4. September 2015

G20-Finanzminister in Ankara: Tendence tristesse

Die Gruppe der 20 (Industrie- und Schwellenländer) hat viele Probleme. Eines der größeren besteht darin, dass ihren vollmundigen und rosaroten Ankündigungen immer weniger Taten folgen. Auf dem heute in Ankara beginnenden Treffen der Finanzminister und Zentralbankpräsidenten wird dies besonders deutlich werden. Auf ihrem letzten Gipfeltreffen im vergangenen November in Brisbane/Australien hat die Gruppe großspurig verkündet, dass über 800 sog. Strukturreformen das globale Wachstum in den nächsten fünf Jahren um zusätzliche 2% nach oben gedrückt werden soll. Doch das Gegenteil ist der Fall: Während sich das Wachstum in den Schwellenländern größtenteils dramatisch verlangsamt hat, läuft es in den alten Industrieländern bestenfalls in einem moderaten Tempo.


Dabei ist die Wachstumsschwäche nur ein Beispiel für die zunehmende Ineffizienz der G20-Beschlüsse. Wie das G20-Informationszentrum an der Universität Toronto ermittelt hat, ist die Bilanz der G20, was die Umsetzung ihrer Ankündigungen betrifft, allenfalls lückenhaft. So liegt die „Compliance“-Rate der G20-Länder bei den Selbstverpflichtungen seit dem Brisbane-Gipfel nur bei 63%.

Einen noch schwierigeren Hintergrund des Finanzministertreffens zeichnet die Note on Global Prospectives and Policy Challenges, die der IWF traditionsgemäß in Vorfeld der Zusammenkunft herausgebracht hat. Darin warnt der Fonds die führenden Länder vor verfrühten Zinserhöhungen und fordert dazu auf, sich gegen ein weiteres Abgleiten des globalen Wachstums, das im ersten Halbjahr unter dem des zweiten Halbjahrs 2014 gelegen hat, zu stemmen. Alle aktuellen weltwirtschaftlichen Risiken weisen nach unten: die Begleiterscheinungen des Übergangs zu einem neuen, stärker binnengestützten Wachstumsmodell in China, der Rückgang der Rohstoffpreise, die Umkehr der externen Kapitalflüsse in den Schwellenländern (auch wegen der möglichen Zinserhöhungen in den USA) und die Volatilität bei den Anlagepreisen. Sollten sich diese Risiken gleichzeitig materialisieren, müsste der Fonds seine Prognosen noch ein weiteres Mal nach unten korrigieren.

Es fragt sich nur, wie dies zu verhindern wäre. Der IWF singt hier das alte Lied von den „Strukturreformen“, also mehr von derselben Medizin, die schon bisher nicht geholfen hat. Zentral dabei sind sog. Arbeitsmarktreformen, sprich die Steigerung der Nachfrage nach Arbeitskraft und die Beseitigung von Beschäftigungshindernissen, also weitere Absenkung der Arbeitskosten und noch mehr Deregulierung beim Arbeitsschutz - keine originelle Linie, aber sicherlich mehr Tristesse für die Mehrheit der Bevölkerung.

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