21. Juni 2011

Eiertanz um Schuldenschnitt für Griechenland

“Reprofiling” (etwa: Neuprofilierung), “rescheduling” (etwa: Neuterminierung), “roll-over“ (etwa: Überwälzung), „debt-exchange“ (etwa: Schuldentausch) oder gar „credit event“ (etwa: Kreditereignis) – das sind nur einige der Wortkreationen, die in den letzten Wochen geschaffen wurden, um nur eines nicht offen sagen zu müssen: Griechenland braucht einen Schuldenschnitt, einen veritablen Schuldenerlass, eine Restrukturierung seiner Auslandsschulden. Die deutsche Bundesregierung hat sich von ihrer ursprünglichen Forderung nach einer verbindlichen Beteiligung des Privatsektors an den Kosten der Griechenland-Krise abbringen lassen. Der Wunsch nach einer „freiwilligen Beteiligung“ des Privatsektors könnte sinnloser nicht sein: Wie diese Beteiligung erreicht werden soll, bleibt bislang unklar.

„Würde der Privatsektor von sich aus die Kosten der Krise mittragen wollen, bräuchte er dazu keine EU-Ministerrunde“, sagt Jürgen Kaiser, Koordinator des Entschuldungsbündnisses erlassjahr.de in Düsseldorf. Davon kann allerdings keine Rede sein – auch wenn sich die Bundesregierung seine Beteiligung so sehr wünscht. Dagegen sprechen die Fakten. So hatten deutsche Banken dem Bundesfinanzminister schon vor einem Jahr versprochen, ihr Engagement in Griechenland aufrecht zu erhalten. Tatsächlich haben sie seither ihre Forderungen vor allem durch Verkäufe griechischer Anleihen von 14,4 auf 9,9 Mrd. € reduziert.

Vielleicht etwas blauäugig erinnert erlassjahr.de in diesem Zusammenhang daran, dass die Bundesregierung sich in ihrem Koalitionsvertrag (Was ist dieser Vertrag den heute noch wert?) verpflichtet hat, auf die Schaffung eines Insolvenzverfahrens für überschuldete Staaten hinzuarbeiten: „Gewiss kommt diese Forderung aus der entwicklungspolitischen Diskussion um die Schuldenkrise von Entwicklungsländern", so Kaiser. Die Krise in Griechenland heute ist aber nicht weniger dramatisch als die Argentiniens oder Mosambiks im Jahr 2001. Beide Fälle - und zahlreiche weitere - haben gezeigt, dass ohne eine umfassende Entschuldung ein wirtschaftlicher Neuanfang nicht möglich ist. Mosambik wurden durch die multilaterale HIPC-Initiative fast 90% seiner Schulden bei öffentlichen und privaten Gläubigern erlassen. Argentinien hatte durch einen einseitigen Schritt eine Reduzierung seiner Anleiheschulden um fast 70% erreicht. In beiden Fällen folgte auf den Schuldenschnitt eine rasche wirtschaftliche Erholung. Ein Staaten-Insolvenzverfahren kann solche Schuldenschnitte in einem rechtsstaatlichen Rahmen ermöglichen.

Etwas skeptischer sieht dies allerdings Christian Felber im neuen Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung: „Sobald das erste Land vor den Konkursrichter tritt, geht die Wette los, wer der nächste Kandidat ist. Und mit ihrem diversifizierten Waffenarsenal können die Finanzmärkte „mitentscheiden“, wer fällt und wer nicht“, schreibt er in Sieben Szenarien zur Zukunft der Eurozone. Auch eine Insolvenzregelung für Staaten sei also letztlich keine Garantie gegen eine Gesamtinsolvenz der Eurozone.

1 Kommentar:

Stefan Wehmeier hat gesagt…

Der Mangel an Mut (1. Risiko der Prophezeiung)

"Kaum jemand wird einer Gruppierung, die die Welt für eine Scheibe hält, ein brauchbares Programm zur Erkundung des Weltraums zutrauen, und so sollte auch keiner Disziplin, die zeitlich unbegrenztes exponentielles Wachstum für realisierbar hält, eine Steuerung unseres Wirtschaftsgeschehens überlassen werden.
...Zunächst muss daher allgemein erkannt und anerkannt werden, dass bei den gegenwärtigen Geldordnungen ein grundlegender und gravierender Fehler vorliegt, der die gesamte Gesellschaft destabilisieren wird": http://www.deweles.de/files/mathematik.pdf

Dr. Jürgen Kremer, Prof. für Wirtschaftsmathematik

Eine Menschheit, die bereits Raumfahrt betreibt, hat etwas im Grunde so Einfaches wie das Geld bis heute nicht verstanden. Es ist irrelevant, was die "hohe Politik" beschließt oder nicht beschließt. Wenn das Geld selbst fehlerhaft ist, gibt es keine wie auch immer geartete "Finanzpolitik", um den bevorstehenden Zusammenbruch des Geldkreislaufs - und damit unserer gesamten "modernen Zivilisation" - aufzuhalten!

"Mangelnder Mut scheint der verbreitetere Fall zu sein. Er tritt ein, wenn der angebliche Prophet, sogar wenn ihm alle relevanten Fakten vorliegen, nicht sehen will, dass sie unweigerlich nur eine einzige Schlussfolgerung zulassen."

Sir Arthur Charles Clarke (Profile der Zukunft)

Seit Herbst 2008 läuft die Weltwirtschaft in ein Phänomen, das der "Jahrhundertökonom" John Maynard Keynes als "Liquiditätsfalle" bezeichnete. Davon hat es in der Geschichte der halbwegs zivilisierten Menschheit viele gegeben (schon solange der Mensch Zinsgeld, anfangs Edelmetallgeld, benutzt) und alle Hochkulturen und Weltreiche sind an der Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz zugrunde gegangen. Heute stehen wir vor der absoluten Steigerung dieses Phänomens: die globale Liquiditätsfalle! Die Heilige Schrift bezeichnet dieses Ereignis als "Armageddon".

Um die größte anzunehmende Katastrophe der Weltkulturgeschichte abzuwenden und den anschließenden, eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation einzuleiten, bedarf es der "Auferstehung der Toten". Als geistig Tote sind alle Existenzen zu bezeichnen, die vor lauter Vorurteilen nicht mehr denken können: http://www.deweles.de