5. Oktober 2014

Vor einem globalen Schub an Infrastruktur-Investitionen?

Jedes Jahr veröffentlicht der IWF die analytischen Kapitel seiner Flaggschiff-Reports, noch bevor die vollständige Version des World Economic Outlook (WEO) und des Financial Stability Reports (FSR) dem Publikum zur Verfügung gestellt werden. Dies ist in der Regel aufschlussreich für den Stand der internen Debatte des Fonds über grundsätzliche Fragen der Wirtschaftspolitik. Der diesjährige WEO enthält z.B. ein Kapitel, in dem die These vertreten wird, dass es Zeit sei für einen Schub an Infrastruktur-Investitionen.[i] Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung im Zeichen der neoliberalen Orthodoxie und angesichts der vielerorts blutleeren Erholung nach der Großen Depression ist das ein prinzipiell begrüßenswertes Plädoyer.


Wie der IWF vorrechnet, ist der öffentliche Kapitalstock – ein Indikator für den Stand der Infrastruktur – als Anteil am Output in den letzten drei Jahrzehnten weltweit gefallen. In Schwellen- und Entwicklungsländern ist die Infrastruktur-Lücke besonders krass. Der IWF betont, dass ein öffentlicher Infrastrukturschub besonders angesichts der Tatsache, dass das Wachstum meistens noch nicht das Vorkrisenniveau wieder erreicht hat, auch aktuell sinnvoll sei. So könne das Wachstum durch steigende öffentliche Infrastrukturinvestitionen gestärkt werden, kurzfristig durch die damit einhergehende Ausweitung der Nachfrage und langfristig durch den Ausbau der produktiven Kapazitäten einer Volkswirtschaft.

Interessanterweise spricht der Fonds, wenn er von der Notwendigkeit eines Infrastrukturschubs spricht, durchgängig von öffentlichen Investitionen. Dies entspricht der an für sich selbstverständlichen Tatsache, dass Infrastruktur-Investitionen traditionell und bis heute in ganz überwiegendem Maße öffentliche Investitionen sind. Eine Globale Infrastruktur-Initiative, die auf dem G20-Gipfel im November in Brisbane aufs Gleis gesetzt werden soll, scheint dies allerdings zugunsten des Privatsektors verschieben zu wollen, und zwar so stark, dass Kritiker bereits von einer privatwirtschaftlichen „Besessenheit“ in Infrastrukturfragen sprechen. Jedenfalls ist einer Analyse der Vorbereitungsdokumente für Bisbane durch die Heinrich-Böll-Stiftung zu entnehmen, dass beträchtliche Aspekte der Infrastruktur-Governance privatisiert werden dürften, wenn sich die derzeitigen G20-Vorstellungen durchsetzen sollten. Ob und wie schnell dies sein wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Nach Weltbank-Angaben haben beispielsweise institutionelle Investoren, auf deren Geld die G20-Initiative zielt, lediglich 1% ihres Portfolios im Infrastruktur-Bereich angelegt.


[i] In einem anderen WEO-Kapitel warnt der IWF davor, dass globale Ungleichgewichte, auch wenn sie sich, vor allem durch die Einsparungen in Defizitländern, verringert haben, nach wie vor ein systemisches Risiko für die globale wirtschaftliche Stabilität darstellen. Ein Sonderkapital im FSR weist auf das immer noch ungelöste Problem des Shadow-Banking hin.

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