19. Juli 2013

G20-Finanzminister in Moskau: Vereint gegen die Konzerne?



Mit der (trügerischen) Ruhe an den Finanzmärkten ist es auch ruhiger um die G20 geworden. Hinzu kommt eine gewisse Renaissance der G8, in deren Fußstapfen die G20 einst treten sollten. In gewisser Weise tun sie das auch. Was da im Mittelpunkt der Agenda des Treffens der G20-Finanzminister an diesem Wochenende in Moskau steht, nimmt sich wie eine Fortsetzung der G8-Agenda aus dem letzten Monat aus: Kampf gegen die Steuervermeidungsstrategien der großen internationalen Konzerne. Nur sollte man vorsichtig sein und nicht erwarten, dass die G20 hier mehr ausrichten werden als die großen Acht.

Zwar mangelte es im Vorfeld nicht an vollmundigen Ankündigungen. So erklärte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, in Zukunft müssten auch die Transnationalen Konzerne ihren fairen Steueranteil zahlen. Doch der heute in Moskau vorgestellte Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS), den die OECD im Auftrag der G20 erstellt hat, liest sich eher wie ein Kompendium der Steuervermeidung (etwa durch Verschiebung der Profite in die Länder mit den niedrigsten Steuern bzw. in Steueroasen) als wie ein echter Aktionsplan. Zwar enthält er auch eine To-do-List. Beispielsweise sollen die Multis künftig zur Berichterstattung über aggressive Steuerstrategien und zur Dokumentation ihrer Transferpreis-Praktiken veranlasst werden, so dass ihre Einkünfte auf Länderbasis heruntergebrochen werden können („country-by-country“). Doch diese Liste, so der Vorschlag, soll erst in den nächsten 18 bis 24 Monaten im Rahmen eines OECD-G20-Projekts abgearbeitet werden.

Angesichts dieser Trippelschritt-Planung vergleicht Attac den Aktionsplan heute mit dem Versuch, die Löcher des Siebes einzeln zu stopfen, um Wasser zu schöpfen. In der Tat sind die auch von der OECD identifizierten Steuerschlupflöcher so zahlreich, dass sich mit Einzelschritten wenig erreichen lässt. Dennoch hat die Gegenseite, etwa der britische Unternehmerverband CBI, schon im Vorfeld des Moskauer Treffens vor „radikalen neuen Lösungen“ im Kampf gegen die Steuervermeidung gewarnt. Das britische Finanzministerium beeilte sich mit der Versicherung, radikale Lösungen seien keineswegs geplant. Dabei wäre gegen die Steuervermeidung der Multis in der Tat nur ein radikales Kraut gewachsen: Unitary Taxation*), die in internationaler Konzertation die Steuerpflicht dort identifiziert, wo die Profite wirklich anfallen.


*) Unitary Taxation ist eine Form der Besteuerung internationaler Konzerne in zwei Schritten.
1a. Einheitliche weltweite Unternehmensbilanz
Zunächst wird ein Konzern als eine Einheit betrachtet und muss sämtliche
Aktivitäten aller Töchter in allen Ländern offenlegen. Angesichts der globalen Möglichkeiten der großen Unternehmen ist eine solche Berichterstattung schon lange überfällig.
1b. Formulary apportionment
Im zweiten Schritt wird mit Hilfe einer Formel der Gewinn des Konzerns nach dessen realen Aktivitäten den einzelnen Ländern zugeordnet. Heute können die Steuerabteilungen der TNK sehr kreativ gestalten, in welchem Land sie Gewinne und Verluste ausweisen wollen und in großem Stil Steuern vermeiden. In die Formel fließen harte Fakten ein: Wie umfangreich investiert ein Konzern in einem Land (Assets), wie viele Menschen arbeiten für wie viel Geld in dem Land, welchen Umsatz macht das Unternehmen dort tatsächlich?
Mit der Unitary Taxation würden viele Entwicklungsländer erstmals eine qualifizierte Grundlage für eine Besteuerung der großen ausländischen Investoren haben.

15. Juli 2013

Hermes: Bundesregierung versichert Klimakiller-Exporte



Ute Koczy
Eine Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Ute Koczy (Bündnis 90/Die Grünen) zeigt, dass in den letzten fünf Jahren über die Hälfte der Hermes-Bürgschaften im Energiesektor für fossile Energieprojekte vergeben wurden, im Zeitraum 2008-2012 insgesamt 4,2 Mrd. Euro für fossile Energien gegenüber 3,4 Mrd. Euro für Erneuerbare Energien. Der Antwort zufolge gab es in den Jahren 2011 und 2012 zwar mehr Deckungszusagen für Erneuerbare Energien als für Kohle, Gas und Öl. 2013 dürfte sich der Trend aber wieder umkehren, denn im März 2013 wurde bereits eine Grundsatzzusage über etwa eine Milliarde Euro für das griechische Braunkohlekraftwerk Ptolemeida V erteilt, die voraussichtlich im Lauf des Jahres in eine endgültige Bürgschaft verwandelt wird.

Umwelt- und Entwicklungsorganisationen kritisieren diese Vergabepraxis. „Während sich die Bundesregierung zu Hause die Energiewende auf die Fahnen schreibt, übernimmt sie im Interesse der deutschen Exportwirtschaft Bürgschaften für schmutzige Kohlekraftwerke, die den Klimawandel weiter verschärfen. Das ist klimapolitisch unverantwortlich“, erklärte Jan Kowalzig von Oxfam. So gab es in der Vergangenheit etwa Export-Bürgschaften für die umstrittenen Kohlekraftwerke Medupi und Kusile in Südafrika und ein Kohlekraftwerk in Vietnam.

Kohle sei der schlimmste Kohlendioxidproduzent unter den fossilen Energieträgern. Über die Bürgschaften den Neubau von Kohlekraftwerken zu subventionieren, bedeute auch, jahrzehntelang hohe Treibhausgasemissionen festzuschreiben. Kohlekraftwerke müssten von der Exportförderung grundsätzlich ausgeschlossen werden, sekundiert Regine Richter von urgewald. Die Organisationen verweisen auf den Klimaschutz-Plan von Präsident Obama, der Ende Juni gefordert hat, dass die öffentliche Unterstützung der US-Regierung für neue Kohlekraftwerke im Ausland bis auf wenige Ausnahmen aufhören müsse. – Wenn man von den „wenigen Ausnahmen“ absieht, ist es das erste Mal seit langer Zeit, dass sich die Bundesregierung in Sachen Energie- und Umweltpolitik ein Beispiel nehmen kann.


12. Juli 2013

Streit um Investorenrechte: Philip Morris contra Uruguay



Entgegen einem schwebenden bilateralen Verfahren hat das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), ein Schiedsgericht der Weltbank, in einem Streit zwischen Philip Morris und Uruguay für zuständig erklärt. Der Tabakmulti, dessen internationaler Geschäftssitz in Lausanne ist, begrüßt das. Er hatte im Februar 2010 wegen zu restriktiver Anti-Tabak-Massnahmen gegen Uruguay geklagt. Grundlage der Klage ist das Investitionsabkommen zwischen Bern und Montevideo. Für NGOs wie Alliance Sud, die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft von Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks, ist das ein inakzeptabler Präzedenzfall und ein weiterer Beleg dafür, dass die Schweizer Praxis der Investitionsabkommen dringend revisionsbedürftig ist.

Das Investitionsabkommen zwischen der Schweiz und Uruguay ist seit 1991 in Kraft und  legt fest, dass es den beiden Staaten vorbehalten ist, wirtschaftliche Aktivitäten einzuschränken, die der öffentlichen Gesundheit abträglich sind (Art 2.1.). Im Streitfall ist ein Investor verpflichtet, ein nationales Gericht anzurufen (Art. 10.2.). Philip Morris ist in ähnlich gelagerten Fällen vor nationalen Gerichten in Norwegen und Australien unterlegen.

Im Fall von Uruguay, das eine Gesundheitspolitik im Einklang mit der Anti-Tabak-Konvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verfolgt, rief Philip Morris an das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), ein Schiedsgericht der Weltbank, an; dies ohne die Frist von 18 Monaten abzuwarten, die ein uruguayisches Gericht Zeit gehabt hätte, um seinerseits ein Urteil zu fällen, wie es das Investitionsschutzabkommen vorsieht. Das Verfahren war dermaßen intransparent, dass es uruguayischen Nichtregierungs­organisationen verwehrt blieb, ihren Standpunkt darzulegen. Das Schiedsgericht hat sich jetzt für zuständig erklärt, die Schadenersatzklage von Philip Morris über 2 Mrd. Dollar zu beurteilen, was fast 5% des uruguayischen Bruttoinlandprodukts (!) entspricht.

Ein Schiedsspruch ist nicht vor 2015 zu erwarten. Er könnte eine Bresche schlagen in den weltweiten Kampf der WHO und der Länder des Südens gegen die schädlichen Auswirkungen des Tabak-Konsums. Wie auch immer das Urteil ausfällt, Uruguay wird Gerichtskosten in der Höhe von rund 8 Mio. Dollar tragen müssen.

Bei NGOs und Regierungen in Lateinamerika steigt der Unmut über Investitionsschutz­abkommen, die den Investoren Rechte geben, den Gastländern jedoch Pflichten auferlegen und oft zu hohen Schadenersetzforderungen gegen die Länder führen (>>> Gegenwind für Transnationale Konzerne: Staaten wehren sich gegen Entschädigungsklagen). In Uruguay verlangt eine zivilgestellschaftliche Koalition die Neuverhandlung des Abkommens mit der Schweiz von 1991 fordert. Der Weg an ein Schiedsgericht muss ausgeschlossen oder zumindest transparenter formuliert werden. Art 5.1. ist dahingehend zu präzisieren, dass die öffentliche Gesundheit vor dem Investitionsschutz Vorrang erhält.

11. Juli 2013

73% der Deutschen wollen Finanztransaktionssteuer gegen Armut



Rund drei Viertel der deutschen Bürgerinnen und Bürger sprechen sich dafür aus, Teile der Einnahmen aus der geplanten Finanztransaktionssteuer (FTT) für weltweite Armutsbekämpfung und Klimaschutz zu verwenden. Dies ergab eine repräsentative Umfrage des von Oxfam beauftragten Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Mai dieses Jahres. Laut Umfrage befürworteten 73% der Befragten, dass Teile der in Deutschland jährlich zu erwartenden 10 Mrd. Euro Einnahmen aus der Steuer für diese Zwecke verwendet werden. Die Umfrage wurde vom 2. bis 5. Mai 2013 von TNS Emnid durchgeführt. 1004 Bürgerinnen und Bürger wurden in dem Zeitraum befragt.

Auf die weitere Frage, ob Deutschland die Steuereinnahmen aus der FTT auch angesichts der Eurokrise dazu nutzen sollte, seinen internationalen Versprechen zur Armutsbekämpfung und zum Klimaschutz nachzukommen, antworteten ebenfalls 73% der Befragten mit ja. Die Auftraggeber werten dies als klaren Auftrag sowohl an die aktuelle, als auch an eine neue Bundesregierung – zumal ein neues Gutachten die negativen Folgen der Eurokrise für Schwellen- und Entwicklungsländer belegt.

Laut diesem heute veröffentlichten Gutachten des Kampagnenbündnisses „Steuer gegen Armut“ hat die Eurokrise erheblichen Schaden in Entwicklungsländern angerichtet. Im Gutachten wurden umfangreiche statistische Daten über Handel, Investitionen und Finanzbeziehungen zwischen der EU bzw. der Eurozone und den Entwicklungsländern ausgewertet. Neben rückläufigen Entwicklungshilfen verzeichneten Entwicklungsländer allein 2012 einen Wachstumsverlust von 237 Mrd. US-Dollar (185 Mrd. Euro). Je enger Entwicklungsländer wirtschaftlich mit Europa verbunden sind, desto größere Schäden hat die Krise bei ihnen angerichtet. „Deshalb ist Europa verpflichtet, Schadensersatz zu leisten“, heißt es darin. Die Zusatzeinnahmen aus der FTT geben dazu die Möglichkeit. Insofern sollte die Politik auch gegenüber der massiven Lobbykampagne der Finanzindustrie, die die Steuer im Rahmen der EU erneut zurückdrehen will, standhaft bleiben.

10. Juli 2013

Griechenland-Bericht: Und kein bisschen weise


Und trotz eigener Erkenntnisse kein bisschen weise, könnte man anlässlich des jüngsten Griechenland-Berichts der Troika sagen. Dabei kritisiert längst nicht nur das globalisierungskritische Netzwerk Attac die Kürzungsprogramme für Griechenland, weil „die Auflagen die griechische Wirtschaft zerstören und Millionen Menschen in Armut stürzen“, wie Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis sagt. Die Troika ist nicht nur in vollem Bewusstsein der fatalen Wirkung ihrer Auflagen. Sie weiß auch genau, dass die so genannten Sparmaßnahmen die Löcher in den Haushalten der Krisenländer nicht verkleinern, sondern immer weiter aufreißen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat bereits im Herbst 2012 in einer Studie festgestellt, dass Griechenland, Portugal und anderen Krisenländern durch die Troika-Auflagen mehr Einnahmen verloren gehen, als die Länder an Ausgaben einsparen. Der fiskalische Multiplikator für diese Länder liegt in Wirklichkeit weitaus höher, als von der Troika Jahre lang angenommen. Der fiskalische Multiplikator misst den Effekt staatlicher Ausgabenkürzungen auf die Wirtschaftsleistung – und damit auf die Steuereinnahmen. Ist der Multiplikator größer als eins, führt Sparen ins Verderben. Der IWF geht in seiner Studie von einem fiskalischen Multiplikator von 0,9 und 1,7 für die Krisenländer aus. Das heißt: Wenn der Staat seine Ausgaben um einen Euro kürzt, sinkt die Wirtschaftsleistung um 90 Cent bis 1,70 Euro. Andere Wissenschaftler gehen von einem Wert von bis zu 3,6 für Griechenland aus.

Dass sich die Kürzungsprogramme sich bereits auch auf die Wirtschaft anderer europäischer Länder auswirken, zeige laut Attac der deutliche Rückgang der Export-Überschüsse Deutschlands im Mai: Besonders die Ausfuhren in die Eurozone sind im Vergleich zum Vorjahr um fast 10% niedriger. Attac fordert, endlich die Einnahmen der Staaten zu erhöhen – unter anderem über eine europaweit koordinierte Vermögensabgabe sowie durch eine Umstellung der Konzernbesteuerung: Sämtliche Konzerntätigkeiten sollen künftig in einer einzigen internationalen Bilanz dargestellt und von den Ländern, in denen die Konzerne tätig sind, besteuert werden können („Unitary Taxation“).

Die Länder haben für die Konzerne zahlreiche Möglichkeiten geschaffen, Milliarden an der Steuer vorbei zu rechnen. So konnte Coca-Cola Griechenland mitten in der Krise ganz legal seine Steuer-Pflicht durch einen virtuellen Umzug in die Schweiz und nach London minimieren. Deutschland gehen nach Schätzungen Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) jährlich 90 Mrd. Euro an Steuern verloren, weil vor allem die großen Konzerne ihre Gewinne über Steueroasen wie die Niederlande, Irland oder Luxemburg wegrechnen.