27. Januar 2012

Davos, 3. Tag: Grosse Transformation?

Selten war so viel von Veränderung die Rede – öffentlich. Doch hinter den Kulissen, wo Normalsterbliche keinen Zutritt haben, grassiert die Sorge um den Status quo. Was beherrscht die Diskussionen der Banker in diesem Jahr in Davos neben der Zukunft der Eurozone, fragte Gillian Tett im Blog der Financial Times. Ihre Antwort: „One answer is pay.“

„Hinter den Kulissen erzählen alle Top-Banker in diesem Jahr, dass sie sich nun in einer Welt zurechtfinden müssen, in der das Niveau ihrer Bezahlung stark gefallen ist.“ Um wie viel? „Einige sagen um 20-40% für mittlere Banker, wenn man die Gehälter nimmt (während die Bonus-Komponente weit mehr gefallen ist, weil ein höherer Anteil als Festgehalt bezahlt wird.) Andere schätzen, dass ihre Bezahlung in diesem Jahr um 50-80% niedriger sein wird als 2007. ‚Es hat eine große Transformation gegeben‘, so ein CEO. ‚Das Bild hat sich total gewandelt.‘” Die Klagen der Banker gehen freilich nicht so weit, dass sie enthüllen würden, wie viel in absoluten Zahlen sie immer noch bekommen. Denn wenn sie sagen würden, sie hätten jetzt nur noch 3 statt bisher 5 Mio. Dollar, erschiene das den meisten Leute immer noch als zu viel, gab ein Banker freimütig zu.

So lässt sich das Motto von der Großen Transformation freilich auch deuten. Da wird klar, dass es noch ein weiter Weg ist bis die Welt ihr nächstes „Economic Top Model“ hat, wie die Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbunds (ITUC), Sharan Burrow, in Anspielung auf ein Unter-Konferenzmotto („Shaping new models“) in einem Artikel für die Hufftington Post schrieb. Das soll nicht heißen, dass es nur Negatives aus Davos zu berichten gibt. Zum Beispiel kündigte gestern Bill Gates eine neue Großspende von 750 Mio. Dollar für den Globalen Fonds gegen HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria an. Das Geld wird dort dringend gebraucht, da viele Staaten ihre Finanzzusagen aufgrund der Finanzkrise reduziert haben oder die Mittel zu späte beim Fonds ankommen. „Dies sind harte wirtschaftliche Zeiten, doch das ist keine Entschuldigung, die Gelder für die Armen zu kürzen“, so Gates. Genau das findet jedoch statt.

So sind denn die meisten Positivmomente auf dem WEF weniger in der Praxis als auf der Verlautbarungsebene zu finden. Und dies betrifft auch nicht die Statements von Politikern und Wirtschaftsmanagern, sondern die Voten von Außenseitern. Erfrischend wieder einmal, wie Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz in Davos den Mainstream herausfordert (z.B. >>> hier). Lesenswert auch, was der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, über den Rückbau der Globalisierung zu sagen hat (>>> hier). – Wenigstens über eine Frage herrscht in Davos offensichtlich ein annähernder Konsens: Das globale Finanzsystem ist heute nicht sicherer als beim Ausbruch der Finanzkrise vor drei Jahren. Aber Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zeichnen sich nicht ab.

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