20. Juni 2007

SEF-Sommerdialog: Zu Global Governance gibt es keine Alternative

Der militant-konservative Professor von der Georgetown University in Washington, Robert J. Lieber, mochte noch so energisch gegen den mangelnden Realismus der Global-Governance-Protagonisten und allemal gegen die Unzulänglichkeiten der Vereinten Nationen zu Felde ziehen – am Ende bestritt auf dem Sommerdialog der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF) in der letzten Woche in Berlin niemand mehr, daß es zu Global Governance keine Alternative gibt. Allenfalls Nuancen in der Beurteilung der heute schon existierenden Global-Governance-Strukturen und der Reichweite ihrer wünschenswerten Reformen blieben bestehen. Unter dem Titel Global Governance unter Druck. Normative Gegenentwürfe und reale Widerstände in Nord und Süd wollten die schon lange mit der Thematik befaßten Veranstalter erneut die Realitätstauglichkeit des „Global-Governance-Konzepts“ auf den Prüfstand stellen.

In der Abschlußrunde betonte Anthony McGrew von der Universität Southampton noch einmal den doppelten Charakter dieses Konzepts als Konzept und zugleich als Praxis. Das existierende Global-Governance-System sei hochgradig unvollkommen, und die Herausforderung bestehe darin, dieses System in ein partizipativeres, gerechteres und demokratischeres zu verwandeln. Die Entwicklung der letzten Jahre gehe allerdings dahin, daß die Inklusionsfähigkeit und Effektivität der Global-Governance-Institutionen abnehme, und zwar trotz ihrer enormen Expansion. Zuvor hatten verschiedene RednerInnen immer wieder darauf hingewiesen, daß die bestehenden Strukturen von Global Governance gar nicht so schlecht seien (Peter van Hamm, Uni Den Haag, Stefan A. Schirm, Uni Bochum, Cornelia Ulbert, Uni Duisbur), während andere, vor allem aus dem Süden, die Notwendigkeit ihrer Reform betonten (Pierre de Senarclens, Uni Genf, Tovar da Silva Nunes, Brasilien, Fatoumata Siré Diakite, Mali, Blancanieve Portocarrero, Venezuela).

Auch Peter Wittig vom Auswärtigen Amt ging davon aus, daß wir vor einem Umbau der globalen Governance-Strukturen stehen, den man sich allerdings als schrittweisen Prozeß vorzustellen habe. Die Beispiele, die er dafür nannte (Einstieg in die IWF-Reform, OECD als standardsetzende Instanz, O5-Heiligendamm-Prozeß), gehören allerdings eher in die Kategorie der kleinen Trippelschritte, die dem globalen Problemdruck völlig unangemessen sind. Ein Hauch von Kontroverse kam auf, als der O5-Outreach, mit dem die fünf Schwellenländer (Brasilien, Mexiko, China, Indien, Südafrika) in den „inneren Kreis der Macht“ (Wittig) geführt werden sollen, als parternalistischer Ansatz kritisiert wurde. – In der Tat: Warum – so die Frage von Ramesh Jaura vom Global Cooperation Council – tut man so, als müsse man diese Länder wie kleine Kinder an die Hand nehmen, anstatt einfach davon auszugehen, daß man sie ernst nehmen muß?

Der Panelbeitrag von Michael Zürn, „Institutionalisierte Ungleichheit. Jenseits der Alternative ’Global Governance’ versus ’American Empire’“, ist in einer Langfassung beim WZB verfügbar (>>> hier).

19. Juni 2007

OECD: Globalisierung, Arbeitsplätze und Löhne

Das um sich greifende Offshoring, also die Auslagerung von Arbeitsplätzen im Rahmen globaler Produktionsnetzwerke, hat die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer, vor allem der einfachen Arbeiter, in den Industriestaaten reduziert. Dabei ist es unerheblich, ob das Offshoring stattfindet oder lediglich angedroht wird – Arbeitsplätze und Löhne geraten unter Druck. Auch die Einkommensungleichheit wächst: In 18 von 20 OECD-Ländern hat sich die Kluft zwischen Spitzenverdienern und den unteren Einkommensgruppen seit 1990 weiter geöffnet. Nur in Irland und Spanien war der Trend umgekehrt (s. Graphik). Das sind zwei Erkenntnisse aus dem heute veröffentlichten Beschäftigungsausblick der OECD, der sich schwerpunktmäßig mit dem Zusammenhang zwischen der Globalisierung, der Arbeitsmarkt- und der Lohnentwicklung befaßt.


Der neue „Employment Outlook“ fragt sich, warum die Einschätzung der Globalisierung durch die Mainstream-Ökonomen und die eher ambivalente Beurteilung des Prozesses in der öffentlichen Meinung oft so weit auseinander klaffen. Die Antwort liegt wohl darin, daß es für diejenigen, die gerade ihren Arbeitsplatz verloren haben, wenig Trost bedeutet, wenn gleichzeitig der Wohstand insgesamt steigt oder neue Jobs in anderen Sektoren geschaffen werden. Jedenfalls reiht sich dieser neue Report ein in die Vielzahl von Überlegungen, wie ein „Globalisierungsrückschlag“ angesichts wachsender sozialer Unzufriedenheit vermieden werden kann.

Die Antworten der OECD-Autoren sind allerdings nicht gerade originell, sondern seit langem in der Diskussion. Sie empfehlen den Regierungen drei Maßnahmebündel, um die Arbeitsnehmer bei der Anpassung an die Globalisierung zu unterstützen. Erstens sollten Sozialsysteme stärker durch das allgemeine Steuersystem, etwa durch das Einkommenssteuer- und Mehrwertsteueraufkommen, finanziert werden (und nicht durch Lohnanteile). Zweitens müsse die Mobilität der Arbeitskräfte gesteigert werden, z.B. durch „Flexicurity“-Ansätze, wie sie in Dänemark und Österreich bereits praktiziert werden. Und drittens sei es erforderlich, Arbeitsplatzverlierer durch „beschäftigungsfreundliche Sozialsysteme“ zu unterstützen, womit im wesentlichen eine „aktivierende“ Arbeitsmarktpolitik gemeint ist, wie sie in Deutschland mit Hartz IV versucht wurde. – Oberstes Ziel müsse sein, den Leuten die Angst vor der Globalisierung zu nehmen. Doch geht es im wesentlichen darum, die Anpassung der Arbeitskräfte an die Globilisierung zu fördern und nicht umgekehrt den Pfad der Globalsierung auf die menschlichen Bedürfnisse auszurichten.

13. Juni 2007

Sicherheitsrisiko Klimawandel

Der ungebremste Klimawandel könnte zu einem der zentralen politischen Konflikte des 21. Jahrhunderts werden. Das ist die These des jüngsten Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), das im Mittelpunkt des 17. Forums Globale Fragen steht, das das Auswärtige Amt heute und morgen in Berlin veranstaltet. Der WBGU sieht folgende Gefährdungen für die internationale Stabilität und Sicherheit:

* Eine steigende Zahl schwacher und fragiler Staaten: Die Wirkungen eines ungebremsten Klimawandels schränken die Fähigkeit dieser Staaten zur Problemlösung weiter ein. Durch die Ausweitung über die betroffene Region hinaus, etwa durch Umweltmigration, könnte dies zur Entstehung "scheiternder Subregionen" führen.

* Wachsende Verteilungskonflikte zwischen Verursachern und Betroffenen des Klimawandels: Die besonders betroffenen Länder werden auf das Verursacherprinzip verweisen, so daß sich die internationale Kontroverse um ein globales Kompensationsregime verschärfen dürfte. Neben den heutigen Industrieländern werden auch große aufstrebende Ökonomien wie China und Indien künftig gegenüber den Entwicklungsländern in Erklärungsnot geraten. Eine zentrale Konfliktlinie der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts wird daher auch zwischen Schwellenländern und ärmeren Entwicklungsländern entstehen.

* Ein wachsender Legitimationsverlust der Industrieländer: Den Industrieländern und künftig auch Schwellenländern könnte der Vorwurf gemacht werden, durch zögerliches Handeln eine Gefährdung der existenziellen Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen zuzulassen.

* Eine verstärkte Migration: Durch den Klimawandel wird die Zahl der Migrationsbrennpunkte auf der Erde erheblich zunehmen.

* Risiken für die Weltwirtschaft: Je nach Art und Intensität der Klimawirkungen ist eine spürbare Beeinträchtigung der Weltwirtschaft plausibel. Bei ungebremstem Klimawandel ist mit erheblichen Wachstumseinbußen zu rechnen.

Die Klimapolitik muß nach Ansicht des WBGU bereits in den nächsten 10–15 Jahren entschieden handeln, um mittelfristig sozio-ökonomische Verwerfungen und negative Folgen für die internationale Sicherheit zu vermeiden. Dazu empfiehlt der WBGU der Bundesregierung die Umsetzung folgender Maßnahmen: eine ehrgeizige Weiterentwicklung der Internationalen Klimapolitik (u.a. eine Halbierung der weltweiten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050, eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 30% bis 2020, strategische „Dekarbonisierungspartnerschaften“ mit den Schwellenländern), die Initiierung eines KSZE- ähnlichen Prozesses, eine zügige Reform der Vereinte Nationen, die Stabilisierung von fragen und schwache Staaten, sowie eine neues Selbstverständnis von Entwicklungspolitik als präventive Sicherheitspolitik, den Ausbau des globale Informations- und Frühwarnsystems und die Entwicklung eines Konvention für Umweltmigranten.