18. September 2014

G20-Finanzminister in Cairns: Beschleunigung oder Roll-back?

Dass von der australischen G20-Präsidentschaft am anderen Ende der Welt nicht viel Schwung für den G20-Prozess und die darin angestoßenen Reformen ausgehen wird, ist desöfteren angemerkt worden. Das Treffen G20-Finanzminister und -Zentralbankchefs an diesem Wochenende in Cairns/Australien könnte die vielleicht konkreteste Nagelprobe für die Frage werden: Was dominiert die G20? Beschleunigung oder Rückschritt? Über all dem zeigen sich zunehmende Spaltungslinien, die vor allem eine konsequentere Reform des internationalen Finanzsystems – das Kerngebiet der G20 – behindern.


Auf Betreiben der globalen Wirtschafts- und Finanzlobby, die unter der Bezeichnung B20 (Business 20) eine Art Schattenorgan hinter den G20 gebildet hat, wird der Streitpunkt die Minister beschäftigen, ob nicht ein zusätzlicher Review-Prozess notwendig ist, um die Folgen bisheriger und künftiger Finanzmarktregulierungen für Wachstum und Arbeitsplätze abzuschätzen. Diese vom australischen Finanzminister Joe Hockey unterstützte Initiierung zusätzlicher „impact assessments“ ist der nur mühsam verschleierte Versuch, den Prozess der Reform der internationalen Finanzordnung endgültig zu stoppen oder zurückzurollen. Er wird deshalb auch von jenen, die in diesem Prozess relativ weiter als andere fortgeschritten sind, etwa die USA, zurückgewiesen.

Das Bild einer gespaltenen G20 zeigt sich auch auf dem Gebiet der Bekämpfung aggressiver Steuervermeidung durch multinationale Konzerne, das im Zentrum der Agenda in Cairns steht. Der in dieser Woche im Auftrag der G20 vorgelegte Bericht der OECD zu „base erosion and profit shifting“ (BEPS) stellt zwar keine Verwässerung des ursprünglichen Auftrags dar und bietet einige Fortschritte, z.B. beim Kampf gegen das „treaty shopping“ und gegen Hybridstrukturen, mit denen die Konzerne Steuern möglichst dort anfallen lassen können, wo sie niedrig oder sogar gleich Null sind. Doch das ist erst ein Anfang.

Das System der über 300 Doppelbesteuerungsabkommen sei inzwischen so effektiv, merkt ein Video der OECD sarkastisch an, dass die Vermeidung von Doppelbesteuerung oft zur Vermeidung von Besteuerung überhaupt mutiert ist. Doch auch beim BEPS-Projekt der G20/OECD gibt es Bereiche, die ausgespart werden müssen, weil einige Steuerparadiese Widerspruch eingelegt haben; etwa bei der Beseitigung von Ausnahmeregelungen für Einkünfte aus Patenten und intellektuellem Eigentum. Das ist Ländern wie Großbritannien, Luxemburg, den Niederlanden und Spanien offensichtlich so wichtig, dass sie sich querstellen. Doch ohne eine Regelung auf diesem Gebiet wird BEPS wenig bringen.

Ungelöst ist nach wie vor auch das Too-Big-to-Fail-Problem und die Frage, wie künftig marode Banken im G20-Bereich nach einheitlichen Standards abgewickelt werden können. Beides beschäftigt die G20 seit dem Gipfel von Cannes im Jahre 2011. Soeben hat die Europäische Zentralbank wieder Ergebnisse aus der neuesten Stress-Test-Runde vorgelegt, die zeigen, dass gerade europäische Banken auch sechs Jahre nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise auf wackeligen Beinen stehen. Länder wie Frankreich und auch Japan streben daher größere „Flexibilität“ bei der Anwendung der Abwicklungsregeln innerhalb der Länder an. Wie immer das ausgeht: Es zeigt sich, dass aus der vor Jahren groß angekündigten internationalen Reregulierung der Finanzmärkte bestenfalls ein Flickenteppichs geworden ist und die nationalen Regulierungssysteme nach wie vor den Vorrang haben.

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