24. Juli 2007

Auswahl des nächsten IWF-Direktors: G24 sendet Signal des Mißtrauens

Zu dem abgekarteten Spiel, in dem der ehemalige französische Finanzminister Dominique Strauss-Kahn Nachfolger von Rodrigo de Rato als Geschäftsführender Direktor des IWF werden soll, hat die Gruppe der 24 (G24), die die Entwicklungsländer bei IWF und Weltbank vertritt, eine Erklärung abgegeben, die in diplomatischen Kreisen der US-Hauptstadt Washington als bislang deutlichstes Mißtrauenssignal gegenüber dem Fonds gewertet wird. Darin wird auf den eklatanten Widerspruch zwischen den Bekundungen des Boards der Exekutivdirektoren, man wolle einen transparenten Auswahlprozeß, der sich an der Qualifikation der Kandidaten und nicht an geographischen Präferenzen orientiert, und dem allgemeinen Eindruck, die Wahl von Strauss-Kahn sei bereits eine zwischen den USA und Europa abgemachte Sache, hingewiesen. Noch am 12. Juli hatte sich der Executive Board zu einem transparenten Verfahren bekannt und beschlossen, jeder Exekutivdirektor könne Personalverschläge unterbreiten.

„Doch nicht-europäische Kandidaten werden nur bereit sein, sich aufstellen zu lassen, wenn Vertrauen besteht, daß der Geist der erwähnten Bekenntnisse des Executive Boards von allen Mitgliedern respektiert wird“, heißt es jetzt in dem G24-Statement. Nur ein offener, transparenter und multilateraler Auswahlprozeß könne die Legitimität und Effektivität des nächsten Direktors und der Institution erhöhen, und dies „in einer Zeit, in der der IWF sich grundlegenden Herausforderungen für seine Relevanz und Existenzfähigkeit gegenüber sieht“.

13. Juli 2007

IWF nach Hongkong? Zeitgemäßer Umzug oder realitätsferne Gedankenspiele?

Die Diskussion über die Zukunft des IWF reißt nicht ab. Die neueste, in der Financial Times von heute nachzulesende Idee: Der Fonds sollte nach Hongkong (s. Photo) umziehen – als Tribut an die veränderten Realitäten in der globalen Finanzwelt. Die Idee kommt von Heribert Dieter und Richard Higgott vom Centre for Globalisation and Regionalisation an der Universität Warwick. In einem Leserbrief haben sie drei Gründe dafür aufgeschrieben: Im Gegensatz zu Washington sei Hongkong seit Jahrzehnten ein bedeutendes Finanzzentrum. Global Financial Governance sei nicht länger eine rein transatlantische Angelegenheit. Und: China könne so als wichtiger finanzieller Player und neuer Geber anerkannt werden. Überhaupt habe Hongkong eine einzigartige ökonomische Position – zugleich für China selbst und im weiteren regionalen und globalen Kontext.


Chandrun Nair vom Global Institute for Tomorrow, das in Hongkong seinen Sitz hat, wird sich den Umzug kaum vorstellen können. In einem weiteren Leserbrief in der heutigen FT-Ausgabe schreibt er, die jüngste Personalpolitik auf internationaler Ebene (die Auswahl von Zoellick als Weltbank-Präsident, von Blair als Friedensbeauftragter für den Nahen Osten und Strauss-Kahns Nominierung zum IWF-Chef) sei für die nicht-westliche Welt „ein Schlag ins Gesicht“. Sie bringe die Entschlossenheit zum Ausdruck, die westliche Weltbeherrschung fortzusetzen und verstoße gegen alle sonst so gern gepredigten Prinzipien von Good Governance und Führungsethik.

Die Frage sei nur, warum es so wenig Protest dagegen gebe, daß „koloniale und imperiale Haltungen“ nach wie vor an der Tagesordnung seien. Hier fallen Chandrun Nair drei Gründe ein: 1. Die restliche Welt hält sich für machtlos, etwas gegen die westliche Anmaßung zu tun. 2. Sie hält diese Organisationen inzwischen für bedeutungslos und will ihren eigenen Weg gehen. 3. Sie versteht nicht, welche Implikationen mit der Besetzung der Spitzenpositionen einher gehen. – Was auch immer die Mehrheit der Welt schweigen lasse, so der Autor, es sei angesichts der zunehmend miteinander verflochtenen Welt ziemlich armselig.

11. Juli 2007

Nominierung von Strauss-Kahn für IWF: Sarkozy oder Juncker?

Bei der Kür des ehemaligen französischen Finanzministers Dominique Strauss-Kahn zum europäischen Kandidaten für den Posten des Geschäftsführenden Direktors des IWF spielte nicht der französische Präsident, sondern der luxemburgische Premierminister die führende Rolle. Dies geht jedenfalls aus einem Interview mit Jean-Claude Juncker, der auch Vorsitzender der Euro-Gruppe ist, im Luxemburger Wort von heute hervor. Danach hat Juncker bereits am 29. Juni, d.h. einen Tag nach der Rücktrittsankündigung von Rato, mit Strauss-Kahn und Sarkozy über die Kandidatur gesprochen. Auf die Frage „Es war also nicht der französische Präsident, der den sozialistischen Gegenspieler vorschlug?“ antwortet Juncker:

„Nein, es war Jean-Claude Juncker, wie Herr Hollande, Erster Sekretär der sozialistischen Partei, heute in einem Interview mit einer französischen Zeitung erklärte . Dies tat er wohl nicht aus Freundschaft zu mir, sondern um Herrn Sarkozy eins auszuwischen.“

Zum Auswahlverfahren des Führungspersonals der Bretton-Woods-Institutionen meint Juncker, es sei wohl das letzte Mal, daß nach dem Motto „Eine Hand wäscht die andere“ verfahren werde. Wörtlich:
„Nachdem jetzt ein Präsident der Weltbank bestimmt wurde und ein Kandidat für den IWF vorgeschlagen wurde, ist es voraussichtlich das letzte Mal, daß diese Vereinbarung (daß die US-Amerikaner den Präsidenten der Weltbank und die Europäer den IWF-Chef bestimmen; R.F.) noch gilt. Die aufstrebenden Länder, wie etwa China und Indien, müssen selbstverständlich künftig bei der Erneuerung beider Funktionen einen Platz zugewiesen bekommen, der ihrer realen Bedeutung Rechnung trägt.“

9. Juli 2007

IWF-Auswahlverfahren: Kapriolenhafte Nachfolgesuche für Rato

Es war nicht zu erwarten, daß die Europäer den Ruf der NGOs nach einer Abschaffung des archaischen Auswahlverfahrens für den Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhören würden, nachdem sie kurz zuvor die Besetzung des Präsidentenstuhls der Weltbank mit dem Kandidaten von US-Präsident Bush, Robert Zoellick, ohne die geringste Kritik geschehen ließen. Wie selbstverständlich hatte nach der Ankündigung des vorzeitigen Rücktritts von Rodrigo de Rato das Namedropping begonnen, mit fast ausschließlich europäischen Namen, versteht sich.

Das ging nicht immer ohne Kapriolen ab. So meinte am letzten Freitag ein ungarischer Professor, Lajos Bokros, in einem Leserbrief in der Financial Times, der nächste Geschäftsführende Direktor des IWF sollte aus „New Europe“ kommen, und hatte auch gleich zwei „fine Polish gentlemen“ als Kandidaten parat: Leszek Balcerowiwics und Marek Belka. Beide „world-class people“ hatten immerhin schon einmal das Amt des Stellvertetenden Premierministers und des Finanzministers inne, einer war sogar Präsident der Polnischen Nationalbank. Was unser Professor allerdings nicht erwähnte ist, daß beide Kandidaten demjenigen politischen Lager zugehören, das von der derzeitigen polnischen Zwillingsregierung in die Opposition verbannt wurde – und daß die Zwillinge einen Teufel tun werden, um die eigenen Rivalen an die Spitze einer internationalen Organisation zu hieven. Für diesen Fall hätte allerdings unausgesprochen unser ungarischer Professor zur Kandidatur bereitgestanden (immerhin war auch er schon einmal Finanzminister in „New Europe“) – wäre da nicht der neue französische Präsident Nikolas Sarkozy, dem soviel politische Lager- und Prinzipientreue, wie sie die polnischen Zwillinge aufbringen, natürlich fremd ist.

Übers Wochenende hievte Sarkozy seinen potentiellen Gegenkandidaten, den ehemaligen sozialistischen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn (s. Photo), an die Spitze des Kandidatenkarussells und holte dafür auch gleich die Unterstützung der USA, der Briten, der Italiener, der Spanier – und auch der Deutschen ein. Die Financial Times kürte Strauss-Kahn sogleich zum „Sieger im Kandidatenwettlauf“. – Der Sozialist Strauss-Kahn an der Spitze des IWF-Hauptquartiers (s. Photo oben)? Sieht man einmal davon ab, daß ein neues, qualifikations- und verdienstegestützten Auswahlverfahren derzeit (noch) keine Chance hat, wäre das vielleicht gar nicht so schlecht. Strauss-Kahn könnte den unter Rato angestoßenen Reformprozeß im IWF weiter und über die bislang vorgesehenen unzulänglichen Veränderungen hinaus treiben. Dazu müßte er die Europäer als erstes einmal dazu bringen, zugunsten des Südens auf eigene Macht und Einfluß im IWF zu verzichten und in Zukunft mit einer Stimme statt im vielstimmigen Chor zu sprechen. Es gibt nicht viele in Europa, denen das zuzutrauen wäre.

7. Juli 2007

Halbzeit der Millenniumsziele: Tödliche Baustellen der Globalisierung

Zur heutigen MDG-Halbzeit fehlt es nicht an wohlfeilen Stellungsnahmen und Berichten. Von der UN bis zum Economist sind sich so ziemlich alle einig, daß mehr öffentliche Entwicklungshilfe notwendig ist, wenn die 2000 beschlossenen Ziele bis zum Jahr 2015 erreicht werden sollen. Ein Beispiel: Wenn die Regierungen in Nord und Süd ihre Anstrengungen nicht erhöhen, werde das Ziel „Bildung für alle“ in rund 67 Staaten verfehlt, warnt die Globale Bildungskampagne. Für die jetzt angepfiffene zweite Halbzeit könne die Devise nur lauten: „Aufholen, einholen, überholen!“, schreibt der entwicklungspolitische Dachverband VENRO im Stile der sowjetischen Propaganda der 1960er Jahre. Unter den zahlreichen Berichten sticht eine Studie des Global Policy Forum Europe hervor, die nicht nur die unzureichende Umsetzung der MDGs in der ersten Halbzeit bilanziert, sondern konkrete Zielsetzungen für die zweite Halbzeit nennt, die teilweise über den derzeitigen MDG-Kanon hinaus weisen.

Besonders erbost sind viele Aktivisten darüber, daß die G8 sich auf ihrem Heiligendamm-Gipfel benahe stillschweigend von dem vor zwei Jahren in Gleneagles formulierten Ziel der universellen Versorgung mit Anti-AIDS-Medikamenten distanzierten und die Zahl derer, die in den nächsten fünf Jahren versorgt werden sollen, von zehn auf fünf Milliarden reduzierten. Wie gering der Ertrag dieses Gipfels auch auf anderen Gebieten war, zeigt die neue Ausgabe des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung (>>> W&E 06-07/2007; s. Abb.). Die Welt nach Heiligendamm ist geprägt von „Dauerbaustellen der Globalisierung“, zu deren Fertigstellung der G8-Gipfel keinen Beitrag geleistet hat. Sie reichen von den archaischen Methoden, nach denen Weltbank und IWF nach wie vor ihre Führungsämter besetzen, über die WTO, die bis heute keinen Mechanismus gefunden hat, durch den die Mehrheit der Mitgliedsländer adäquat in Verhandlungen repräsentiert werden, bis hin zu den Vereinten Nationen.

Der UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) hätte in der letzten Woche in Genf eigentlich die erste Annual Ministerial Review der MDGs durchführen sollen, ging aber fast ohne die Teilnahme von Ministern über die Bühne. Statt dessen feierte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon auf dem Global Compact Leaders Summit das neue Bündnis mit den Wirtschaftsführern. Weder die „Ministerial Review“ noch der Global Compact wollten sich zu rechtebasierten Ansätzen bekennen. Statt auf das Recht auf Nahrung zu pochen, formulierten die Teilnehmer der „Ministerial Review“ vage ihre Bereitschaft, „Schritte zu unternehmen und Ressourcen einzusetzen, um den Hunger auszurotten“. Im Global Compact gilt die Unverbindlichkeit ohnehin als oberstes Prinzip. „Was wir in Bezug auf die Menschenrechte brauchen“, erklärte ActionAid International, „sind rechtlich bindende Bestimmungen zur Kontrolle der Konzernaktivitäten.“