28. Januar 2013

Davos zwischen Krisenrufen und Selbstzufriedenheit

Erst hieß es in der alljährlichen Risikostudie des Weltwirtschaftsforums (WEF), die größten Risikofaktoren in der Welt von heute seien die wachsende Ungleichheit und die fiskalischen Ungleichgewichte. Dann war plötzlich von „guter Stimmung“ in Davos die Rede. Es sei das erste WEF ohne Krisenrufe seit 2008 – so der Chefökonom der Financial Times, Martin Wolf, zum Auftakt des Panels über die weltwirtschaftlichen Aussichten. Doch dann wieder: Die Aussicht, dass die Krise vorbei ist, sei „ein sehr großer Irrtum“. Die derzeitige Konjunkturerholung sei „sehr zaghaft und fragil“, so die Chefin des IWF, Christine Lagarde. 2013 sei ein Make-or-Break-Jahr für die Entwicklung der Weltwirtschaft.

Am seinem letzten Tag zeigte das WEF, dass seine TeilnehmerInnen mindestens genauso unsicher sind wie die weltwirtschaftliche Entwicklung selbst. Die Frage kam auf, wie groß die Gefahr sei, dass der „Modus der Erleichterung“ (Wolf) erneut der Selbstgefälligkeit und Selbstzufriedenheit weicht. In der Tat hat sich angesichts einer revidierten IWF-Prognose von durchschnittlichen 3,5% für die Weltwirtschaft in 2013 wenig an der grundlegenden Situation geändert. Die globale Ökonomie ist nach wie vor eine Ökonomie der zwei Geschwindigkeiten mit einer Rezession in Europa und schwachem Wachstum in den USA auf der einen Seite und relativ kräftigen Zuwachsraten in den Schwellen- und Entwicklungsländern auf der anderen (auch wenn die Rückkehr letzterer zu dem außerordentlich hohen Wachstum der letzten zehn Jahre eher unwahrscheinlich ist).

Gefahrenmomente lauern an allen Ecken und Enden. So könnte der Haushaltsstreit in den USA schnell zu einem Double-Dip führen, wenn über die Begrenzung der Schulden nach oben auch dort der Übergang in eine Art „Perma-Austerität“ (Wolfgang Münchau) erzwungen wird. Ob die Reform der Finanzmärkte über die bisherigen zaghaften Versuche hinaus doch noch in ernsthafte Bahnen kommt, entscheidet sich in den nächsten zwei Jahren. Und der derzeitige Höhenflug an den Börsen ist so ziemlich ohne Bedeutung für diejenigen, die von der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit oder noch weiter steigenden Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind. Der Chef der OECD, Angel Gurría, sieht deshalb wenig Grund für eine grundsätzliche Erleichterung. Immerhin: Jetzt wo viele „Davos People“ das Gefühl haben, der Kelch der Hinrichtung sei noch einmal an ihnen vorbei gegangen, hätten sie die Chance nutzen können, solche Probleme zu bearbeiten, die lange Zeit vernachlässigt wurden – von Klimaschutz bis soziale Gerechtigkeit. Diese Chance hat Davos auch in diesem Jahr verpasst.

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