8. Dezember 2009

Finanztransaktionssteuer statt Aidwash

„Aidwash“ lautet die neueste Wortschöpfung auf der Klimakonferenz in Kopenhagen. Sie stammt vom Leiter der Verhandlungen, Yvo de Boer, und meint das Bemühen vieler nördlicher Regierungen – die schwarz-gelbe Koalition mal wieder vornean –, etwaige Zusagen zur Finanzierung der Anpassung an den Klimawandel im Süden einfach auf bereits gegebene Entwicklungshilfe-Zusagen anzurechnen bzw. aus den Entwicklungshilfe-Etats zu nehmen. Gerade mal mickrige zehn Milliarden Dollar hat man bislang für die Jahre 2010-2012 zugesagt. Zwar gestehen viele Regierungen ein, dass diese Summe bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden gesteigert werden könnte. Doch verbindliche Zusagen werden nicht gegeben. Und selbst wenn, ist da das traurige Schicksal der sog. Gleneagles-Verpflichtungen, zu deren Umsetzung es auch keine Fahrpläne gibt.

Dies alles müsste nicht so sein, wenn sich die Regierung endlich zur konsequenten Nutzung innovativer Finanzierungsinstrumente durchringen würden. Eines dieser Instrumente ist die Finanztransaktionssteuer, für die die Petitionskampagne des Bündnisses "Steuer gegen Armut" gerade das erforderliche Quorum für eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages erreicht hat. Dass in nur drei Wochen über 50.000 Unterschriften zusammenkamen zeigt nach Ansicht der Initiators Jörg Alt, „welch breite Unterstützung eine Besteuerung spekulativer Finanzmarktgeschäfte in der Gesellschaft findet". "Eine Finanztransaktionssteuer wird die Profitabilität kurzfristiger Spekulation mindern und so die Instabilität von Wechselkursen, Rohstoffpreisen und Aktienkursen dämpfen. Gleichzeitig wird eine solche Steuer erhebliche Erträge bringen, die unter anderem für die Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen dringend benötigt werden", erklärte der renommierte Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister vom österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO).

Von Stephan Schulmeister ist soeben als W&E-Hintergrund (s. Abb.) ein Grundsatztext erschienen, der erklärt, wie die Finanztransaktionssteuer funktioniert und welche Auswirkungen sie hätte (>>> Tobin or not Tobin? Die Finanztransaktionssteuer. Konzept, Begründung, Effekte). Den potentiellen finanziellen Ertrag einer solchen Steuer auf sämtliche Geschäfte mit Finanztiteln in Nordamerika und Europa beziffert der Wirtschaftsforscher darin (bei einem Steuersatz von 0,1%) auf 2,3 bzw. 2,5% des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes (BIP) bzw. (bei einem Steuersatz von 0,01%) auf 0,72 oder 0,78% des BIP. Die jahrzehntelange Diskussion um die Realisierung des 0,7%-Ziels könnte also mit einem Schlag beendet werden.

Auch ein anderes Beispiel, das der US-Ökonom Jeffrey Sachs heute in einem Leserbrief an die Financial Times nennt, zeigt, wie sehr die ganze Debatte um Geld in Wirklichkeit auch in Kopenhagen eine Frage der politischen Prioritätensetzung ist. Berichten zufolge will die US-Regierung im nächsten Haushalt 1,4 Mrd. Dollar für den Klimaschutz in armen Ländern bereitstellen. Das ist etwa genauso viel, wie sie alle zweieinhalb Tage im Irak und in Afghanistan ausgibt, oder etwa ein Viertel der Bonuszahlungen, die in diesem Jahr an der Wall Street ausgeschüttet werden.

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