29. März 2009

G20-Demos: Voller Erfolg oder Kassandra ohne Massenbasis?

„Voller Erfolg“ hieß es in der offiziellen Pressemitteilung der Veranstalter der Demonstrationen in Berlin und Frankfurt gegen den G20-Gipfel, der in der kommenden Woche in London stattfindet. Doch in die Erfolgsmeldungen mischen sich auch skeptische Stimmen. Geht es nach dem Mitbegründer von Attac Deutschland, Peter Wahl, so ist „Kassandra (nach wie vor) ohne Massenbasis“. Alles in allem habe sich gezeigt, dass es nirgendwo gelungen sei, über die engere globalsierungskritische und linke Szene hinaus Menschen zu mobilisieren. „Obwohl unsere Einschätzungen zum Finanzkapitalismus zutrafen, hat sich das bisher nicht in einer neuen Qualität auf der Straße umgesetzt.“

Neben den gängigen Erklärungen (z.B. die Krise sei noch nicht wirklich bei den Menschen angekommen) sieht Wahl auch jede Menge subjektive Schwächen, etwa die mangelnde Bündnisbreite: „Die Probleme zwischen Gewerkschaften und Bewegungen, insbesondere Attac, hätten bei einer klugen Bündnisdiplomatie zumindest minimiert werden können.“ Das antikapitalistische Profil der Proteste verbaue den Weg in den Mainstream der Gesellschaft, und die parteipolitische Schlagseite zur Linkspartei sei „eine strategische Dummheit erster Güte“. Hinzu komme, dass aus den Differenzierungen im herrschenden Block keine Konsequenzen gezogen werden. "‘Die da oben‘ werden als einzige reaktionäre Masse gezeichnet. Als ob es zwischen Obama und Bush, zwischen Köhler und Ackermann etc. keine Unterschiede gäbe! Das finden ‚normale‘ Leute nicht sehr überzeugend. Und da haben sie recht.“ Und schließlich würden „greifbare und begreifbare Alternativen“ kaum artikuliert.

Wenn das nicht alles aus der Luft gegriffen ist (und warum sollte es?), dann können wir noch von Glück sprechen, dass die Medien insgesamt recht positiv über die Proteste berichtet und als Hauptbotschaft den Ruf nach „einer gerechteren Weltwirtschaft“ vernommen haben. Nur Peter Richter in der FAZ am Sonntag hatte – nicht ganz zu Unrecht – Schwierigkeiten mit dem Motto der Demonstrationen „Wir zahlen nicht für eure Krise“. Das könnten eigentlich nur die sagen, die keine Steuern bezahlen, die ganz unten und die ganz oben. Alle anderen würden in den nächsten Monaten und Jahren unweigerlich zur Kasse gebeten.



Eine weiteres, sehr authentisches Video von der Londoner Demonstration findet sich >>> hier.

26. März 2009

IWF und Weltbank: Mehr Geld ist nicht genug!

Von Barbara Unmüßig

Bei allen Divergenzen zwischen den Industrieländern über die Tiefe der Regulierung der Finanzmärkte, besteht bei den 20 wirtschaftsstärksten Länder (G20) ein großer Konsens: Sie wollen die Rolle von IWF und Weltbank aufwerten und beide Finanzinstitutionen mit mehreren hundert Milliarden US-Dollar zusätzlich ausstatten. Damit sollen diese vor allem für neue Liquidität in den osteuropäischen und den von der Krise gebeutelten Schwellen- und Entwicklungsländer sorgen. Umfassende Reformen für beide Finanzinstitutionen liegen bislang nicht auf dem Tisch. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Amtskollegen müssen die längst überfälligen Reformen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zur Bedingung machen, wenn sie deren Krisenkasse verdoppeln.

In beiden Mammutbehörden klafft eine riesige Reformlücke: Kredite von Weltbank und IWF werden bislang ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Folgen abgewickelt. Wenn IWF und Weltbank zum Krisenmanager aufgewertet werden sollen, dann brauchen wir zuvor eine grundlegende Reform der wirtschaftspolitischen Ziele der neuen Kredite. Sie müssen sich an ökologischen und sozialen Kriterien orientieren. Eine demokratische Reform der Stimmrechtsverhältnisse der Exekutivgremien zugunsten der Entwicklungs- und Schwellenländer ist überfällig.

Die armuts- und umweltpolitische Bilanz von IWF und Weltbank fällt ernüchternd aus. Bislang profitierten vor allem die Eliten in Industrie- und Entwicklungsländern von der Kreditvergabe: IWF- und Weltbank-Programme benachteiligen die ärmsten Bevölkerungsgruppen, die am stärksten unter der Klima- und der Weltwirtschaftskrise leiden, obwohl sie an deren Verursachung keinerlei Anteil hatten. Dies belegen auch die hausinternen Berichte der Evaluierungsgruppe (IEG) der Weltbank. So beteiligt sich die International Finance Corporation (IFC), die Privatsektor-Tocher der Weltbank, an Investitionen in industrielle Palmöl- und Sojaplantagen. Deshalb werden Tropenwälder gerodet. Und noch ein Beispiel: Im indischen Bundesstaat Gujarat bewilligte die IFC einen Kredit in Höhe von 750 Mio. US-Dollar für ein Kohlekraftwerk der Tata Power Corporation, das bald Indiens drittgrößte CO2-Emissionsquelle sein wird.

25. März 2009

Apropos Köhler, IWF, Obama – Warum ich nicht der Meinung bin…

… dass Bundespräsident Köhler schon immer für die Regulierung der Finanzmärkte war:

Weil es lediglich ein Rührstück ist, das Köhler in seiner gestrigen Rede erzählte. Als Geschäftsführender Direktor habe er versucht, mehr Finanzmarktexpertise beim IWF anzusiedeln, sei damit aber gescheitert – nicht zuletzt an den G7-Ländern. Wirklich gescheitert ist Köhler dagegen mit seinem Versuch, die Konditionalität der IWF-Kredite zu reformieren. Dieser endete – gelinde gesagt – in einem Flop, den der Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung seinerzeit gut dokumentiert hat (>>> W&E 02/2003 und zuletzt W&E 01/2008). Dokumentiert hat W&E auch, wie Köhler beim Übergang vom IWF in das Bundespräsidialamt bruchlose Kontinuität als Propagandist neoliberaler Deregulierungspolitik bewies (>>> Köhlers Blaupause: IWF über Deutschland). – Der Bundespräsident hat gestern zwar eine schöne Sonntagsrede gehalten, die viele neoliberale Weisheiten hinter sich lässt. Wer jedoch konkrete Vorschläge zur Reregulierung der Finanzmärkte sucht, wird darin kaum etwas finden.

… dass der IWF zum Instrument der Krisenvermeidung werden kann:

Weil der IWF selbst Partei auf den Finanzmärkten ist. Konkreter wird der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Nicolas Stern. In einem neuen Buch (>>> A Blueprint for a Safer Planet) und in der heutigen Financial Times bemerkt Stern, dass zwar alle Welt von der Notwendigkeit eines Frühwarnsystems spricht, um künftige Finanzkrisen im Ansatz zu vermeiden, aber bis heute kein vernünftiger Vorschlag auf dem Tisch ist, welche Institution dies eigentlich leisten könne. Zwei Kategorien von Einrichtungen scheiden für Stern von vorneherein aus, weil ihre Interessen einer objektiven Beurteilung von Finanzmarktentwicklungen im Wege stehen: Gremien, in denen große Länder starkes politisches Gewicht haben oder die selbst im Kreditvergabegeschäft sind. Damit wären sowohl das Forum für Finanzstabilität als auch der IWF, die gegenwärtig für eine solche Frühwarnfunktion im Gespräch sind, aus aus dem Rennen (und wohl auch die meisten anderen internationalen Finanzinstitutionen). Folgerichtig schlägt Stern die Schaffung einer völlig neuen, strikt unabhängigen internationalen Einrichtung vor, die sich weder von Großmächten noch von IFIs in die Erstellung von Finanzmarktanalysen hineinreden lassen muss.

… dass Obamas neuer Plan die Finanzkrise lösen wird:

Weil auch der neue Plan nicht mit dem Glauben an die Selbstregulierungsfähigkeit der Märkte bricht. Da liege ich ganz ähnlich wie die Creme de la Creme der Kommentatoren – von Martin Wolf über Jeffrey Sachs bis Paul Krugman. Sie sind sich einig, dass das neue „Public-private Partnership Investment Programm“ der Obama-Regierung bestenfalls – sollte es denn funktionieren – einen massiven Wohlstandstransfer von den Steuerzahlern zu den Aktionären von Banken und Finanzkonzernen bringen wird und schlechtestenfalls die Perspektiven für eine Rekapitalisierung des Bankensektors in öffentlicher Kontrolle weiter verbaut. Warum dann nicht stattdessen ein großangelegter Debt-to-Equity-Swap, der dem Staat die notwendige Kontrolle für die Sanierung des Bankensektors gibt? Weil die Regierung Obama, wie Ann Pettifor bemerkt, sich – wie schon das alte und neue demokratische Personal unter Clinton – nicht mit den Geithners und der Wall Street anliegen will, sondern sie lieber selbst ins Boot holt (ähnlich übrigens schon Christoph Scherrer >>> W&E-Hintergrund Januar 2009).

24. März 2009

Debatte um Steueroasen: Zwischen Humbug und Heuchelei

Die ganze Aufregung um die Steueroasen im Vorfeld des G20-Gipfels sei nichts als „Humbug“, schrieb am vergangenen Wochenende der Financial Times-Kolumnist John Kay. „Die Steueroasen existieren, weil ihnen die großen Staaten dies gestatten, und die großen Staaten gestatten dies, weil die Kunden der Steueroasen die Reichen und Mächtigen sind.“ Früher fuhren die Herrschaften zum Glückspiel nach Monaco, weil das in ihren Heimatländern verpönt war. Heute besteht die typische Klientel der Offshor-Zentren aus Hedgefonds und allen möglichen Kapitalgesellschaften. Für finanziell Unbedarfte war und ist beides nichts. Schon die Reise nach Monaco kostete früher ein Vermögen. Und auch die Etablierung einer Offshore-Gesellschaft oder –Trusts heute ist zunächst einmal mit Kosten verbunden, die jenseits der Mittel liegen, über die der durchschnittliche Mitmensch verfügt.

Das Hauptanliegen des Kommentators mag sein, die Existenz von Steueroasen und Offshore-Zentren als ganz normale Angelegenheit darzustellen. Doch wo er Recht hat, hat er Recht. Tatsächlich ist in der aktuellen Auseinandersetzung, die in der neuen Ausgabe des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung nachgezeichnet wird (s. Abbildung), viel Heuchelei und Hahnenkampf im Spiel. London und New York gehören vor allem deshalb zu den größten Finanzplätzen, weil sie über geölte Beziehungen zu zahlreichen Inseln im Kanal und in der Karibik verfügen. Oder: Ende 2006 beispielsweise waren über die Hälfte der Offshore-Fonds in den USA registriert, die meisten im Bundesstaat Delaware – dessen großzügige Aufsichtsregeln ihn faktisch zu einer Offshore-Region machen.

Auch die Auseinandersetzung zwischen deutschen Politikern und Luxemburg ist nicht frei von Hypokrisie und abruptem Sinneswandel. Z.B. Steinbrück und Müntefering. Erst drohten die beiden dem Großherzogtum unverschämt mit der „Kavallerie“ (Steinbrück) oder schlicht „der Armee“ (Münterfering: „Früher hätte man in Steuerparadiese die Armee geschickt.“ – Der SPD-Vorsitzende muss da was verwechseln). Doch jetzt gab der deutsche Finanzminister anlässlich der Verleihung des Europapreises des deutschen Dienstleistungsgewerbes an den Luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker zu Protokoll: „Doch ich würde mir wünschen, auch mit anderen Partnern so entspannt und zielorientiert an einer Problemlösung arbeiten zu können wie mit Luxemburg.“ Ganz entspannt und zielorientiert mit Schwarzen Listen drohen? Das ist offensichtlich schon wieder Schnee von gestern.

19. März 2009

EU-Exportsubventionen: Milchbauern im Süden haben das Nachsehen

Gastkommentar von Marita Wiggerthale

Die Milchbauern in Deutschland erhielten im Februar 2009 teilweise gerade noch 18,6 Cent pro Liter Milch. Eine Katastrophe! Kein Milchbauer, ob groß, ob klein, kann davon leben. Es muss was geschehen! Nur was? Die EU-Kommission hat schnurstracks die Exportsubventionen für Milchprodukte wieder eingeführt. Seit Ende Januar wird wieder Dumpingmilch in arme Länder exportiert. Ein Skandal! Die Kommission versucht abzuwiegeln. Von einer »temporären Sofortmaßnahme« ist die Rede. Als Gründe werden die geringere Nachfrage im In- und Ausland angeführt. Selbstkritik? Fehlanzeige. Mit keinem Wort wird die fehlgeleitete Milchpolitik der EU erwähnt.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Exportsubventionen wieder eingesetzt werden würden. Die Milchüberschüsse drückten die Milchpreise Anfang 2008. Auch die Weltmarktpreise für Milchpulver fielen. Anstatt die Milchmenge zu begrenzen, wurden auf europäischer Ebene im März 2008 und im November 2008 die Weichen für eine Expansion der Milchproduktion gestellt. Politische Entscheidungsträger in Deutschland und der EU hatten mehrfach die Möglichkeit, den Hebel umzustellen. Aber nichts dergleichen ist passiert. Die von der EU-Kommission und der Bundesregierung propagierte weltmarktorientierte Milchpolitik ist gescheitert - doch nichts ändert sich!

Eine Fortführung der jetzigen Milchpolitik bedeutet nicht nur das Aus für zehntausende von Milchbauern in Deutschland, sie schadet auch den Milchbauern in den armen Ländern. Ob mit oder ohne Exportsubventionen, Milchbauern in Entwicklungsländern haben das Nachsehen: Entweder weil die EU-Kommission über bilaterale Freihandelsabkommen den Zollabbau für europäische Milchprodukte forciert, oder weil die europäische Dumpingmilch in importsensiblen Milchproduktionsländern die Märkte stört und Kleinbauern im schlimmsten Fall vom Markt verdrängt werden.

Die EU-Kommission, die deutsche Bundesregierung und mit ihr die exportorientierten Molkereien - darunter Nordmilch, Humana Milchunion, Müller Milch, Hochwald und Milchunion Hocheifel - haben nur eines im Blick: Milchüberschüsse über den Weltmarkt beseitigen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Milch- und Ernährungsindustrie zu sichern. Dies spricht nicht gegen Milchexporte per se. Wohl aber gegen die europäische Handels- und Agrarpolitik.

Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, wie verheerend die Folgen der Exportsubventionierung für Kleinbauern in armen Ländern sein können. In Jamaika ist der Milchmarkt Anfang 2000 geradezu kollabiert. Milchpulverimporte, mehrheitlich aus der EU mit 6300 Tonnen im Jahr 2000, haben zunehmend das einheimische Milchangebot ersetzt. Mehr als 50% der Milchbauern haben ihre Kühe verkauft und den Betrieb eingestellt. Eine Erhebung des »Jamaica Dairy Development Board« aus dem Jahr 2004 gibt an, dass die Beschäftigung in Milchbetrieben um zwei Drittel gefallen ist.

Dies darf nicht wieder passieren. Die Wiedereinführung der Exportsubventionen ist Europas entwicklungspolitischer Offenbarungseid. Sie entlarvt Europas angebliches Mitgefühl für die Armen als pures Gerede, sie straft die angebliche Suche nach einem faireren Weltwirtschaftssystem Lügen, und sie schadet unserem Image im Süden. Gleichzeitig wird deutlich, dass der EU nichts daran liegt, die Ursachen bei der Wurzel – sprich der subventionierten Überschussproduktion – zu packen.

Deutschland muss sich beim nächsten europäischen Agrarrat vom 23. bis 24. März für einen Stopp der Subventionen für Milchexporte in Entwicklungsländer einsetzen und damit ein wichtiges Signal an alle anderen Mitgliedsstaaten geben. Schließlich ist Deutschland der größte EU-Nettozahler und neben Frankreich der größte Produzent von Milch in der EU.

Marita Wiggerthale ist freie Journalistin und Mitarbeiterin von Oxfam Deutschland.


Kampagne: Agrar-Exportsubventionen stoppen

18. März 2009

Systemkrise der höchsten Art: Banken-Aufsicht zur Bundesbank?

Verschiedene Sachverständige haben sich in einem Fachgespräch des Finanzausschusses, das ebenfalls heute stattfand, für eine Konzentration der Bankenaufsicht bei der Deutschen Bundesbank ausgesprochen. So erklärte der frühere Bank-Manager Bernd Lüthje, die erste Schuld für die Krise liege bei Vorständen und Aufsichtsräten der Banken. Die zweite Schuld liege jedoch bei der Aufsicht. Banken-Krisen seien immer hausgemachte Krisen, ergänzte er. Bisher ist die Aufsicht zwischen der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geteilt. Auch Stephan Paul von der Ruhr-Universität Bochum sprach sich für eine Konzentration der Aufsicht bei der Bundesbank aus. Auf europäischer Ebene sei die Aufsicht bei der Europäischen Zentralbank zusammenzufassen.

Jan Pieter Krahnen von der Universität Frankfurt erklärte, dass die Aufsicht sehr stark von juristischem Denken beherrscht werde. Sie müsse ökonomischer werden. Krahnen wies darauf hin, dass die Einlagensicherungsfonds in Deutschland nicht überwacht würden und regte eine entsprechende Änderung an. Für die Bundesbank stellte deren Vizepräsident Franz Christoph Zeitler fest, die Aufsicht könne natürlich verbessert werden, aber die Ursachen für die Krise würden tiefer liegen. So hätten die Notenbanken bereits frühzeitig vor Fehlentwicklungen gewarnt. Aus den Warnungen seien jedoch keine Konsequenzen gezogen worden. Zeitler empfahl eine stärkere Beachtung des Nachhaltigkeitsprinzips und eine längerfristige Orientierung auf den Finanzmärkten.

Zum internationalen Bereich behauptete Zeitler, die länderübergreifende Zusammenarbeit funktioniere. Neue Gremien würden keine Verbesserung bringen. Die Einführung eines internationalen Kreditregisters könne jedoch helfen, zusätzliche Erkenntnisse über Risiken zu bekommen. Dies zeigten die Erfahrungen mit nationalen Registern. Zeitler wies zugleich darauf hin, dass es erhebliche Widerstände in anderen Ländern gegen ein internationales Register gebe. Der Präsident der BaFin, Jochen Sanio, erklärte, es gebe derzeit eine "Systemkrise der höchsten Art". Ohne die massiven staatlichen Interventionen wären Teile des Systems zusammengebrochen. Nur internationale Gremien sei ein großer Wurf zur Verbesserung der Aufsicht zuzutrauen. Er hoffe auf wegweisende Entscheidungen des G20-Gipfels, sagte Sanio.

Eiertanz um Bankenenteignung im Bundestag

Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags hat heute den Entwurf des Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetzes (16/12100) mit den Stimmen von Unions- und SPD-Fraktion gebilligt. Das Gesetz sieht als ultima ratio die Enteignung von Finanzinstituten gegen eine angemessene Entschädigung vor. Die Bundesregierung erklärte in der Sitzung, eine Bank, die insolvent werde, enteigne ihre Aktionäre. Ein quantitativer Unterschied zur letzten Option Enteignung sei somit nicht erkennbar. Die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik werde durch den Gesetzentwurf nicht ausgehebelt. Die Anhörung des Finanzausschusses am 16. März habe ergeben, dass eine Kapitalbeteiligung in Höhe von 75% plus eine Aktie an einer systemrelevanten Bank, die in Schwierigkeiten sei, nicht ausreiche.

Die CDU/CSU-Fraktion widersprach dieser Darstellung der Regierung entschieden. In der Anhörung seinen Fälle geschildert worden, die verdeutlicht hätten, dass auch eine Beteiligung des Staates in Höhe von 100% nicht funktioniert habe. Die SPD-Fraktion betonte hingegen, die Anhörung habe ergeben, dass bei einer Beteiligung des Staates an einem Finanzinstitut wie der Hypo Real Estate (HRE) in Höhe von 100% der Zinsvorteil für Refinanzierungen bei 1-1,5% liegen werde. Außerdem seien 4 bis 6 Mrd. € weniger Kernkapital erforderlich. Die FDP-Fraktion stimmte der Ansicht der Regierung zu, dass ein systemrelevantes Institut wie die HRE erhalten werden müsse. Sie verlangte jedoch, dass alle Alternativen vor einer Enteignung Vorrang haben müssten. Die Linksfraktion erklärte, eine Beteiligung von 100% sei die überzeugendere Position in der Anhörung gewesen. Wenn den Banken Geld gegeben werde, müsse dies mit Stimmrechten verbunden sein, verlangte sie. Bündnis 90/Die Grünen warfen der Regierung vor, nur mit Bürgschaften und Garantien gearbeitet und keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik genommen zu haben.

Die Koalitionsfraktionen setzten mit ihrer Mehrheit eine Reihe von Änderungen an dem Gesetzentwurf durch. So können staatliche Garantien bis zu 5 Jahren nur in begründeten Ausnahmefällen und nur für ein Drittel der einem Unternehmen gewährten Garantien gewährt werden. Klargestellt wurde, dass sich die Entschädigung der Aktionäre bei einer Enteignung allein nach dem Börsenkurs bestimmt. Eine Enteignung soll allerdings nur dann möglich sein, wenn zuvor eine Hauptversammlung stattgefunden hat und dort die für eine entsprechende Kapitalmaßnahme erforderliche Mehrheit nicht erreicht wurde. Außerdem wird die Regierung verpflichtet, Unternehmen unverzüglich wieder zu privatisieren, sobald sie nachhaltig stabilisiert worden sind. Die Regierung muss den Haushalts- und den Finanzausschuss des Bundestages über Enteignungsmaßnahmen informieren.

14. März 2009

Kommuniqués der G20-Finanzminister und der BRIC-Staaten (Wortlaut)

Mit einem knappen Kommuniqué ist das Vorbereitungstreffen der G20-Finanzminister für den Londoner Gipfel Anfang April zu Ende gegangen. Der Text bestätigt im Wesentlichen die in den letzten Tagen hier gegebenen Einschätzungen des Vorbereitungsstandes. Wichtigster Punkt: Die Minister einigten sich darüber, die finanziellen Ressourcen des IWF schnell und "sehr substantiell" zu erhöhen sowie eine weitere Quotenrevision zu beschleunigen.
Kommuniqué: >>> hier.

Erstmals haben sich die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) vor einer G20-Tagung getroffen und sich auf Forderungen verständigt. U.a. verlangten Sie, dass die nächste Quotenreform beim IWF von 2013 auf 2011 vorgezogen wird. So steht es jetzt im Kommuniqué. Nicht durchsetzen konnten sie sich mit der Forderung, die bessere Ausstattung des IWF über eine Neuausgabe von Sonderziehungsrechten vorzunehmen.
Das BRIC-Statement findet sich >>> hier.

13. März 2009

G20-Vorbereitung: In inniger Verbundenheit mit dem IWF

Konkrete Ergebnisse an der „regulatorischen Front“ wollen die deutsche Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident sehen, wenn der G20-Gipfel am 2. April in London stattfindet. Doch das Konkreteste, was bei dem heute beginnenden Vorbereitungstreffen der G20-Finanzminister herauskommen dürfte, ist eine Abmachung über die Aufstockung der „Kriegskasse“ des Internationalen Währungsfonds (IWF). Schon vor einiger Zeit hat deren Geschäftsführender Direktor, Dominique Strauss-Kahn, gefordert, die für in Not geratene Länder zur Verfügung stehenden Kreditmittel von derzeit 250 auf 500 Mrd. Dollar zu verdoppeln. Die Unterstützung der Europäer dafür hat er schon seit längerem. Der neue US-Finanzminister Timothy Geithner hat jetzt noch einen drauf gesetzt. Er will die IWF-Finanzen im Rahmen des „General Agreement to Borrow“ sogar verdreifachen.

Klar erkennbar ist, dass die neue Generosität gegenüber dem IWF auf der aktuellen Washingtoner Linie liegt, die Weltwirtschafts- und Finanzkrise vornehmlich mit finanziellen Expansionsmaßnahmen zu bekämpfen. Einige vermuten hinter Geithners Vorstoß einen Deal, mit dem die Europäer geködert werden sollen, bei der Neubestimmung der Aufgaben des IWF den Amerikanern zu folgen. Spekuliert wird auf das Interesse Westeuropas an einem noch stärkeren IWF-Engagement in Osteuropa, um die von dort ausgehenden Ansteckungsgefahren einzudämmen (>>> Osteuropa vor dem Crash à la Argentina?).

Mindestens genauso gut könnte es jedoch auch sein, dass Geithners finanzielle Fürsprache für den IWF Ausdruck einer alten, äußerst innigen Verbundenheit mit dem Fonds ist. Als damaliger Staatssekretär für internationale Angelegenheiten im US-Finanzministerium spielte er schon vor gut zehn Jahren eine zentrale Rolle, als der Fonds das damalige Rettungspaket für die von der Asienkrise betroffenen Länder schnürte. Der ehemalige australische Premierminister Paul Keating findet Geithners Rolle in diesem Zusammenhang alles andere als rühmlich. Die Sydney Morning Post zitiert ihn jetzt, wie Telepolis entdeckt hat, wie folgt:

„Geithner hat 1997/98 das IWF-Programm für Indonesien ausgearbeitet, bei dem er die Probleme mit der Kapitalbilanz mit Problemen der Leistungsbilanz verwechselt hat. Er dachte, Asien hätte dieselben Probleme wie Lateinamerika während der 1980er Jahre. Nur hatten sich die dortigen Regierungen damals einfach untragbar hoch verschuldet und die Lösung war, dass der Währungsfonds nur unter der Bedingung Kredite zur Verfügung gestellt hatte, dass die Regierungen ihre Ausgabendrastisch reduzierten, was eine relativ vernünftige und erfolgreiche Strategie darstellte.
Die von der Asienkrise am schwersten betroffenen Länder Südkorea, Indonesien und Thailand, hatten jedoch durchaus ausbalancierte und stabile Staatsfinanzen, als sie beim IWF um Geld bitten mussten. Ihr Problem lag in der Dynamik privater Gelder. "Hot Money", das zuvor in großen Mengen ins Land geflossen war und dann plötzlich wieder abgezogen wurde. Geithner habe die Lage also völlig falsch eingeschätzt und daher auch falsche Lösungen verordnet. Die von Geithner und dem IWF verordneten Sparmassnahmen hätten die Krise nur verschärft. "Suhartos (Anm.: der langjährige Diktator Indonesiens) Regierung hat 21 Jahre lang im Schnitt sieben Prozent Wachstum erzielt. Da braucht es schon einen riesigen Idioten um das zu ruinieren. Aber der IWF hat es ruiniert.“

Da kann man eigentlich nur hoffen, dass den osteuropäischen IWF-Kandidaten eine solche „Rettung“ erspart bleibt.

11. März 2009

G20-Gipfel: Bye-bye Bretton Woods II

Noch vor ein paar Wochen konnte es einigen nicht schnell genug gehen. Auf dem Londoner G20-Gipfel am 2. April sollte der Grundstein für ein neues Bretton-Woods-Abkommen, ein Bretton Woods II, gelegt werden, womit im Kern eine Neue Internationale Finanzarchitektur gemeint war. Inzwischen tut sich ein tiefer Spalt zwischen den G20-Mitgliedern aus dem Norden auf – zwischen denen, die wie die USA und Großbritannien das Zusammentreffen hauptsächlich für die Nachsorge – den Kampf gegen die globale Rezession – nutzen wollen, und denen, die wie vor allem Frankreich und Deutschland einen Durchbruch bei der Reregulierung der internationalen Finanzmärkte anstreben.

Regulierung des Finanzsystems oder neue und besser koordinierte Konjunkturpakete lautet die künstlich hochgespielte „Alternative“. Dahinter steckt vor allem die Befürchtung der britischen und der US-Regierung, andere könnten den eigenen Finanzplätzen in London und New York zu viele Regeln aufdrücken. Eine gewisse Rolle bei derlei Ablenkungsmanövern spielen auch die ständigen Verweise auf die hohen Managerboni oder die Aufrufe, gegen die diversen Steueroasen vorzugehen. Beides hätten London und Washington längst auch ohne die G20 machen können. Es gibt schließlich genug Juristiktionen mit fragwürdigen Steuerpraktiken, die unter der Souveränität der USA oder Großbritanniens stehen.

Auch die führende Wirtschaftspresse spielt das Spiel in jüngster Zeit mit. Parallel zu einer fulminant gestarteten Serie über die „Zukunft des Kapitalismus“ lasen wir am Montag in der Londoner Financial Times in einem Leitartikel, was auf dem Londoner Gipfel vor allem herauskommen müsse, seien (1) eine Übereinkunft zu Konjunkturpaketen, (2) zur Rettung der Banken und (3) zur Aufwertung des IWF. Andere, die auch in der FT schreiben, wie der Londoner Ökonom Willem Buiter sehen dies offensichtlich anders. Auf der Ökonomen-Plattform VoxEU schrieb Buiter dieser Tage, die Zeit zur Regulierung der Finanzmärkte dränge. Gehandelt werden müsse jetzt, bevor sich die Finanzmarktakteure von ihrem Absturz wieder erholt haben und darauf drängen werden, genauso weiterzumachen wie vor der Krise. Doch von Dringlichkeit kann bei den derzeitigen Diskussionen über die Gipfelvorbereitung kaum gesprochen werden. Und wenn außer den drei zitierten Minimalforderungen des og. Leitartiklers in London nichts herauskommen sollte, können die Hoffnungen, dass die G20 das Forum für die Aushandlung eines Bretton Woods II sein werden, getrost begraben werden. – Doch wie gut, dass auf den G20-Gipfel der UN-Finanzgipfel Anfang Juni folgt – das wäre ohnehin der geeignetere Rahmen für ein Projekt, das den Namen „Bretton Woods II“ verdient.

7. März 2009

Let’s talk about capitalism: Ende oder Wende?

Die Globalisierungskritiker mutieren an diesem Wochenende in Berlin zu dem, was sie eigentlich immer schon waren: Kapitalismuskritiker. Der Attac-Kapitalismuskongress steht unter dem Motto „Kapitalismus am Ende?“ Die Financial Times (FT) beginnt am Montag mit einer Sonderserie, die den Titel „Future of capitalism“ trägt. Was sagt uns diese Gegenüberstellung? Zumindest so viel, dass sich die Globalisierungskritiker nicht sicher sind, ob der Kapitalismus wirklich am Ende ist (sonst hätten sie das Fragezeichen weggelassen). Die derzeit intelligentesten globalen "Klopffechter des Kapitals" (Marx) dagegen sind sich ziemlich sicher, dass ihr System eine Zukunft hat; die Frage ist nur: Welche?

Im Ankündigungstext der FT heißt es, die Finanzkrise habe das Vertrauen in die Ideologie der freien Marktwirtschaft zerstört, die eine Generation lang das westliche ökonomische Denken dominiert hat. Die Frage sei: Was tritt an ihre Stelle? Auch wenn das einigen, die immer noch der Illusion nachhängen, man könne das System irgendwie hinwegfegen oder es würde schon an sich selbst zusammenbrechen, nicht gefällt: Dass es auch auf dem Kapitalismuskongress in Berlin nur um die Frage nach den Varianten des Kapitalismus gehen kann, wurde schon auf dem Eröffnungsplenum deutlich, als Heiner Flassbeck von der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) ausführte: „Nicht der Kapitalismus oder die Marktwirtschaft sind gescheitert, sondern der Finanzkapitalismus.“

Irgendwie scheint das vage Gefühl zurückzukehren, dass es der Kapitalismus ist, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, merkt der Philosoph Frieder Otto Wolf in einem Papier an, das auf dem Kongress zirkuliert: What ‚capitalism‘ is, what it means to be against it, and what it takes to end it. Er hoffe nur, dass es gelingt, die Konfusionen der letzten Jahrzehnte zu vermeiden. Also „Reden wir über Kapitalismus“, wie Alexander Wragge seinen Blog für den „Freitag“ überschreibt, der neben den Kongressbeiträgen der Frankfurter Rundschau und der Attac-Website wohl das Informativste zu der Berliner Veranstaltung ist, was man derzeit im Web finden kann.

5. März 2009

Konjunkturprogramme im globalen Überblick: Kein grüner New Deal

Von den deutschen Grünen bis zum UN-Umweltprogramm (UNEP), von den Umweltverbänden bis zur Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) war an die allenthalben aufgelegten Konjunkturprogramme („Stimulus-Pakete“) die Hoffnung geknüpft worden, die würden überwiegend im „grünen“ Sinne, d.h. für die Finanzierung umweltfreundlicher Maßnahmen, verwendet. Diese Hoffnung scheint sich in Luft aufzulösen. Nach einer Übersicht, die die Financial Times gestern veröffentlichte, spielen Umweltinvestitionen in den meisten der näher untersuchten elf Konjunkturprogramme eine untergeordnete Rolle. Im Gegenteil: Statt die Grundlage für CO2-mindernde Produktions- und Konsumstrukturen in der Zukunft zu legen, dürften viele Infrastrukturinvestitionen, wie der Ausbau von Straßen oder neue fossile Kraftwerke, eher einen Anstieg des CO2-Ausstosses zur Folge haben. Umweltverbände fürchten, dass wir mitten dabei sind, eine einmalige Chance für den Klimaschutz zu verspielen.


Immerhin zeigt die Tabelle (Vergrößerung durch Anklicken), dass China und – kurioserweise – Südkorea recht hohe Anteile ihres Konjunkturprogramms für Investitionen verwenden, die (mit einer gewissen Toleranz) als umweltfreundlich eingeschätzt werden können. Den zweithöchsten „Umweltanteil“ weist das Konjunkturprogramm der EU auf. Das wird allerdings gleich wieder durch das schlechte Abschneiden der großen EU-Mitgliedsländer torpediert: In Frankreich kommt der Anteil umweltfreundlicher Maßnahmen auf 21%, in Deutschland auf 13%, in Großbritannien auf 7% und in Italien auf lächerliche 1%. Enttäuschend ist auch das Konjunkturprogramm von Hoffnungsträger Obama: Das US-Programm sieht nur 12% für umweltfreundliche Maßnahmen, wie die Entwicklung Erneuerbarer Energien, vor.