14. November 2012

Europaeisierung des Protests

Heute – mehr als zwei Jahre nach dem Beginn der Krisenpolitik – erleben wir in Europa den ersten breit getragenen und grenzüberschreitenden Streik- und Aktionstag. Zum ersten Mal unterstützen auch der Europäische Gewerkschaftsbund (ETUC) und der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) die kontinentweite Mobilisierung gegen die dominante Krisen- und Austeritätspolitik der EU-Regierungen. Während in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal landesweite Streiks geplant sind, wird es in den anderen EU-Mitgliedsstaaten eher zu Solidaritätsbekundungen und –aktionen kommen. Dies spiegelt zwar die ungleiche Entwicklung der Bewegungen in Europa wider, aber doch auch eine beachtliche Europäisierung des Protests, die zu einer Veränderung der Kräfteverhältnisse beitragen kann.

Immerhin zielt der ETUC mit seiner Mobilisierung auf die „Stärkung der Opposition gegen die destruktive Austeritätspolitik“, die von der sog. Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF vorangetrieben wird. Sie soll das Momentum schaffen für „einen sozialen Pakt für Europa mit einem wirklichen sozialen Dialog, einer Wirtschaftspolitik, die qualifizierte Arbeitsplätze und wirtschaftliche Solidarität zwischen den Ländern Europas fördert“. Gegenüber der Standortlogik, denen viele nationale Gewerkschaften immer noch verhaftet sind, spiegeln sich darin durchaus Fortschritte, kann doch von einem „sozialen Dialog“ keine Rede sein, solange „die Architekten der Austerität … schlicht darauf aus sind, die Finanzmärkte ohne Rücksicht auf die sozialen und wirtschaftlichen Kosten bei Laune zu halten“, wie ITUC-Generalsekretärin Sharan Burrow formuliert.

In einem begleitenden Schreiben an den EU-Ratspräsidenten Harman van Rompuy und dem Kommissionspräsidenten Manuel Barroso ruft der ITUC dringend zur Korrektur der derzeitigen europäischen Politik auf, die die EU in ihre bislang schwerste Krise gestürzt hat. Zugleich fordert er, den Neuen Europäischen Sozialpakt zu unterstützen, den der ETUC als Antwort auf die Krise entwickelt hat. Angesichts der bisherigen Probleme eines gewerkschaftlichen Internationalismus, der diesen Namen verdient, und der traditionellen Orientierung auf den „sozialen Dialog“ mag Skepsis angebracht sein, ob es sich hier wirklich um etwas Neues handelt. Immerhin zwingt der Umstand, dass die vorherrschende Krisen- und Sparpolitik der EU-Spitze jedem wie auch immer gearteten sozialen Dialog die Grundlage entzieht, auch die Gewerkschaften zur Bewegung.

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