22. Januar 2016

Der Davos-Betrieb zwischen Verdrossenheit und neuen Illusionen

Die 2500 Top-Leute aus Wirtschaft, Regierungen und internationalen Organisation sowie ein paar ausgewählte Vertreter zivilgesellschaftlichen Organisationen mögen in Davos, wo das 46. Weltwirtschaftsforum inzwischen voll im Gange ist, ihren üblichen Geschäften nachgehen und der internationalen Öffentlichkeit glauben machen, die „Davos-People“ ringen wieder einmal um Lösungen für die globalen Probleme – die viel beschworenen „Märkte“ beeindruckt dies wenig. Am Mittwoch stürzten die Aktienwerte an den Weltbörsen erneut ab und der Ölpreis sank auf einen neuen Rekord-Tiefstwert. Gestern und heute zogen die Indices wieder etwas an, aber das dürfte kaum etwas daran ändern, dass sich inzwischen alle Börsen im Bärenmodus befinden.


Die Entwicklung an den Börsen taugt allenfalls als gewisser Indikator für die zukünftige Entwicklung der Realwirtschaft. Aber diese bewegt sich schon heute nur mit mäßiger Geschwindigkeit. Der IWF kam in dieser Woche mit seinen neuesten, nach unten korrigierten Prognosen für die Weltwirtschaft nach Davos: Auf geschätzte 3,1% des Wachstums in 2015 sollen 3,4% in 2016 und 3,6% in 2017 folgen, wobei besonders die Verlangsamung in den Schwellenländern allgemein Sorgen bereitet. Doch auch hier ergibt sich ein unterschiedliches Bild. Während Brasilien und Russland in einer Rezession stecken, liegt Indiens Wachstum derzeit bei über 7%. Und China gab gestern für 2015 ein Wachstum von 6,9% bekannt. Letzteres beunruhigt einerseits die „Märkte“, andererseits verweisen chinesische Politiker und Geschäftsleute in Davos darauf, dass dies angesichts des chinesischen Übergangs zu einem neuen Wachstumsmodell ganz im Rahmen des „new normal“ liege und nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, dass der Beitrag Chinas zum globalen Wachstum auch mit diesem Wert nach wie vor hoch liegt, nämlich bei einem Drittel.

Viele der Davos People sind inzwischen der Diskussion über Krise und neue Regulierungen überdrüssig und haben im Motto des diesjährigen Forums („Die 4. Industrielle Revolution“) ein neues Lieblingsthema gefunden, in dem sie schwelgen können: die Technologie. Diese neue „Revolution“ mag unter dem Strich 5 Mio. Arbeitsplätze kosten – dabei soll aber immerhin bis 2025 eine „digitale Dividende“ von 100 Billionen Dollar herausspringen, wie eine vom WEF vorlegte Studie nachweisen will. Statt über finanzielle Regulierungen und Basel III spricht man in Davos lieber von neuen Finanztechnologien („fintech“), wobei insbesondere von Blockchain-Technologien, die aus dem Bitcoin-Zusammenhang geboren wurden, wahre Wunder erwartet werden. Kritische Beobachter, wozu in diesem Fall auch die Financial Times gehört, weisen in diesem Zusammenhang jedoch auch auf so mancherlei Illusionen hin: So schreibt die FT-Kolumnistin Gillian Tett, dass das Internet vielen Leute den Eindruck vermittele, sie hätten hier ein neues Instrument der Mitsprache und des Empowerment. In Wirklichkeit hätte die sog. Elite in den meisten Ländern die Macht nach wie vor fest in der Hand.

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