25. Februar 2011

Entwicklungspolitiker aller Parteien, vereinigt Euch!

EntwicklungspolitikerInnen aller Parteien teilen offensichtlich ein gemeinsames Problem: In allen Parteien – von rechts nach links, von grün bis schwarz – ist ihr Thema das fünfte Rad am Wagen. Deshalb fällt es ihnen wohl auch leichter als anderen, Allianzen über alle Parteigrenzen hinweg zu schließen. So wie es jetzt sechs Abgeordnete der CDU, der CSU, der SPD, der Grünen und der Linken mit ihrem Aufruf für einen fraktionsübergreifenden Konsens zur Erreichung des 0,7%-Ziels getan haben. Dieses Ziel sollte von allen Bundestagsfraktionen gemeinsam getragen und so parteipolitischen Profilierungsversuchen entzogen werden.

Die entwicklungspolitischen NGOs haben – wen wundert’s – den Aufruf geradezu enthusiastisch begrüßt: Die Deutsche Welthungerhilfe sprach von einem „guten Tag für die Entwicklungspolitik“, Misereor erfand die geradezu wilhelminische Sprachregelung: „Armutsbekämpfung kennt keine Parteigrenzen.“ Dabei ist das Versprechen, dass 0,7% des Bruttonationaleinkommens der Industrieländer für die Entwicklungshilfe eingesetzt werden sollen, ein 40 Jahre alter Hut und wurde bis heute nicht erfüllt. Ob kurz vor der Ziellinie der Millennium-Entwicklungsziele 2015 damit Ernst gemacht werden wird, bleibt abzuwarten.

Der Aufruf der sechs Abgeordneten jedenfalls ist ein Novum. Er hat folgenden Wortlaut:

Das Versprechen einhalten!
Aufruf für einen fraktionsübergreifenden entwicklungspolitischen Konsens zur Erreichung des 0,7%-Ziels

Das Versprechen der Industrienationen, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens mit den Ärmsten der Armen zu teilen und für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen, ist mehr als 40 Jahre alt.

Insbesondere die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben dieses Versprechen bekräftigt und konkretisiert und sich 2005 selbst verpflichtet, das 0,7%-Ziel spätestens 2015 zu erreichen. Es wurden auch verbindliche Zwischenziele festgelegt. So hätte Deutschland zum Beispiel bis 2010 eine ODA-Quote von mindestens 0,51% erreichen sollen.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland dieses Zwischenziel nicht erreicht hat. Seitdem es das 0,7%-Ziel gibt, haben sich bisher alle Bundesregierung zwar grundsätzlich dazu bekannt – aber nie die Finanzmittel in den Haushalt eingestellt, die dem Pfad zur Erreichung dieses Ziels entsprochen hätten. Auch die jetzige Bundesregierung unterlegt ihr im Koalitionsvertrag gemachtes Bekenntnis zum 0,7%-Ziel bisher nicht mit den dafür notwendigen Zahlen im Bundeshaushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung.

Vor dem Hintergrund der unbefriedigenden ODA-Bilanz aller bisherigen Bundesregierungen rufen wir dazu auf, von gegenseitigen Schuldzuweisungen abzusehen sondern es jetzt gemeinsam besser zu machen.

Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass es möglich ist, die Erreichung des 0,7%-Ziels aus den parteipolitischen Auseinandersetzungen herauszuholen und einen breiten entwicklungspolitischen Konsens im Parlament zu erzielen, der auch von der Mehrheit der Bevölkerung begrüßt wird. Trotz Wirtschafts- und Finanzkrise und einem Haushalt, der in vielen Sektoren drastische Sparmaßnahmen vorsieht, steigert Großbritannien aktuell seine Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe und wird aller Voraussicht nach das 0,7%-Ziel schon 2013 erreichen.

Nach mehr als 40 Jahren Proklamierung des 0,7%-Ziels und knapp vier Jahre vor dem Zieljahr 2015, ist es auch in Deutschland höchste Zeit für einen partei- und fraktionsübergreifenden entwicklungspolitischen Konsens: Das Versprechen muss konsequent umgesetzt und ein Entwurf für den Haushalt 2012 sowie für die mittelfristige Finanzplanung vorgelegt werden, mit dem das 0,7%-Ziel bis 2015 tatsächlich erreicht werden kann.

Um das Versprechen einhalten und die ODA-Lücke schließen zu können, müssten in den kommenden vier Jahren im Bundeshaushalt die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe beträchtlich aufwachsen – im Schnitt pro Haushaltsjahr um mindestens 1,2 Milliarden Euro. Ergänzt um innovative Finanzierungsinstrumente könnte so ein wesentlicher Beitrag zur Schließung der ODA-Lücke geleistet werden.

Dies ist angesichts der enormen globalen Herausforderungen – rund eine Milliarde Menschen hungern –im wahrsten Sinne des Wortes NOT-wendig.

Ob die notwendigen Finanzmittel aufgebracht werden können, ist vor allem eine Frage der Prioritätensetzung. Ob wir auf die gebotene Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit verweisen, auf christliche Nächstenliebe, internationale Solidarität oder weltweite Gerechtigkeit – wir fühlen uns moralisch dazu verpflichtet, auf die Einhaltung der 0,7%-Zusage zu drängen und fordern das Bundeskabinett und den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages auf, die dafür notwendigen Weichen zu stellen.

Selbstverständlich muss auch die Wirksamkeit und Effizienz der deutschen und der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit, unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen, weiter verbessert werden. Qualität und Quantität dürfen aber nicht gegeneinander ausgespielt werden. Beides muss gesteigert werden, um die Millenniumsentwicklungsziele bis 2015 doch noch erreichen zu können.

Ein entwicklungspolitischer Konsens zur Erreichung des 0,7%-Ziels sollte von allen Fraktionen gemeinsam getragen und gemeinsam verantwortet und so parteipolitischen Profilierungsversuchen entzogen werden.

Dafür werden wir uns mit aller Überzeugung einsetzen.

Unterzeichner und Unterzeichnerinnen:
Holger Haibach, MdB (CDU/CSU Fraktion), Heike Hänsel, MdB (Fraktion Die Linke), Thilo Hoppe, MdB (Fraktion Bündnis90/Die Grünen), Bärbel Kofler, MdB (SPD Fraktion), Harald Leibrecht, MdB (FDP Fraktion), Sabine Weiss, MdB (CDU/CSU Fraktion)

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