16. Februar 2011

G20-Finanzminister auf dem Weg nach Bretton Woods II?

"Jede Idee ist willkommen, auch Bandbreiten für Wechselkurse", sagte die französische Finanzministerin Christine Lagarde kürzlich in einem Interview mit dem Spiegel. Sie sei stets vorsichtig mit allzu ambitionierten Zielen, "wenn wir aber so ein System hinkriegen und es von der Nachwelt Bretton Woods II genannt wird, soll mir das recht sein". Es war das erste Mal, dass ein französisches Regierungsmitglied das Wort wieder in den Mund nahm, seit der französische Präsident Sarkozy 2009 in Davos damit Furore gemacht hatte, es danach aber wieder aus dem Verkehr gezogen hatte, um nicht zu viel innerhalb der G20 Widerstand zu provozieren. Bretton Woods II steht für ein grundlegend überholtes internationales Währungssystem – eine Top-Priorität auf der französischen G20-Agenda.

Kurz vor dem ersten Finanzministertreffen unter französischer Präsidentschaft, das am Freitag und Samstag in Paris stattfindet, sieht es freilich nicht nach einem großen Wurf aus, der diesen Namen verdienen würde. Angesagt ist eher Kleinarbeit, z.B. der Versuch einer Einigung auf jene indikativen Leitlinien, mit deren Hilfe Ungleichgewichte in der Außenbilanz der G20-Mitgliedsländer identifiziert werden sollen – eine Hausaufgabe, die die Finanzminister vom G20-Gipfel in Seoul geerbt haben. Einen breiten Ansatz vertritt in dieser Frage die EU, die will, dass ein Set an Indikatoren Berücksichtigung findet, wenn Ungleichgewichte definiert werden: die Leistungsbilanz, das öffentliche Defizit und die Verschuldung, die Privatschulden, die Sparrate, die Auslandsvermögensposition, die Währungsreserven und der reale effektive Wechselkurs. Während für die EU-Kommission die Leistungsbilanz von zentraler Bedeutung ist, will die chinesische Regierung vor allem die Handelsbilanzen ansehen, um globale Ungleichgewichte zu messen. Die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) macht sich hingegen seit einiger Zeit für den realen effektiven Wechselkurs (REER) stark, der auch Faktoren wie Arbeitskosten und Produktivitätsentwicklung berücksichtigt und damit ein realistischeres Bild als reine Außenwirtschaftsindikatoren zeichnet (>>> UNCTAD Policy Briefs 19).

Eine Einigung in dieser Frage wäre nicht von Übel, weil dies die Voraussetzung wäre, um Grenzen für Überschüsse und Defizite festzulegen, ab deren Überschreitung gehandelt werden müsste (wie es US-Finanzminister Geithner im Vorfeld von Seoul vorgeschlagen hat). Dies wäre allerdings noch nicht identisch mit dem Konzept der Wechselkurszielzonen, wie es eine Gruppe fortschrittlicher Ökonomen um Oskar Lafontaine in seiner Zeit als Finanzminister entwickelt hatte und jetzt unter anderen Vorzeichen wieder ins Gespräch kommen könnte. Die Reduzierung der Wechselkursschwankungen ist jedenfalls in vieler Hinsicht eine Gretchenfrage, auch mit Blick auf ein neues internationales Reservesystem, an dem die chinesische Währung Renminbi und die IWF-Kunstwährung der Sonderziehungsrechte partizipieren könnten (>>> W&E 02/2011: Der IWF im internationalen Währungssystem). Da der Trend zu einem multipolaren Währungssystem ohnehin nicht aufzuhalten ist, schlägt der einflussreiche US-Ökonom Fred Bergsten der US-Regierung heute schon einmal vor, sie sollte sich nicht ins Bremserhäuschen setzen, sondern den Trend nach Kräften mit befördern. Denn wenn die Lasten gleicher unter drei globale Reservewährungen verteilt würden, wäre das auch gut für den Dollar.

1 Kommentar:

Thomas Maurin hat gesagt…

Sie schrieben:

"Während für die EU-Kommission die Leistungsbilanz von zentraler Bedeutung ist, will die chinesische Regierung vor allem die Handelsbilanzen ansehen, um globale Ungleichgewichte zu messen."

Meinen Sie damit, dass die EU alle Bestandteile der Leistungsbilanz berücksichtigen will, während China nur den Außenbeitrag bzw. den auf Warenverkehr abstellenden Teil des Außenbeitrags berücksichtigen will?

Alle Bestandteile der Leistungsbilanz zu berücksichtigen hiesse Zu- und Abflüsse von Wanderarbeitern und Zinseinkommen zu berücksichtigen - dies ist wahrscheinlich nicht in Chinas Interesse. Ansonsten ist die Handelsbilanz ja Teil der Leistungsbilanz.