22. März 2013

Eurokrise 2.0: Europas Lehmanscher Augenblick?

Wie ein Blitz hat der geplatzte Zyperndeal die trügerische Gewissheit zerstört, das Gröbste der Eurokrise sei vorbei. Während erstmals ein Parlament des Euroraums Nein zu einem Hilfspaket aus Brüssel sagte, beschädigt der Dilettantismus der Krisenmanager weiter das Vertrauen in die Eurozone. Gleich mit erledigt wurde dabei fürs erste die Hoffnung, dass die Eurozone einheitlich handeln und ihre Banken unter ein einziges und robustes Regulierungssystem bringen könnte. Mit dem italienischen Wahlergebnis und dem Nein aus Zypern tritt die Eurokrise in eine neue Phase. Sie ist durch zahlreiche unfertige Baustellen gekennzeichnet.

Als erstes dürfte die Zypernkrise die Rezession, in der die Eurozone steckt, bis auf weiteres verlängern. Wenn sich die Spaltungen in Europa vertiefen, bleibt kaum noch Raum für die Entwicklung einer gemeinsamen und aktiven Konjunkturpolitik, an der einige, allen voran Berlin, ohnehin kein Interesse haben. Wenn die Europäische Zentralbank, wie angedroht, Zypern am kommenden Montag tatsächlich den Geldhahn (in Form der Notfall-Liquiditätshilfe ELA) abdreht, wäre das so etwas wie Europas Lehman’scher Moment. Während mit der Verweigerung der Rettung der Lehman-Bank durch die US-Regierung die Finanzkrise erst so richtig losgetreten wurde, wäre es im Falle Zypern das erste Mal, dass einem Euro-Mitgliedsland die Rettung verweigert wird. Wegen der geringen relativen Größe der zyprischen Ökonomie im Euroraum ist allerdings unklar, wie groß das Beben dann wäre.

Eine zweite Baustelle ist das Projekt der Schaffung einer Europäischen Bankenunion. Mit dem versuchten Griff Brüssels nach einem Teil der Spareinlagen in zyprischen Banken (von anderen Guthaben, die reiche Steuerflüchtlinge in der Regel bevorzugen, wie Fonds, Einlagen in Trusts und Immobilieninvestitionen, war gar nicht erst die Rede) wurde ein zentraler Daseinszweck der geplanten Bankunion in Frage gestellt: die Garantie von Bankeinlagen.

Nicht alles freilich, was derzeit in der Eurozone geschieht, fällt unter die Kategorien „Krisen-Dilettantismus“ oder „Unfähigkeit zur Reform“. Nach dem Beschluss, die Boni der Banker zu kappen, sollen jetzt auch Fonds-Manager nicht mehr in Form von Boni bekommen dürfen als sie als reguläres Gehalt erhalten. (Bereits jetzt formiert sich der lobbyistische Widerstand dagegen in Fonds-Hochburgen wie Frankreich, Luxemburg und Irland.) Und mit der Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTT) geht eine wirtschaftsstarke Gruppe von Euroländern den Weg von Vorreitern bei der Heranziehung des Finanzsektors zur Bewältigung der Krisenkosten. Warum eigentlich verlangt die Eurogruppe von Zypern nicht die Einführung der FTT oder die Etablierung eines wirksamen Systems progressiver Besteuerung von Finanzeinkünften und riskiert lieber die Eurokrise 2.0?

* Wie die neue Phase der Eurokrise durch die Unfähigkeit der Politik, eine einheitliche und entschlossene Antwort Europas auf die Krise zu finden, vorbereitet wurde, wurde in diesem Blog und im Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung immer wieder analysiert und kommentiert. Wir haben die wichtigsten Beiträge in einem neuen W&E-Dossier zusammengefasst >>> hier.

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