30. März 2014

Vom Regen in die Traufe? Der Kotau der Ukraine vor dem IWF

Noch keine 24 Stunden im Amt und noch bevor die sog. Fact Finding Mission des IWF das Land betrat, hatte die amtierende neue Regierung der Ukraine den Kotau vor dem Internationalen Währungsfonds vollzogen. Man werde „alle ökonomischen Reformforderungen“ und „alle IWF-Bedingungen“ erfüllen, erklärte der ukrainische Premierminister Arseniy Yatseniuk noch vor der Ankunft der IWF-Delegation. Inzwischen hat die IWF-Mission ihre Arbeit beendet und ein „Rettungspaket“ von 14-18 Mrd. Dollar erarbeitet, das – sofern der IWF-Vorstand Anfang April zustimmt – insgesamt 23 Mrd. Dollar über die nächsten zwei Jahre freimachen soll (darunter Stützungsbeträge aus den USA, der EU und Japan).


Das IWF-Programm kommt in Form eines traditionellen Beistandsabkommens („stand-by arrangement“) und ist die vielleicht heikelste geopolitische Intervention des IWF in den letzten Jahrzehnten. Es springt in die Bresche, nachdem ein Bail-out-Programm Russlands über 15 Mrd. Dollar mit dem Umsturz in Kiew die Grundlage verloren hat. Der gestürzte ukrainische Präsident Yanukovich hatte die jetzt widerstandslos akzeptierten Konditionen des IWF, der sich nicht zum erstenmal in der Ukraine engagiert, abgelehnt und dem russischen Rettungsdeal, der nicht an derartige Bedingungen geknüpft war, den Vorzug gegeben. Wie kurzsichtig und einseitig ein Teil der Bevölkerung diese Zusammenhänge sieht, zeigt sich daran, dass die Annahme des russischen Angebots durch die alte Regierung die Proteste auf dem Maidan noch zusätzlich angestachelt hatte.

Mit dem neuen IWF-Rettungsprogramm könnte die Ukraine jetzt durchaus vom Regen in die Traufe kommen. Es sieht die „Reform“ des Energiesektors vor, will sagen: die Einführung kostendeckender Gaspreise und die Abschaffung der Subventionen für die privaten Haushalte. Der staatliche Gaskonzern Naftogaz hat bereits eine Anhebung der Gaspreise für Privathaushalte zum 1. Mai um 50% angekündigt. Hinzu kommt die bereits erfüllte Bedingung der Freigabe der ukrainischen Währung, die seit Jahresbeginn 30% ihres Werts verloren hat. Und dann erwartet die Ukrainer ein flächendeckendes fiskalisches Austeritätsprogramm. Vor Geschäftsleuten in Kiew tat Yatseniuk überdies kund, man erwäge die Privatisierung von Teilen des Öl- und Gassektors – einer der strategischen Schlüsselsektoren der ukrainischen Ökonomie. Es ist zwar auch wieder (wie bei allen neueren IWF-Programmen) die Rede davon, dass die „verwundbarsten Bevölkerungsgruppen“ geschützt werden sollen, aber dies könnte sich wie so oft als Begleitrhetorik ohne praktische Konsequenzen erweisen.

Die Entscheidung des IWF-Boards im April ist auch ein innerer Balanceakt für den IWF. Einerseits kann das Management darauf verweisen, dass gegenüber der Ukraine im Vergleich zu anderen Programmen keine besonderen Zugeständnisse in puncto Konditionalität gemacht worden sind. Andererseits finden Vertreter des Südens wie der brasilianische Exekutivdirektor Paulo Nogueira Batista, dass ein kleiner Überbrückungskredit besser gewesen wäre und das eigentliche Abkommen nach den Wahlen im Mai mit der legitimen Regierung hätte ausgehandelt werden sollen. Wie dem auch sei: Mit seinem raschen Handeln hat der IWF seinem Motto „We stand ready“ einmal wieder alle Ehre gemacht und sich erneut als finanzieller Arm der westlichen Globalstrategie erwiesen.

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