11. Februar 2010

Klimaschutz ist mehr als ein Klimagipfel

Der Koordinator des Forums Umwelt & Entwicklung will die Zahl der NGO-VertreterInnen auf Klimagipfeln auf weltweit 1000 oder 2000 begrenzen. Die anderen sollen zu Hause bleiben. Im Gastkommentar für unseren Blog erläutert er, warum.

Gastkommentar von Jürgen Maier

Kommen einmal mehr als 100 Staats- und Regierungschefs zusammen, gibt es normalerweise ein Ergebnis, das man zumindest gesichtswahrend als Erfolg verkaufen kann, selbst wenn es kaum Substanz hat. So war es beispielsweise beim Rio+5-Gipfel 1997 in Rio de Janeiro und bei Rio+10 in Johannesburg. Damit verglichen ist der dramatische Fehlschlag des Kopenhagener Klimagipfels eine Neuheit, mit dem auch die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nicht gerechnet hatten.

Die NGOs haben für Kopenhagen mobilisiert wie noch nie zuvor zu einem UN-Klimagipfel, und auch sie stehen jetzt mit leeren Händen da. Die konträren Interessenlagen der Hauptakteure – allen voran der beiden Emissionsweltmeister USA und China – scheinen so festgefügt, dass eine Bewegung in nächster Zeit kaum vorstellbar ist. Da die UN nur im Konsens beschließen können, reichte es noch nicht einmal zur Annahme des sog. Copenhagen Accord im Plenum. Dabei sah dieses weitgehend substanzlose Dokument vor, dass jeder Staat im Wesentlichen selbst bekannt geben kann, welche "Verpflichtungen" er übernimmt. Von Verhandlungen über gemeinsame Verpflichtungen bleibt so nichts mehr übrig, und die in diesem Text enthaltene Absichtserklärung, den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen, ist wertlos, wenn nicht gesagt wird, wie das geschehen soll.

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als eine (selbst)kritische Strategiediskussion über den Stellenwert von UN-Verhandlungen zu führen, wenn wir unsere eigenen Erklärungen ernst nehmen, dass wirksamer Klimaschutz keinen Aufschub zulässt. Ist wirksamer nationaler Klimaschutz das Ergebnis eines halbwegs problemgerechten UN-Abkommens oder ist er vielmehr umgekehrt die Voraussetzung für so ein Abkommen? Kann wirksamer Klimaschutz wirklich im internationalen Konsens beschlossen werden, wenn er schon zu Hause immer gegen starke Widerstände durchgesetzt werden muss? Brauchen wir wirklich 25.000 NGO-VertreterInnen bei einem UN-Klimagipfel oder reichen für wirksame Lobbyarbeit auch 1.000 oder 2.000, während sich die anderen 23.000 mit ihrer jeweiligen fossilen Lobby vor Ort anlegen?

In der ersten Kopenhagen-Woche wurden in Deutschland drei Kohlekraftwerksprojekte gestoppt, weil Investoren angesichts des anhaltenden Widerstands von Bürgerinitiativen und NGOs aufgaben. Die eingesparten Jahresemissionen entsprechen den Kyoto-Verpflichtungen der drei Benelux-Staaten zusammen. Aber während es in der Klima-Allianz eine gut funktionierende Zusammenarbeit gegen Kohlekraftwerksprojekte gibt, bleibt die deutsche NGO-Szene deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück, wenn es um so klimawirksame Bereiche geht wie den fortgesetzten Straßenbau, die immer mehr verrottende Bahn, das Kaputtsparen des öffentlichen Nahverkehrs, aberwitzige Auto-Neukaufprämien, klimaschädliche Steuersubventionen, viel zu langsame energetische Gebäudesanierung, den schleppenden Netzausbau für erneuerbare Energien und so weiter. An diesen Fragen entscheidet sich, ob wir die Kurve zu umfassendem Klimaschutz kriegen oder nicht. Im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern hat Deutschland die Kyoto-Ziele schon erreicht – nicht zuletzt, weil öffentlicher Druck dafür gesorgt hat, dass Regierungen jedweder parteipolitischer Zusammensetzung am Klimaschutz nicht mehr vorbeikommen. Wollen wir aber über die für das Zwei-Grad-Ziel nicht ausreichenden Kyoto-Ziele hinaus, müssen wir mehr tun, als nur ein Kyoto-Folgeabkommen einzufordern. Auch wir haben nur begrenzte Ressourcen, und am Ende zählt das Ergebnis, nicht die gute Absicht.

Jürgen Maier ist Koordinator des Forums Umwelt & Entwicklung.

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