23. Dezember 2007

Friedliche Feiertage und willkommen im Jahr 2008!

Allen unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir ein paar erholsame Feiertage und einen Guten Rutsch ins Neue Jahr!

Zwischen den Jahren legen wir eine Blogger-Pause ein. Ab Januar steigt die Heinrich-Böll-Stiftung mit in den Blog ein. Wir nutzen die Zeit bis dahin, um einen Relaunch des Blogs als gemeinsamen Blog von W&E und Heinrich-Böll-Stiftung vorzubereiten. Der Titel wird weiterhin "Baustellen der Globalisierung" sein. Doch neue Funktionen, neue Infoquellen und neue Gastblogger kommen hinzu! Bis dahin wünschen wir Ihnen und Euch alles Gute!

20. Dezember 2007

IWF-Substitutionskonto: Die Lösung des Dollar-Problems?

Der US-Ökonom Fred Bergsten hat die Einrichtung eines Substitutionskontos beim IWF vorgeschlagen, um den Abwertungsdruck von der US-amerikanischen Währung zu nehmen. Bergsten ist Direktor des Peterson Institute for International Economics in Washington und war 1977-1981 im US-Finanzministerium verantwortlich für internationale Angelegenheiten. In einem Kommentar für die Financial Times (How to solve the problem of the dollar?) weist er darauf hin, daß es – über die derzeitigen Kursverluste hinaus – zu einem freien Fall des Dollars kommen könnte, wenn die Halter von Dollarvermögen im Ausland auf die Idee kommen sollten, auch nur einen Bruchteil ihres Vermögens (derzeit mindestens 20.000 Mrd. US-Dollar) in andere Währungen einzutauschen. „Es gibt nur eine Lösung für dieses Dilemma, die alle Beteiligten zufriedenstellen würde“, schreibt Bergsten, „die Schaffung eines Substitutionskontos beim Internationalen Währungsfonds, durch das unerwünschte Dollars in Sonderziehungsrechte konvertiert würden, also in das internationale Geld, das vom Fonds 1969 geschaffen wurde.“

Bergsten erinnert daran, daß es bereits Ende der 1970er Jahre – als der Dollar schon einmal massiv an Wert verlor – Bestrebungen zur Schaffung eines solchen Substitutionskontos gab, die nur deshalb nicht umgesetzt wurden, weil der Wert des Dollars im Gefolge der restriktiven Geldpolitik der US-Zentralbank wieder an Wert gewann – eine Entwicklung, die heute kaum denkbar ist. Das Prinzip eines Substitutionskonto ist einfach: Anstatt ihre Dollars in andere Währungen umzutauschen, würden die Dollarhalter diese auf ein Sonderkonto des IWF einzahlen und dafür Sonderziehungsrechte (SZR) bekommen. Diese wiederum könnten sie verwenden, um Defizite bei künftigen Zahlungsbilanzkrisen auszugleichen oder an andere IWF-Mitglieder abgeben. Alle Beteiligten würden davon profitieren: Die Länder mit zu viel Dollars würden ein Zahlungsmittel bekommen, das aus mehreren Währungen besteht (der SZR-Währungskorb besteht z.Zt. zu 44% aus US-Dollar, zu 34% aus Euros und zu je 11% aus Yen und Pfund Sterling) und so ihr Ziel der Währungsdiversifikation erreichen, und eine exzessive Abwertung des Dollar und damit der Dollar-Vermögen würde vermieden.

Die IWF-Mitglieder müßten sich allerdings bereit finden, so viele SZR wie nötig auszugeben. Die derzeitigen SZR sind auf umgerechnet 34 Mrd. Dollar begrenzt – viel zu wenig, um den Bedarf des Modells zu denken. Mit der drastischen Ausweitung der SZR-Menge wäre eine beträchtliche Stärkung der internationalen Finanzarchitektur verknüpft – das ist sicher. Unsicher freilich ist mal wieder, ob dieses angesichts der aktuellen Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft politisch gewünscht und durchsetzbar wäre.

15. Dezember 2007

Ergebnisse von Bali: Erste Stellungnahmen

Zu dem Ergebnis der Weltklimakonferenz in Bali erklärte der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, der zugleich Präsident von EUROSOLAR und Vorsitzender des Weltrats für Erneuerbare Energien (WCRE) ist:

"Die Konferenz in Bali hat erneut gezeigt, daß Verhandlungen mit dem Ziel eines alle Länder umfassenden Globalvertrags für Klimaschutz allenfalls auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner eines Minimalkompromisses enden können. So aber kann die organisierte Pyromanie der Verbrennung fossiler Energie nicht beendet werden. Damit aber bleiben die Resultate stets weit hinter der tatsächlich gegebenen Herausforderung und die Weltzivilisation droht den Wettlauf mit der Zeit zu verlieren. Schnelle und umfassend angelegte Schritte zur Energiewende einzuleiten und dafür zugleich einen Weltkonsens aller Regierungen zu erreichen, kommt einer Quadratur des Kreises gleich. Das ist die Erfahrung, die sich auch in Bali wieder bestätigt hat.

Nötig ist eine internationale Allianz wirklich aktionsbereiter Staaten, eine 'coalition of the willing' gegen den laufenden Weltkrieg gegen die Natur, die mit gutem Beispiel vorangeht und damit eine weltweit ausstrahlende technologische Revolution zur Nutzung erneuerbarer Energien auslöst. Einer solchen Dynamik wird sich keiner mehr entziehen können."

Anläßlich des Endes der Weltklimakonferenz auf Bali erklärte Gerhard Timm, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

„Das Ergebnis der Weltklimakonferenz ist enttäuschend. Der Kompromiß der Abschlußerklärung reicht nicht gegen die großen Bedrohungen durch den Klimawandel. Die angeführte Spannweite der CO2-Reduktionen von 25 bis 40% bis 2020 gegenüber 1990 ist nur akzeptabel, wenn die Industriestaaten die obere Grenze anpeilen. Die Bundesregierung darf deshalb ihre Vorreiterrolle auf keinen Fall aufgeben und muß ungeachtet des Ergebnisses ihre Emissionen um 40% reduzieren.“ Je früher drastische Reduktionen eingeleitet würden, desto höher sei die Chance, daß der Temperaturanstieg auf unter 2° begrenzt werden könnte.

Timm kritisierte, daß die Delegationen der Vereinigten Staaten und Japans jede Gelegenheit genutzt hätten, die Verhandlungen ins Stocken zu bringen. Kanada und Rußland seien dabei willige Erfüllungsgehilfen gewesen. Die konstruktiven Vorschläge der Entwicklungsländer hätten daher kaum eine Chance gehabt. Daß es dennoch zu einem Kompromiß gekommen sei, liege nur am Verhandlungswillen der Entwicklungsländer sowie der Vermittlerrolle Deutschlands und der EU. So gelang es, die USA komplett zu isolieren und zum Einlenken zu bewegen. „Auf diese neue Koalition sollten Deutschland und die EU bei den kommenden Verhandlungen setzen“, so Timm.

Positiv bewerte der BUND den Beschluß einen Fonds einzurichten, der die Entwicklungsländer bei Anpassungen an den Klimawandel unterstützen soll. Im neuen Kyoto-Abkommen sollen zudem das Problem der Entwaldung sowie der Transfer von Technologien zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geregelt werden. Von zentraler Bedeutung sei auch, daß sich die internationale Staatengemeinschaft auf das Jahr 2009 als Enddatum für die Verhandlungen über ein Kyoto-Nachfolgeabkommen geeinigt habe.

13. Dezember 2007

Irreführende Debatte um EPAs im Bundestag

In ihrem heutigen Bundestagsantrag (Drucksache 16/7487) loben die CDU und SPD die geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) als Instrumente für Entwicklung, Armutsbekämpfung und Stabilität in den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP). Die Menschenrechtsorganisation FIAN und die Entwicklungsorganisation Germanwatch vermissen darin eine ernsthafte Folgenabschätzung der EPAs und eine realistische Bewertung des aktuellen Verhandlungsstands. Nur wenige AKP-Staaten haben bisher Zustimmung signalisiert. Die Erwartung der Koalition, daß alle sechs Regionen bis Ende des Jahres ein Abkommen unterzeichnen, ist nach Ansicht der beiden NGOs pures Wunschdenken. Spätestens seit dem EU-Afrika-Gipfel am vergangenen Wochenende in Lissabon sei die Strategie ‚Augen zu und durch’ gescheitert.

FIAN und Germanwatch widersprechen der Behauptung der Koalitionsfraktionen, die EU habe die Bedenken der AKP-Staaten und der Zivilgesellschaft weitgehend aufgegriffen. Noch in der vergangenen Woche hatten zahlreiche NGOs Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul gebeten, auf eine substantielle Änderung der EU-Position in den EPA-Verhandlungen hinzuwirken. Die AKP-Staaten müßten die Möglichkeit haben, ihre Märkte mindestens vor 40% der europäischen Importe zu schützen, statt der bisher eingeräumten 20%. Für sensible Produkte müßten auch Zollerhöhungen und mengenmäßige Begrenzungen möglich sein. Der Verweis auf Menschenrechte und Armutsbekämpfung bleibe in dem Antrag leider rhetorische Begleitmusik ohne Substanz. Irreführend sei auch die Einschätzung, EPAs förderten die regionale Integration. Anstatt den Konsens der gesamten Region abzuwarten, schließe sie Abkommen mit einzelnen Mitgliedern und untergrabe bestehende Ansätze regionaler Integration.

Auf einer Konferenz von Germanwatch, der niederländischen Entwicklungsorganisation Both ENDS, FIAN und der UK Food Group hatten Bauern und NGOs aus Ghana, Sambia, Uganda und Europa in den vergangenen Tagen in Berlin eine Zwischenbilanz der Verhandlungen gezogen. „Zur Entwarnung gibt es für uns keinen Grund. Wir werden uns solange gegen EPAs wehren, bis sie tatsächlich die Entwicklungsanliegen unserer Länder aufgreifen“, erklärte Adam Nashiru, Bauernpräsident aus Ghana. In Lissabon hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch eine Flexibilisierung der EU-Position in Aussicht gestellt. Im Koalitionsantrag jedenfalls ist davon nichts zu erkennen, wundert man sich.

Weitere EPA-Anträge wurden von der Linken und den Grünen vorgelegt (Bundestagsdrucksachen 16/7469 und 16/7473)

12. Dezember 2007

Pankaj Ghemawat: Die Welt ist nicht flach

In einem wichtigen Buch warf der Harvard-Ökonom Dani Rodrik vor ein paar Jahren die Frage auf “Ist die Globalisierung zu weit gegangen?” (>>>Grenzen der Globalisierung. Ökonomische Integration und soziale Desintegration). Nicht so weit jedenfalls, wie viele Globalisierungsenthusiasten und auch Globalisierungskritiker behaupten, wäre wahrscheinlich die Antwort von Pankaj Ghemawat. In einem neuen Buch „Redefining Global Strategy“ widerspricht Ghemawat, der gleichzeitig Professor in Barcelona und Harvard ist, der These des New-York-Times-Kolumnisten Thomas Friedman (>>> Die Welt ist flach. Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts) und sagt: „Die Welt ist nicht flach“. Unternehmen, die spezifische politische, kulturelle und wirtschaftliche Differenzen zwischen den Ländern nicht in Rechnung stellen, sind prädestiniert zum Scheitern. Gegen gängige Globalisierungsthesen argumentiert Ghemawat, die Welt von heute sei allenfalls „semiglobalisiert“. In diesem Video erklärt er, warum.




11. Dezember 2007

Agrotreibstoff-Direktive der EU ohne Rücksicht auf die Armen

Am Rande der Klimakonferenz in Bali ist jetzt der Entwurf einer EU-Direktive durchgesickert, in der eigentlich geklärt werden soll, was „nachhaltige Biokraftstoffe“ sind und wie verhindert werden kann, daß das EU-Ziel, bis 2020 mindestens 10% der Treibstoffe im Verkehrssektor aus nachwachsenden Rohstoffen zu gewinnen, zu weiterer sozialer und ökologischer Verelendung im Süden führt. Die Direktive in ihrer jetzigen Form sorgt nach Auffassung von Friends of the Earth Europe nicht dafür, die Armen und die Umwelt davor zu schützen, daß Kapazitäten des Nahrungsmittelsektors in die Treibstoffproduktion umgelenkt werden. – Gerade kurz vor Bali hatte ein Oxfam-Briefing, das auch als W&E-Hintergrund November 2007 (s. Abb.) erschien, auf die Gefahren des Biosprit-Booms sowie darauf hingewiesen, daß es dringend notwendig ist, soziale und ökologische Standards auch bei der Produktion nachwachsender Rohstoffe zu berücksichtigen.

10. Dezember 2007

Strukturanpassung in Washington – Hoffnung in Buenos Aires

Auch wenn die eigentliche Vergabepolitik der Banco del Sur („Bank des Südens“), die heute in Buenos Aires gegründet wurde, erst noch entwickelt werden muß – nichts symbolisiert derzeit besser, wie sehr sich das Blatt gewendet hat: hier die Entstehung einer durch zunächst sieben südamerikanische Länder selbst finanzierten neuen Entwicklungsbank – dort ein Internationaler Währungsfonds (IWF), der sich ausnahmsweise einmal selbst einem Prozeß der Strukturanpassung unterziehen muß. Der innere Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen ist evident.

Wie wir uns die Strukturanpassung beim IWF vorzustellen haben, hat der neue Geschäftsführende Direktor Dominique Strauss-Kahn in der letzten Woche in einem Interview mit dem Wall Street Journal berichtet. Danach kommt der Fonds wohl nicht darum herum, 300 bis 400 seiner insgesamt 2600 Beschäftigten, vornehmlich hoch dotierte Ökonomen zu entlassen. Doch dies würde nur ein Viertel des Jahresdefizits von 400 Mio. US-Dollar abdecken, das der Fonds bis 2010 zu erwarten hat, wenn er keine neuen Kreditkunden in relevantem Umfang einwirbt. Da dies unwahrscheinlich ist, will Strauss-Kahn jetzt einen Vorschlag umsetzen, der schon länger in der Diskussion ist, nämlich den Verkauf eines Teils der Goldvorräte des IWF und die Investition des Erlöses in profitable Kapitalmarktfonds, um eine neue reguläre Einkommensquelle zu bekommen. Die Ironie der Geschichte liegt darin, daß der Goldverkauf stets tabu war, wenn es darum ging, Schuldenerleichterungen für arme Länder zu finanzieren, jetzt aber fast schon selbstverständlich ist, wenn dem IWF selbst aus der Patsche geholfen werden soll.

Die Meinung des neuen Geschäftsführers von den Ökonomen beim Fonds scheint übrigens nicht die beste zu sein: „Die Institution arbeitet gut, mit engagierten Leuten und eine hoch qualifizierten Belegschaft, aber es ist eine Papiermaschine“, erklärte er. Wieso allerdings die Praktiker von der Wall Street, von denen sich Strauss-Kahn mehr wünscht, besser sein sollten, ließ er offen. Vielleicht um die geplante Spekulation mit den Golderlösen besser bewältigen zu können…

Die Entstehung von Finanzierungsinitiativen im Süden, wie der Banco del Sur, ist eine Kehrseite der Finanzierungskrise der Institutionen des Nordens, denen, wie dem IWF oder auch der Weltbank, mehr und mehr die Kunden abhanden kommen. Die Gründer des neuen Instituts haben recht: Vor zehn Jahren wäre ein solcher Rollentausch noch nicht denkbar gewesen.

6. Dezember 2007

5. Dezember 2007

Auszeit für Doha und Revival für Sozialklauseln unter Hillary?

Es gilt als ziemlich sicher, daß die Sozial- und Ökoklausel-Debatte eine Neuauflage erfahren wird, sollte ein Kandidat der Demokratischen Partei im nächsten Jahr George Bush im Präsidentenamt ablösen. Jüngster Beleg dafür ist ein Interview der Financial Times mit Hillary Clinton, in dem diese für eine „Auszeit“ plädiert, um bestehende Handelsverträge der USA zu überprüfen und auch die US-Position in der Doha-Runde der WTO neu zu bestimmen. Es müsse gefragt werden, wo Handelsverträge „unseren Arbeitern und unserer Wirtschaft zugute kommen und wo Bestimmungen gestärkt werden sollten, um zu steigenden Lebensstandards auf der ganzen Welt beizutragen“, sagte die derzeit Bestplazierte unter den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern. Zugleich zeigte sie sich „besorgt, daß einige (WTO-)Bestimmungen dazu beitragen könnten, Länder davon abzuhalten, strengere Umwelt- und Arbeitsschutzbestimmungen einzuführen“.

In Bezug auf die Doha-Runde mache es keinen Sinn, einfach da weiterzumachen, wo Bush aufgehört habe, meinte Clinton und verwies auf den bekannten Lehrbuchökonomen Paul Samuelson. Selbst der sei der Meinung, daß die Theorie der komparativen Vorteile vielleicht keine ausreichende Beschreibung der Ökonomie des 21. Jahrhunderts mehr sei. Zwar recherchierten findige FT-Kommentatoren gleich am nächsten Tag, daß der Altmeister damit nicht mehr gemeint habe, als daß der Freihandel unter bestimmten Bedingungen nicht nur Gewinner hervorbringe und daß dies auch schon im letzten Jahrhundert gegolten habe. Doch kommt es in der Politik bekanntlich auch darauf an, wann etwas gesagt wird. Und so sind die Einlassungen Hillarys für die Doha-Runde keineswegs so „traurig“, wie die FT-Kommentatoren meinen, sondern deuten möglicherweise auf einen Neubeginn nach einer längeren Reflexionspause mit dem Ziel, vielleicht doch noch etwas von dem entwicklungspolitischen Anspruch der Runde retten zu können.

Update vom 6.12.2007: Hillary Clinton hat mit ihrem Interview eine kleine Diskussion ausgelöst. Kritik hangelte es vom EU-Handelsbeauftragten Peter Mandelson. Zustimmung kam von Timothy A. Wise, dem stellvertretenden Direktor des Global Development and Environment Institute der Tufts University.

4. Dezember 2007

Globalisierungsbaustelle Bali

Nun ist die Tropen- und Tourismus-Insel Bali zwei Wochen lang eine gigantische "Baustelle der Globalisierung". Allein 10.000 offizielle Delegierte sind zu der UN-Klimakonferenz angereist. Sie sollen den Fahrplan für die Verhandlungen zu einem neuen globalen Klimaregime nach 2012, das das Kyoto-Protokoll ablöst, entwickeln. W&E hat aus diesem Anlaß ein Klima-Paket "Botschaften für Bali" zusammengestellt. Im Mittelpunkt dieses Angebots steht unsere neue Hintergrund-Ausgabe (>>> W&E-Hintergrund Dezember 2007) mit dem "Greenhouse-Development-Rights-Ansatz", der ein Modell entwickelt, wie das Recht auf Entwicklung auch unter den Bedingungen eines weitreichenden Klimaschutzprogramms gewährleistet werden kann.

Wer's gerne detaillierter hätte, kann auf die tägliche Berichterstattung durch das Team des International Institute for Sustainable Development zurückgreifen. Dieses sehr ausführliche und qualifizierte Angebot gibt es seit neuestem auch im Blog-Format (>>> IISD Reporting Services Blog). Der Link findet sich jetzt auch auf unserer Blogroll in der rechten Spalte. Lesenswert ist auch der Blog "Klima der Gerechtigkeit" von Jörg Haas (>>> hier). Da die Berichterstattung dort so gut ist, werden wir hier nur sporadisch auf Bali eingehen, wie z.B. im Eintrag über die urgewald-Forderung zur Einbeziehung der Exportförderung in das Klimaschutzregime (s.u.).

Exportförderung: Wer Flugzeuge sät, erntet Klimawandel

Anläßlich der Klimakonferenz in Bali fordert die Umweltorganisation urgewald, auch die Exportförderung in die Klimaschutzbemühungen aufzunehmen. In einer Studie Wer Flugzeuge sät, erntet Klimawandel hat Kai Schäfer recherchiert, welche Klimarelevanz die deutsche Exportförderung durch Hermesbürgschaften aufweist. “Ein großer Teil der Exportförderung geht in den Flugsektor. Der Flugzeugbauer Airbus gehört zu den Hauptprofiteuren der Hermesbürgschaften", erläutert Schäfer. “Zwischen 2002 und 2006 gingen 11% aller Bürgschaften für Einzeldeckungen an Airbus. Aus Klimaschutzsicht ist dies sehr problematisch, da der Flugverkehr eine enorme Bedeutung für den globalen Klimawandel hat. Er ist der am stärksten wachsende Verkehrsträger überhaupt und macht damit CO2-Minderungsbemühungen in anderen Sektoren zunichte. Zudem ist der klimawirksame Effekt der Luftfahrt um ein vielfaches höher als der reine CO2-Ausstoß." Hochgerechnet entspricht der aus den Airbus-Lieferungen resultierende CO2-Ausstoß mit 800 Millionen Tonnen CO2 fast dem Kohlendioxid-Ausstoß der Bundesrepublik im Jahr 2006, der bei 878 Millionen Tonnen lag.

Die Bürgschaften für Flugzeuge sind jedoch bei weitem nicht der einzige klimarelevante Posten bei Hermes. Allein im Verkehrssektor gehört neben Airbus auch die Meyer-Werft GmbH zu den großen Profiteuren der Exportförderung. Und auch die internationale Schifffahrt trägt ihren Teil zum Klimawandel bei: Ihr reiner CO2-Ausstoß entspricht dem des Luftverkehrs.

Klimaschutzüberlegungen fließen in die Exportförderung bisher nicht ein. Bei Hermes werden weder Flugzeug- noch Schiffsexporte besonders auf Umweltauswirkungen geprüft. Wenn Deutschland im Klimaschutz tatsächlich eine Vorreiterrolle einnehmen will, müsse auch die Exportförderung bezüglich ihrer Klimarelevanz auf den Prüfstand. Die mit Exporten verbundenen Treibhausgasemissionen müßten erhoben und klare Reduktionsziele formuliert werden, sagt urgewald.

Hermes-Bürgschaften dienen der deutschen Exportförderung. Mit ihnen können deutsche Exporteure die Lieferung ihrer Ware in Schwellen- und Entwicklungsländer absichern. Zahlt ihr Kunde nicht, wird der Verlust durch Hermes erstattet. Die Euler-Hermes-Kreditversicherungs AG wickelt die Bürgschaften im Auftrag der Bundesregierung ab. Ein Interministerieller Ausschuß aus Wirtschafts-, Finanz-, Entwicklungsministerium und Auswärtigem Amt kontrolliert die Vergabe der Bürgschaften.