19. Dezember 2014

USA-Kuba: Kurswechsel Obamas in letzter Minute

Als überfällige Reaktion auf die wachsende Isolierung der US-Außenpolitik in Lateinamerika wird der neue Kurs der Obama-Administration von der US-Linken und den amerikanischen Liberalen begrüßt. Wie der Ko-Direktor des Center for Economic and Policy Research (CEPR) in Washington, Mark Weisbrot, sagte, ist die historische Kehrtwende, die nach über 50 Jahren wieder volle diplomatische Beziehungen zwischen den USA und Havanna herstellen soll, das Ergebnis einer wachsenden Isolierung der USA in der Hemisphäre: „Die Beziehungen zwischen Lateinamerika und der Obama-Administration waren wahrscheinlich die schlechtesten einer US-Administration seit Jahrzehnten. Der Schwenk ist willkommen, aber neue Sanktionen werfen auch Fragen danach auf, ob das ein Richtungswechsel ist oder nur die Aufgabe einer Strategie, die mehr als 50 Jahre lang gescheitert ist.“

Der historische Linksschwenk Lateinamerikas in den letzten Jahren hat Regeln und Normen in der ganzen Region verändert. Viele lateinamerikanische Regierungen, nicht nur linke, haben immer wieder verlangt, dass der Status quo der Sanktionen verändert werden und Kuba gleichberechtig behandelt werden muss, etwa in Foren wie dem Gipfel der Amerikas. Es kam zur Bildung internationaler Gruppierungen wie der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC), in denen Kuba Mitglied wurde, die USA aber ausgeschlossen blieben. „Obamas Entscheidung ist ebenfalls eine klare Niederlage für die kubanischen Exilextremisten, die die US-Politik mit ihren neokonservativen Verbündeten so lange dominiert haben“, so Weisbrot.


Die Kehrtwende gegenüber Kuba, die Obama quasi in letzter Minute am Ende seiner zweiten Amtszeit vollzieht, darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die USA sich die Unterminierung linker Regierungen, darunter in Bolivien, Ekuador, Venezuela und Brasilien, auch heute noch hunderte von Millionen Dollars kosten lässt. Die gerade verabschiedete appropriations bill beinhaltet wachsende Finanzmittel für solche Zwecke, und ein Factsheet des Weißen Hauses zur neuen Kubapolitik macht klar, dass die sog. Demokratieförderung weiterhin eine Hauptkomponente der Lateinamerikapolitik bleiben wird. Bolivien und Venezuela beispielswiese verweigert Washington bis heute volle diplomatische Beziehungen.

9. Dezember 2014

Der Mythos von den Netto-Null-Emissionen

"Net-zero" heißt die Zauberformel, mit der die fossile Lobby derzeit auch in Lima auf der Klimakonferenz für ihre Interessen wirbt. Doch die Netto-Null-Lösung ist ein Mythos, kommentieren Lili Fuhr und Niclas Hällström:
Die Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas erwärmen unseren Planeten in einem derartigen Tempo, dass zunehmend wechselhafte und gefährliche Klimaverhältnisse beinahe unausweichlich scheinen. Es ist offensichtlich, dass wir die Emissionen schnell verringern und gleichzeitig alternative Energiequellen entwickeln müssen, die es uns ermöglichen, fossile Brennstoffe im Boden zu belassen.

Dabei handelt es sich um eine geradezu schockierend eindeutige Notwendigkeit. Und dennoch war der Klimawandel in den vergangenen Jahrzehnten so viel politischer Unbeweglichkeit, falschen Informationen und Wunschdenken unterworfen, dass wir uns weiterhin ineffektiven oder undurchführbaren Lösungen gegenübersehen und nicht dem Bestreben, die eigentlichen Ursachen zu bekämpfen. Diese „Lösungen“ basieren oft auf noch zu erfindenden oder mit Risiken behafteten neuen Technologien.

Dieser Ansatz ist außerordentlich vorteilhaft, da alles wie gewohnt weitergehen kann und auch die überkommene sozioökonomische Denkweise nicht in Gefahr ist. Doch Klimamodelle, die auf kaum greifbare Technologien gestützt sind, schwächen den Druck der Notwendigkeit, tiefgreifende strukturelle Veränderungen zu verfügen, die unerlässlich sind, um eine Klimakatastrophe abzuwenden.

Die jüngste „Lösung“, die aufgetaucht ist sind „Netto-Null-Emissionen“, die auf die so genannte „CO2-Abscheidung und -Speicherung“ (Carbon Capture and Storage, CSS) angewiesen ist…
… der komplette Kommentar findet sich >>> hier.
 

Finanztransaktionssteuer: Ausnahmen untergraben Wirksamkeit

Der EU-Finanzministerrat (ECOFIN) berät heute über die genaue Ausgestaltung der Finanztransaktionsteuer (FTT), nachdem die EU-Kommission bereits 2013 einen Entwurf vorgelegt hatte. Vorgesehen war, alle Finanzinstrumente zu besteuern – ohne Ausnahme. Inzwischen stehen allerdings eine Reihe von Ausnahmen zur Diskussion. Interessenvertreter der Finanzindustrie haben in den letzten Jahren daran gearbeitet, die Steuer dort zu bekämpfen, wo sie am meisten Nutzen bringt. Auf ihrem Wunschzettel stehen Derivate und riskante Rückkaufgeschäfte sowie finanzmächtige Pensionsfonds und Staatsanleihen, die nun nicht mehr unter die Steuer fallen sollen.

FinanzexpertInnen wie Suleika Reiners vom World Future Council sind allerdings der Meinung, dass die Finanztransaktionsteuer ist nur als umfassende Steuer wirksam ist, und halten dagegen: „Der ECOFIN befürwortet einerseits Maßnahmen gegen Steuervermeidung wie den automatischen Informationsaustausch. Andererseits erwägt er eine Finanztransaktionsteuer, die so löchrig ist, dass sogar eine Zunahme hochriskanter Spekulation zu erwarten ist. Werden beispielsweise nicht alle Derivate einbezogen, verlagert der Handel sich auf diese Geschäfte.“ Auch eine Ausnahme für Staatsanleihen gefährdet die Finanzstabilität. Finanzinstitute verleihen Staatsanleihen und setzen sie exzessiv für Rückkaufvereinbarungen (Repo-Geschäfte) ein, um ihren extrem kurzfristigen Eigenhandel zu finanzieren. Ein ehemaliger Banker, der anonym bleiben möchte, bestätigt in seiner Analyse: Es ist ein Mythos der Finanzlobby, dass der schnelle Handel die Zinsen für Staatsanleihen senkt und damit zu einer günstigeren Staatsfinanzierung beiträgt.

Fatal wäre zudem, wenn Pensionsfonds von der Steuer ausgenommen würden. Diese Fonds haben eine enorme Marktmacht und sollten langfristig investieren, statt kurzfristigen Handel zu betreiben. In Deutschland verfügen Pensionsfonds laut Bundesbank über 485 Mrd. € Anlagevolumen – weit mehr als der komplette Bundeshaushalt von rund 295 Mrd. €. Kleinanleger profitieren übrigens auch von einer Finanztransaktionsteuer für Pensionsfonds, denn die Steuer senkt die Umschlagshäufigkeit und damit die Kosten für das Fondsmanagement. – Kein Wunder, dass die Rufe der Finanzlobby nach Ausnahmen von der FTT dort am stärksten sind, wo sie am wirksamsten wäre. Ob der ECOFIN diesen Rufen eine Absage erteilt, ist dennoch fraglich.

1. Dezember 2014

Finanzstreit ums Klima in Lima

Rechtzeitig zur heute beginnenden Klimakonferenz (COP20) in Lima/Peru haben der chinesische und der brasilianische Verhandlungsführer deutlich gemacht, dass die Industrieländer wesentlich mehr Geld für die Armen auf den Tisch legen müssen, wenn es Ende 2015 in Paris zu einem substantiellen neuen Klimaabkommen kommen soll. Kurz vor Konferenzbeginn war bekannt gegeben worden, dass sich die in den letzten Monaten eingegangenen Zusagen für Klimafinanzierung auf insgesamt 9,7 Mrd. Dollar belaufen, weit unter der Zusage von Kopenhagen, bis 2020 jährlich 100 Mrd. Dollar für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen.

Während José Antonio Marcondes de Carvalho aus Brasilien und der chinesische Klima-Chefunterhändler Xie Zhenhua auf die horrende Diskrepanz zwischen den faktischen Zusagen und der Zielmarge von 100 Milliarden hinweisen, betont Oxfam, dass selbst diese hohe Summe nicht ausreicht, um den klimapolitischen Finanzierungsbedarf des Südens zu decken. Allein in Subsahara-Afrika würden pro Jahr mehr als 62 Mrd. Dollar für Anpassungsmaßnahmen an die Folgen des Klimawandels gebraucht, heißt es in einer Studie mit dem Titel Breaking the Standoff (etwa: „Das Patt überwinden“). Die Studie formuliert drei finanzielle Bedingungen für ein wirksames Klimaschutzabkommen: Erstens muss es exakt Auskunft darüber geben, wie Klimafinanzen aufgebracht und ausgegeben werden sollen; zweitens müssten neue Quellen öffentlicher und privaten Klimafinanzierung identifiziert werden; und drittens müsse ein fairer Rahmen festgelegt werden, wer wie viel zahlen muss.

Interessant ist, wie Oxfam diese „fairen Anteile“ (fair shares) berechnet hat. Danach wären die USA in der ersten Verpflichtungsperiode des Abkommens für die Mobilisierung von 56% der Finanzen für die Minderung des Klimawandels verantwortlich, gefolgt von der Europäischen Union mit 22% und Japan mit 10%. Ähnlich sehen die Verantwortungsanteile bei der Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel aus: USA 53%, EU 26,6%, Japan 9,7%. Zugleich identifiziert Oxfam neue Geber, die zur Klimafinanzierung beitragen sollen, darunter Russland, Brasilien, Südkorea und Mexiko. Die Oxfam-Berechnungen basieren auf einer Mischkalkulation aus der jeweiligen Einkommensverteilung, Armutsniveaus und Emissionsausstoß seit 1990. China ist interessanterweise nicht dabei, weil es seine Reduktionsverpflichtungen innerhalb der eigenen Grenzen erfüllen könnte. 

Hinweis:

Offizielle Website der Konferenz: www.unfccc.int/lima