30. Oktober 2015

Smartville: Eisiger Wind der Globalisierung

Die Phase der "Hyperglobalisierung“ (s. vorstehender Eintrag) mag der Vergangenheit angehören; doch der Wind der „gewöhnlichen Globalisierung“ weht noch. Ein vielsagendes Beispiel dafür lässt sich derzeit in der Smart-Produktionsstätte von Daimler Benz im lothringischen Hambach beobachten. Vor nunmehr rund 20 Jahren siedelte der Konzern die Produktion des Smart dort an – nicht ohne zahlreiche Standortvorteile in Form infrastruktureller Vorleistungen und Steuerbefreiungen einzuheimsen. Nicht zuletzt deshalb arbeitet das Werk bis heute profitabel, auch wenn es der vielfach als zu restriktiv verteufelten französischen Arbeitsgesetzgebung, darunter der 35-Stunden-Woche, unterliegt. Doch jetzt soll „Smartville“ zum Hebel des sozialen Rollbacks gemacht werden, das von der Regierung des sozialistischen Präsidenten Hollande in Szene gesetzt wird.

Im Zentrum steht der Versuch, die unter dem früheren sozialistischen Präsidenten Lionel Jospin 1998 eingeführte 35-Stunden-Woche wieder abzuschaffen, um sich stärker dem „deutschen Modell“ anzunähern. Die Geschäftsleitung hat dazu den „Vorschlag“ lanciert, die Belegschaft solle 4 Stunden pro Woche länger arbeiten, dabei aber nur für 2 Stunden entlohnt werden. Die Unternehmensführung wirbt mit der Behauptung, die Mehrheit der Beschäftigten habe sich für die Annahme des „Vorschlags“ ausgesprochen. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit: Lediglich die Techniker und Angehörigen des Managements sind dafür; die Montagearbeiter sprachen sich mehrheitlich dagegen aus. Parallel dazu ließ die Unternehmensspitze das Gerücht durchsickern, die Smart-Produktion könne jederzeit auch nach Slowenien verlagert werden – zu erheblich günstigeren Kosten, versteht sich.

Da die so oft bemühte Konkurrenzfähigkeit im Falle von Smartville außer Frage steht und selbst der Chef der Personalabteilung nicht daran glaubt, bei 4 Stunden Mehrarbeit konkurrenzfähiger zu werden, bleibt nur eine Schlussfolgerung: Es geht ums Prinzipielle, nämlich die 35-Stunden-Woche. Das sehen auch die beiden großen Gewerkschaften, CFDT und CGT, die mit der Sache zu tun haben, so. Sie haben jetzt gegen das Vorhaben der Verlängerung der Arbeitszeit bei gleichzeitiger Weigerung, die zusätzlich geleistete Arbeit voll zu bezahlen, erst einmal ihr Veto eingelegt. Das ist nach französischem Arbeitsrecht möglich, beantwortet jedoch noch nicht die Frage, wie lange sie dem eisigen Wind der Globalisierung noch standhalten können. Die Regierung und die französischen Arbeitgeberverbände scheinen entschlossen, die geltenden Branchentarifverträge zugunsten betrieblicher Abmachungen mehr und mehr zu durchlöchern. Der Wind der Globalisierung und der Druck des „deutschen Modells“ helfen ihnen dabei.

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