19. September 2012

Stiglitz und Charlton fordern Recht auf Handel

Joseph E. Stiglitz
Wenn die Welthandelsorgani-sation (WTO) auf ihrem diesjährigen Public Forum in Genf den Ursachen für die Krise des Multilateralismus nachgeht, wäre sie gut beraten, auf einen Vorschlag zu hören, den Joseph Stiglitz von der Columbia University und Andrew Charlton von der London School of Economics kürzlich unterbreitet haben. In einem gemeinsamen Report für das Commonwealth-Sekretariat fordern die beiden Wirtschaftswissenschaftler die Verankerung eines „Rechts auf Handel“ im Streitschlichtungssystem der WTO und die Errichtung einer Global Trade Facility (GTF), um vor allem Entwicklungsländer bei der Durchsetzung neuer Marktzugangsrechte zu unterstützen und sie für handelspolitische Verluste zu entschädigen.

Der Report „The Right to Trade” geht explizit davon aus, dass sich die mit der bisherigen Aid-for-Trade-Politik im Rahmen der WTO verbundenen Hoffnungen nicht erfüllt haben. Die in diesem Zusammenhang bereitgestellten Mittel waren weder zusätzlich (zur regulären Entwicklungshilfe) noch vorhersagbar und effizient. Ohne Zusätzlichkeit sei Aid-for-Trade jedoch lediglich eine andere Form der Konditionalität, die die Wirksamkeit von Hilfsprogrammen behindere. Mehr noch: Aid-for-Trade sei zu einem Ersatz für eine wirkliche Reform der Welthandelssystems geworden.

Nach Stiglitz und Charton muss eine entwicklungsorientierte multilaterale Liberalisierungsagenda einen alternativen Mechanismus schaffen, der Ungleichgewichte im globalen Handelssystem beseitigt und dafür sorgt, dass dieses System im Interesse der Menschen zu funktionieren. Dies könne erreicht werden, wenn die WTO ihren Streitschlichtungsmechanismus durch ein „Recht auf Handel“ ergänzt. Ein solcher Mechanismus würde gegen ein fortgeschrittenes Land in Anwendung gebracht, sobald drei Bedingungen erfüllt sind:

* wenn eine Gruppe von armen Menschen in einem Entwicklungsland identifiziert werden kann, die von einer besonderen Handels- oder handelsbezogenen Politik spürbar und direkt betroffen ist;

* wenn diese Politik die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gruppe nachweisbar behindert; und

* wenn diese Politik die Fähigkeit der Gruppe einschränkt, Handel zu treiben oder Vorteile aus dem Handel zu ziehen.

In Ergänzung dazu soll die vorgeschlagene Global Trade Facility, die durch Geldmittel aller Geberländer gespeist würde, Ressourcen bereitstellen, um die Entwicklungsländer bei der Nutzung des Streitschlichtungsmechanismus zu unterstützen und optimale Vorteile aus der Durchsetzung von Marktzugangsrechten zu ziehen. Das Finanzierungsvolumen soll 0,05% des BIP der fortgeschrittenen Industrieländer betragen, was gerade mal 7% der insgesamt versprochenen Entwicklungshilfe (0,7% des BIP) wäre. Institutionell soll der Fonds bei der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) angesiedelt werden. Ähnlich wie die Globale Umweltfazilität (GEF) bei der Weltbank ist jedoch daran gedacht, dass das GTF-Sekretariat völlig unabhängig von der UNCTAD agieren kann.

Vorschläge dieser Art sollten sehr willkommen sein, da mit der Sackgasse der Doha-Runde innerhalb der WTO auch die Diskussion über die Reform des multilateralen Handelssystems ins Stocken geraten ist. Auch von dem diesjährigen Public Forum der WTO dürften jedoch kaum Impulse zur Wiederbelebung dieser Debatte ausgehen.

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