestimmt hatte. – Es wäre nicht das Schlechteste, wenn in diesem Jahr weitere solche Schritte folgten.

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