12. September 2014

Junckers EU-Kommission: Selbstumzingelung

Als der ehemalige Luxemburgische Premierminister zum Chef der Europäischen Kommission gewählt wurde, sahen wir darin einen „Pyrrhussieg Junckers“. Denn – so die Vermutung – er würde diese Wahl durch Konzessionen bei der Benennung seiner Kommission bezahlen müssen (>>> W&E06/2014). Jetzt ist klar, wie diese Konzessionen aussehen: Juncker hat sich selbst umzingelt mit den eigenen Konservativen, mit austeritätspolitischen Hardlinern und Aposteln des Freien-Markt-Kapitalismus. Selbst der neue Kommissar für Wirtschaft, Pierre Moscovici, neben der neuen Außenbeauftragten der EU Frederica Mogherini der einzig verbliebene Sozialist an der EU-Spitze, ist da kein Korrektiv. Er geriert sich als markt- und wirtschaftsergebener Sozialdemokrat (nach deutschem Modell), dem etwa die Finanztransaktionssteuer ein Graus ist.

Für den Fall, dass er in der Haushaltspolitik von den strikten neoliberalen Sparvorgaben der EU abweichen sollte, hat er eine ganze Garde von Bewachern zur Seite: den neuen Vizepräsidenten der Kommission aus Lettland, Valdis Dombrovskis, etwa, der die drakonischsten Einschnitte mit zu verantworten hat, die jemals ein Land hinnehmen musste; den Finnen Jyrki Katainen, der ausgerechnet für Arbeit und Wachstum zuständig ist und in seiner Zeit als Premierminister zu den schärfsten Advokaten der „austerity“ in Europa gehörte, die konservativ-liberalen Frauen Cecilia Malmström aus Schweden (die neue Handelskommissarin), Margarethe Vestager aus Dänemark (Wettbewerbspolitik) und Elzbieta Bienkowska aus Polen (die neue Binnenmarkt-Kommissarin). Für Energie und Klimawandel ist jetzt Arias Canete zuständig, der einmal Präsident eines Ölkonzerns war.

Es mag ein schlechtes Omen dafür sein, was von der neuen Truppe in Brüssel zu erwarten ist, dass gestern das geplante europäische Bürgerbegehren gegen TTIP, das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen, unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt wurde. Die größte Provokation freilich ist die Besetzung des Kommissars für Finanzmarktangelegenheiten mit dem konservativ-liberalen Lord Hill aus Großbritannien, der fast die ganze Zeit seines politischen und beruflichen Lebens als Finanzmarktlobbyist verbracht hat. Das sei ein Palmenzweig Junckers für Cameron und eine Gewährleistung für den Finanzplatz London, wird jetzt gesagt. Es könnte jedoch auch sein, dass dem Luxemburger Juncker die Ernennung des Briten Hill durchaus zupass kommt. Denn so sehr sich die Finanzplätze London und Luxemburg Konkurrenz machen und sich gerne gegenseitig eins auswischen, so sehr spielt man zusammen, wenn es ums grundsätzliche Interesse am eigenen Überleben geht. Die Erfahrung, wie man sich gegenseitig die Bälle zuspielt, hat der Luxemburger.

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