23. Dezember 2007

Friedliche Feiertage und willkommen im Jahr 2008!

Allen unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir ein paar erholsame Feiertage und einen Guten Rutsch ins Neue Jahr!

Zwischen den Jahren legen wir eine Blogger-Pause ein. Ab Januar steigt die Heinrich-Böll-Stiftung mit in den Blog ein. Wir nutzen die Zeit bis dahin, um einen Relaunch des Blogs als gemeinsamen Blog von W&E und Heinrich-Böll-Stiftung vorzubereiten. Der Titel wird weiterhin "Baustellen der Globalisierung" sein. Doch neue Funktionen, neue Infoquellen und neue Gastblogger kommen hinzu! Bis dahin wünschen wir Ihnen und Euch alles Gute!

20. Dezember 2007

IWF-Substitutionskonto: Die Lösung des Dollar-Problems?

Der US-Ökonom Fred Bergsten hat die Einrichtung eines Substitutionskontos beim IWF vorgeschlagen, um den Abwertungsdruck von der US-amerikanischen Währung zu nehmen. Bergsten ist Direktor des Peterson Institute for International Economics in Washington und war 1977-1981 im US-Finanzministerium verantwortlich für internationale Angelegenheiten. In einem Kommentar für die Financial Times (How to solve the problem of the dollar?) weist er darauf hin, daß es – über die derzeitigen Kursverluste hinaus – zu einem freien Fall des Dollars kommen könnte, wenn die Halter von Dollarvermögen im Ausland auf die Idee kommen sollten, auch nur einen Bruchteil ihres Vermögens (derzeit mindestens 20.000 Mrd. US-Dollar) in andere Währungen einzutauschen. „Es gibt nur eine Lösung für dieses Dilemma, die alle Beteiligten zufriedenstellen würde“, schreibt Bergsten, „die Schaffung eines Substitutionskontos beim Internationalen Währungsfonds, durch das unerwünschte Dollars in Sonderziehungsrechte konvertiert würden, also in das internationale Geld, das vom Fonds 1969 geschaffen wurde.“

Bergsten erinnert daran, daß es bereits Ende der 1970er Jahre – als der Dollar schon einmal massiv an Wert verlor – Bestrebungen zur Schaffung eines solchen Substitutionskontos gab, die nur deshalb nicht umgesetzt wurden, weil der Wert des Dollars im Gefolge der restriktiven Geldpolitik der US-Zentralbank wieder an Wert gewann – eine Entwicklung, die heute kaum denkbar ist. Das Prinzip eines Substitutionskonto ist einfach: Anstatt ihre Dollars in andere Währungen umzutauschen, würden die Dollarhalter diese auf ein Sonderkonto des IWF einzahlen und dafür Sonderziehungsrechte (SZR) bekommen. Diese wiederum könnten sie verwenden, um Defizite bei künftigen Zahlungsbilanzkrisen auszugleichen oder an andere IWF-Mitglieder abgeben. Alle Beteiligten würden davon profitieren: Die Länder mit zu viel Dollars würden ein Zahlungsmittel bekommen, das aus mehreren Währungen besteht (der SZR-Währungskorb besteht z.Zt. zu 44% aus US-Dollar, zu 34% aus Euros und zu je 11% aus Yen und Pfund Sterling) und so ihr Ziel der Währungsdiversifikation erreichen, und eine exzessive Abwertung des Dollar und damit der Dollar-Vermögen würde vermieden.

Die IWF-Mitglieder müßten sich allerdings bereit finden, so viele SZR wie nötig auszugeben. Die derzeitigen SZR sind auf umgerechnet 34 Mrd. Dollar begrenzt – viel zu wenig, um den Bedarf des Modells zu denken. Mit der drastischen Ausweitung der SZR-Menge wäre eine beträchtliche Stärkung der internationalen Finanzarchitektur verknüpft – das ist sicher. Unsicher freilich ist mal wieder, ob dieses angesichts der aktuellen Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft politisch gewünscht und durchsetzbar wäre.

15. Dezember 2007

Ergebnisse von Bali: Erste Stellungnahmen

Zu dem Ergebnis der Weltklimakonferenz in Bali erklärte der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, der zugleich Präsident von EUROSOLAR und Vorsitzender des Weltrats für Erneuerbare Energien (WCRE) ist:

"Die Konferenz in Bali hat erneut gezeigt, daß Verhandlungen mit dem Ziel eines alle Länder umfassenden Globalvertrags für Klimaschutz allenfalls auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner eines Minimalkompromisses enden können. So aber kann die organisierte Pyromanie der Verbrennung fossiler Energie nicht beendet werden. Damit aber bleiben die Resultate stets weit hinter der tatsächlich gegebenen Herausforderung und die Weltzivilisation droht den Wettlauf mit der Zeit zu verlieren. Schnelle und umfassend angelegte Schritte zur Energiewende einzuleiten und dafür zugleich einen Weltkonsens aller Regierungen zu erreichen, kommt einer Quadratur des Kreises gleich. Das ist die Erfahrung, die sich auch in Bali wieder bestätigt hat.

Nötig ist eine internationale Allianz wirklich aktionsbereiter Staaten, eine 'coalition of the willing' gegen den laufenden Weltkrieg gegen die Natur, die mit gutem Beispiel vorangeht und damit eine weltweit ausstrahlende technologische Revolution zur Nutzung erneuerbarer Energien auslöst. Einer solchen Dynamik wird sich keiner mehr entziehen können."

Anläßlich des Endes der Weltklimakonferenz auf Bali erklärte Gerhard Timm, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

„Das Ergebnis der Weltklimakonferenz ist enttäuschend. Der Kompromiß der Abschlußerklärung reicht nicht gegen die großen Bedrohungen durch den Klimawandel. Die angeführte Spannweite der CO2-Reduktionen von 25 bis 40% bis 2020 gegenüber 1990 ist nur akzeptabel, wenn die Industriestaaten die obere Grenze anpeilen. Die Bundesregierung darf deshalb ihre Vorreiterrolle auf keinen Fall aufgeben und muß ungeachtet des Ergebnisses ihre Emissionen um 40% reduzieren.“ Je früher drastische Reduktionen eingeleitet würden, desto höher sei die Chance, daß der Temperaturanstieg auf unter 2° begrenzt werden könnte.

Timm kritisierte, daß die Delegationen der Vereinigten Staaten und Japans jede Gelegenheit genutzt hätten, die Verhandlungen ins Stocken zu bringen. Kanada und Rußland seien dabei willige Erfüllungsgehilfen gewesen. Die konstruktiven Vorschläge der Entwicklungsländer hätten daher kaum eine Chance gehabt. Daß es dennoch zu einem Kompromiß gekommen sei, liege nur am Verhandlungswillen der Entwicklungsländer sowie der Vermittlerrolle Deutschlands und der EU. So gelang es, die USA komplett zu isolieren und zum Einlenken zu bewegen. „Auf diese neue Koalition sollten Deutschland und die EU bei den kommenden Verhandlungen setzen“, so Timm.

Positiv bewerte der BUND den Beschluß einen Fonds einzurichten, der die Entwicklungsländer bei Anpassungen an den Klimawandel unterstützen soll. Im neuen Kyoto-Abkommen sollen zudem das Problem der Entwaldung sowie der Transfer von Technologien zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geregelt werden. Von zentraler Bedeutung sei auch, daß sich die internationale Staatengemeinschaft auf das Jahr 2009 als Enddatum für die Verhandlungen über ein Kyoto-Nachfolgeabkommen geeinigt habe.

13. Dezember 2007

Irreführende Debatte um EPAs im Bundestag

In ihrem heutigen Bundestagsantrag (Drucksache 16/7487) loben die CDU und SPD die geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) als Instrumente für Entwicklung, Armutsbekämpfung und Stabilität in den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP). Die Menschenrechtsorganisation FIAN und die Entwicklungsorganisation Germanwatch vermissen darin eine ernsthafte Folgenabschätzung der EPAs und eine realistische Bewertung des aktuellen Verhandlungsstands. Nur wenige AKP-Staaten haben bisher Zustimmung signalisiert. Die Erwartung der Koalition, daß alle sechs Regionen bis Ende des Jahres ein Abkommen unterzeichnen, ist nach Ansicht der beiden NGOs pures Wunschdenken. Spätestens seit dem EU-Afrika-Gipfel am vergangenen Wochenende in Lissabon sei die Strategie ‚Augen zu und durch’ gescheitert.

FIAN und Germanwatch widersprechen der Behauptung der Koalitionsfraktionen, die EU habe die Bedenken der AKP-Staaten und der Zivilgesellschaft weitgehend aufgegriffen. Noch in der vergangenen Woche hatten zahlreiche NGOs Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul gebeten, auf eine substantielle Änderung der EU-Position in den EPA-Verhandlungen hinzuwirken. Die AKP-Staaten müßten die Möglichkeit haben, ihre Märkte mindestens vor 40% der europäischen Importe zu schützen, statt der bisher eingeräumten 20%. Für sensible Produkte müßten auch Zollerhöhungen und mengenmäßige Begrenzungen möglich sein. Der Verweis auf Menschenrechte und Armutsbekämpfung bleibe in dem Antrag leider rhetorische Begleitmusik ohne Substanz. Irreführend sei auch die Einschätzung, EPAs förderten die regionale Integration. Anstatt den Konsens der gesamten Region abzuwarten, schließe sie Abkommen mit einzelnen Mitgliedern und untergrabe bestehende Ansätze regionaler Integration.

Auf einer Konferenz von Germanwatch, der niederländischen Entwicklungsorganisation Both ENDS, FIAN und der UK Food Group hatten Bauern und NGOs aus Ghana, Sambia, Uganda und Europa in den vergangenen Tagen in Berlin eine Zwischenbilanz der Verhandlungen gezogen. „Zur Entwarnung gibt es für uns keinen Grund. Wir werden uns solange gegen EPAs wehren, bis sie tatsächlich die Entwicklungsanliegen unserer Länder aufgreifen“, erklärte Adam Nashiru, Bauernpräsident aus Ghana. In Lissabon hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch eine Flexibilisierung der EU-Position in Aussicht gestellt. Im Koalitionsantrag jedenfalls ist davon nichts zu erkennen, wundert man sich.

Weitere EPA-Anträge wurden von der Linken und den Grünen vorgelegt (Bundestagsdrucksachen 16/7469 und 16/7473)

12. Dezember 2007

Pankaj Ghemawat: Die Welt ist nicht flach

In einem wichtigen Buch warf der Harvard-Ökonom Dani Rodrik vor ein paar Jahren die Frage auf “Ist die Globalisierung zu weit gegangen?” (>>>Grenzen der Globalisierung. Ökonomische Integration und soziale Desintegration). Nicht so weit jedenfalls, wie viele Globalisierungsenthusiasten und auch Globalisierungskritiker behaupten, wäre wahrscheinlich die Antwort von Pankaj Ghemawat. In einem neuen Buch „Redefining Global Strategy“ widerspricht Ghemawat, der gleichzeitig Professor in Barcelona und Harvard ist, der These des New-York-Times-Kolumnisten Thomas Friedman (>>> Die Welt ist flach. Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts) und sagt: „Die Welt ist nicht flach“. Unternehmen, die spezifische politische, kulturelle und wirtschaftliche Differenzen zwischen den Ländern nicht in Rechnung stellen, sind prädestiniert zum Scheitern. Gegen gängige Globalisierungsthesen argumentiert Ghemawat, die Welt von heute sei allenfalls „semiglobalisiert“. In diesem Video erklärt er, warum.




11. Dezember 2007

Agrotreibstoff-Direktive der EU ohne Rücksicht auf die Armen

Am Rande der Klimakonferenz in Bali ist jetzt der Entwurf einer EU-Direktive durchgesickert, in der eigentlich geklärt werden soll, was „nachhaltige Biokraftstoffe“ sind und wie verhindert werden kann, daß das EU-Ziel, bis 2020 mindestens 10% der Treibstoffe im Verkehrssektor aus nachwachsenden Rohstoffen zu gewinnen, zu weiterer sozialer und ökologischer Verelendung im Süden führt. Die Direktive in ihrer jetzigen Form sorgt nach Auffassung von Friends of the Earth Europe nicht dafür, die Armen und die Umwelt davor zu schützen, daß Kapazitäten des Nahrungsmittelsektors in die Treibstoffproduktion umgelenkt werden. – Gerade kurz vor Bali hatte ein Oxfam-Briefing, das auch als W&E-Hintergrund November 2007 (s. Abb.) erschien, auf die Gefahren des Biosprit-Booms sowie darauf hingewiesen, daß es dringend notwendig ist, soziale und ökologische Standards auch bei der Produktion nachwachsender Rohstoffe zu berücksichtigen.

10. Dezember 2007

Strukturanpassung in Washington – Hoffnung in Buenos Aires

Auch wenn die eigentliche Vergabepolitik der Banco del Sur („Bank des Südens“), die heute in Buenos Aires gegründet wurde, erst noch entwickelt werden muß – nichts symbolisiert derzeit besser, wie sehr sich das Blatt gewendet hat: hier die Entstehung einer durch zunächst sieben südamerikanische Länder selbst finanzierten neuen Entwicklungsbank – dort ein Internationaler Währungsfonds (IWF), der sich ausnahmsweise einmal selbst einem Prozeß der Strukturanpassung unterziehen muß. Der innere Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen ist evident.

Wie wir uns die Strukturanpassung beim IWF vorzustellen haben, hat der neue Geschäftsführende Direktor Dominique Strauss-Kahn in der letzten Woche in einem Interview mit dem Wall Street Journal berichtet. Danach kommt der Fonds wohl nicht darum herum, 300 bis 400 seiner insgesamt 2600 Beschäftigten, vornehmlich hoch dotierte Ökonomen zu entlassen. Doch dies würde nur ein Viertel des Jahresdefizits von 400 Mio. US-Dollar abdecken, das der Fonds bis 2010 zu erwarten hat, wenn er keine neuen Kreditkunden in relevantem Umfang einwirbt. Da dies unwahrscheinlich ist, will Strauss-Kahn jetzt einen Vorschlag umsetzen, der schon länger in der Diskussion ist, nämlich den Verkauf eines Teils der Goldvorräte des IWF und die Investition des Erlöses in profitable Kapitalmarktfonds, um eine neue reguläre Einkommensquelle zu bekommen. Die Ironie der Geschichte liegt darin, daß der Goldverkauf stets tabu war, wenn es darum ging, Schuldenerleichterungen für arme Länder zu finanzieren, jetzt aber fast schon selbstverständlich ist, wenn dem IWF selbst aus der Patsche geholfen werden soll.

Die Meinung des neuen Geschäftsführers von den Ökonomen beim Fonds scheint übrigens nicht die beste zu sein: „Die Institution arbeitet gut, mit engagierten Leuten und eine hoch qualifizierten Belegschaft, aber es ist eine Papiermaschine“, erklärte er. Wieso allerdings die Praktiker von der Wall Street, von denen sich Strauss-Kahn mehr wünscht, besser sein sollten, ließ er offen. Vielleicht um die geplante Spekulation mit den Golderlösen besser bewältigen zu können…

Die Entstehung von Finanzierungsinitiativen im Süden, wie der Banco del Sur, ist eine Kehrseite der Finanzierungskrise der Institutionen des Nordens, denen, wie dem IWF oder auch der Weltbank, mehr und mehr die Kunden abhanden kommen. Die Gründer des neuen Instituts haben recht: Vor zehn Jahren wäre ein solcher Rollentausch noch nicht denkbar gewesen.

6. Dezember 2007

5. Dezember 2007

Auszeit für Doha und Revival für Sozialklauseln unter Hillary?

Es gilt als ziemlich sicher, daß die Sozial- und Ökoklausel-Debatte eine Neuauflage erfahren wird, sollte ein Kandidat der Demokratischen Partei im nächsten Jahr George Bush im Präsidentenamt ablösen. Jüngster Beleg dafür ist ein Interview der Financial Times mit Hillary Clinton, in dem diese für eine „Auszeit“ plädiert, um bestehende Handelsverträge der USA zu überprüfen und auch die US-Position in der Doha-Runde der WTO neu zu bestimmen. Es müsse gefragt werden, wo Handelsverträge „unseren Arbeitern und unserer Wirtschaft zugute kommen und wo Bestimmungen gestärkt werden sollten, um zu steigenden Lebensstandards auf der ganzen Welt beizutragen“, sagte die derzeit Bestplazierte unter den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern. Zugleich zeigte sie sich „besorgt, daß einige (WTO-)Bestimmungen dazu beitragen könnten, Länder davon abzuhalten, strengere Umwelt- und Arbeitsschutzbestimmungen einzuführen“.

In Bezug auf die Doha-Runde mache es keinen Sinn, einfach da weiterzumachen, wo Bush aufgehört habe, meinte Clinton und verwies auf den bekannten Lehrbuchökonomen Paul Samuelson. Selbst der sei der Meinung, daß die Theorie der komparativen Vorteile vielleicht keine ausreichende Beschreibung der Ökonomie des 21. Jahrhunderts mehr sei. Zwar recherchierten findige FT-Kommentatoren gleich am nächsten Tag, daß der Altmeister damit nicht mehr gemeint habe, als daß der Freihandel unter bestimmten Bedingungen nicht nur Gewinner hervorbringe und daß dies auch schon im letzten Jahrhundert gegolten habe. Doch kommt es in der Politik bekanntlich auch darauf an, wann etwas gesagt wird. Und so sind die Einlassungen Hillarys für die Doha-Runde keineswegs so „traurig“, wie die FT-Kommentatoren meinen, sondern deuten möglicherweise auf einen Neubeginn nach einer längeren Reflexionspause mit dem Ziel, vielleicht doch noch etwas von dem entwicklungspolitischen Anspruch der Runde retten zu können.

Update vom 6.12.2007: Hillary Clinton hat mit ihrem Interview eine kleine Diskussion ausgelöst. Kritik hangelte es vom EU-Handelsbeauftragten Peter Mandelson. Zustimmung kam von Timothy A. Wise, dem stellvertretenden Direktor des Global Development and Environment Institute der Tufts University.

4. Dezember 2007

Globalisierungsbaustelle Bali

Nun ist die Tropen- und Tourismus-Insel Bali zwei Wochen lang eine gigantische "Baustelle der Globalisierung". Allein 10.000 offizielle Delegierte sind zu der UN-Klimakonferenz angereist. Sie sollen den Fahrplan für die Verhandlungen zu einem neuen globalen Klimaregime nach 2012, das das Kyoto-Protokoll ablöst, entwickeln. W&E hat aus diesem Anlaß ein Klima-Paket "Botschaften für Bali" zusammengestellt. Im Mittelpunkt dieses Angebots steht unsere neue Hintergrund-Ausgabe (>>> W&E-Hintergrund Dezember 2007) mit dem "Greenhouse-Development-Rights-Ansatz", der ein Modell entwickelt, wie das Recht auf Entwicklung auch unter den Bedingungen eines weitreichenden Klimaschutzprogramms gewährleistet werden kann.

Wer's gerne detaillierter hätte, kann auf die tägliche Berichterstattung durch das Team des International Institute for Sustainable Development zurückgreifen. Dieses sehr ausführliche und qualifizierte Angebot gibt es seit neuestem auch im Blog-Format (>>> IISD Reporting Services Blog). Der Link findet sich jetzt auch auf unserer Blogroll in der rechten Spalte. Lesenswert ist auch der Blog "Klima der Gerechtigkeit" von Jörg Haas (>>> hier). Da die Berichterstattung dort so gut ist, werden wir hier nur sporadisch auf Bali eingehen, wie z.B. im Eintrag über die urgewald-Forderung zur Einbeziehung der Exportförderung in das Klimaschutzregime (s.u.).

Exportförderung: Wer Flugzeuge sät, erntet Klimawandel

Anläßlich der Klimakonferenz in Bali fordert die Umweltorganisation urgewald, auch die Exportförderung in die Klimaschutzbemühungen aufzunehmen. In einer Studie Wer Flugzeuge sät, erntet Klimawandel hat Kai Schäfer recherchiert, welche Klimarelevanz die deutsche Exportförderung durch Hermesbürgschaften aufweist. “Ein großer Teil der Exportförderung geht in den Flugsektor. Der Flugzeugbauer Airbus gehört zu den Hauptprofiteuren der Hermesbürgschaften", erläutert Schäfer. “Zwischen 2002 und 2006 gingen 11% aller Bürgschaften für Einzeldeckungen an Airbus. Aus Klimaschutzsicht ist dies sehr problematisch, da der Flugverkehr eine enorme Bedeutung für den globalen Klimawandel hat. Er ist der am stärksten wachsende Verkehrsträger überhaupt und macht damit CO2-Minderungsbemühungen in anderen Sektoren zunichte. Zudem ist der klimawirksame Effekt der Luftfahrt um ein vielfaches höher als der reine CO2-Ausstoß." Hochgerechnet entspricht der aus den Airbus-Lieferungen resultierende CO2-Ausstoß mit 800 Millionen Tonnen CO2 fast dem Kohlendioxid-Ausstoß der Bundesrepublik im Jahr 2006, der bei 878 Millionen Tonnen lag.

Die Bürgschaften für Flugzeuge sind jedoch bei weitem nicht der einzige klimarelevante Posten bei Hermes. Allein im Verkehrssektor gehört neben Airbus auch die Meyer-Werft GmbH zu den großen Profiteuren der Exportförderung. Und auch die internationale Schifffahrt trägt ihren Teil zum Klimawandel bei: Ihr reiner CO2-Ausstoß entspricht dem des Luftverkehrs.

Klimaschutzüberlegungen fließen in die Exportförderung bisher nicht ein. Bei Hermes werden weder Flugzeug- noch Schiffsexporte besonders auf Umweltauswirkungen geprüft. Wenn Deutschland im Klimaschutz tatsächlich eine Vorreiterrolle einnehmen will, müsse auch die Exportförderung bezüglich ihrer Klimarelevanz auf den Prüfstand. Die mit Exporten verbundenen Treibhausgasemissionen müßten erhoben und klare Reduktionsziele formuliert werden, sagt urgewald.

Hermes-Bürgschaften dienen der deutschen Exportförderung. Mit ihnen können deutsche Exporteure die Lieferung ihrer Ware in Schwellen- und Entwicklungsländer absichern. Zahlt ihr Kunde nicht, wird der Verlust durch Hermes erstattet. Die Euler-Hermes-Kreditversicherungs AG wickelt die Bürgschaften im Auftrag der Bundesregierung ab. Ein Interministerieller Ausschuß aus Wirtschafts-, Finanz-, Entwicklungsministerium und Auswärtigem Amt kontrolliert die Vergabe der Bürgschaften.

28. November 2007

EPA-Durchbruch? Oxfam warnt vor Dominoeffekt

Gestern vereinbarte die East African Community (EAC) mit der Europäischen Union (EU) in Kampala ein Abkommen zum Güterhandel. Danach wird die EAC innerhalb von 15 Jahren ihre Märkte für 80 Prozent der europäischen Güter öffnen. Das Abkommen umfaßt die Agrar- und Industriegüter, wobei der Großteil der Liberalisierung zunächst im Industriegüterbereich erfolgt. Bis Mitte 2009 soll ein vollständiges Freihandelsabkommen unterzeichnet werden. Etwa ein Fünftel des EAC-Handels wird von dieser Liberalisierung vollständig ausgenommen.

Am vergangenen Freitag hatte auch die Southern African Development Community (SADC) einem Interimsabkommen mit der EU zum Warenhandel zugestimmt. Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam befürchtet, daß die Unterzeichnung der beiden Abkommen einen Dominoeffekt in anderen AKP-Regionen (AKP: Afrika, Karibik, Pazifik) haben könnte. „Die anderen Entwicklungsländer geraten zunehmend unter Druck, ebenfalls einem Freihandelsabkommen mit der EU zuzustimmen, obwohl dies verheerende Folgen für ihre wirtschaftliche und industrielle Entwicklung sowie für die Existenzgrundlagen ihrer Kleinbauern hätte“, kritisiert Marita Wiggerthale von Oxfam Deutschland.

Oxfam liegt die letzte bekannt gewordene Version des geplanten Abkommens zwischen EU und SADC vor. Danach wollen alle SADC-Staaten einem Güterhandelsabkommen bis zum Ende des Jahres zugestimmen. Mosambik, Swasiland, Botswana und Lesotho wollen darüber hinaus Verhandlungen bei Dienstleistungen und Investitionen im Jahr 2008 fortsetzen. Drei dieser Länder sind die kleinsten der Region und zum Teil stark von europäischen Geldern abhängig. „Sie wurden wohl extra von der Kommission herausgegriffen, um den Widerstand der anderen zu schwächen“, vermutet Wiggerthale. Laut Wiggerthale wurden die AKP-Länder von der EU-Kommission vor die Wahl gestellt, entweder ein Freihandelsabkommen für den Warenhandel zu unterzeichnen, das nicht in ihrem Interesse ist, oder, wenn sie nicht unterzeichnen, die jetzt noch bestehenden Handelsvorteile zu verlieren. Dabei seien diese Länder im großen Maße von der EU abhängig: als Absatzmarkt für ihre Güter oder als Empfänger finanzieller Hilfen.

23. November 2007

Regierung will Finanzmärkte für Klimaschutzziele nutzen

Die Bundesregierung will die Finanzmärkte "aktiv einbinden", um ihre Umwelt- und Klimaschutzziele zu erreichen. Darauf verweist sie in ihrer Antwort (16/7093) auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen (16/6719) zu Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategien im Finanzsektor. Aus Sicht der Regierung spielen die Finanzmärkte eine wesentliche Rolle, wenn es um die Umsetzung dieser Strategien geht. Dies beziehe sich zum einem auf die Minderung von Treibhausgasen und zum anderen auf Anpassungsstrategien im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels. Zugleich will die Regierung nach eigener Aussage die ökonomischen Rahmenbedingungen verbessern, um Investitionen in neue, innovative Umwelt- und Klimaschutztechniken zu fördern. Darüber hinaus solle ein intensiverer Dialog mit den Finanzdienstleistern über die Risiken des Klimawandels und die Chancen nachhaltiger Investments sowie über den Abbau von Finanzierungshemmnissen bei innovativen Umwelt- und Klimaschutztechnologien geführt werden.

Auf die Frage der Bündnisgrünen, was die Bundesregierung von einem einheitlichen Label hält, um nachhaltige Geldanlagen klassifizieren zu können, heißt es in der Antwort, angesichts der vielfältigen Anlageformen scheide ein solches Label auf gesetzlicher Grundlage aus. Es bleibe vielmehr der jeweilige Branche überlassen, selbst Standards zu entwickeln und ein Label zu vergeben, um die Besonderheiten der jeweiligen Anlageform angemessen berücksichtigen zu können. Es sei zu beobachten, daß zu deutschen Banken gehörende Kapitalanlagegesellschaften zunehmend Umweltschutz- und Ethikfonds auflegen. Die Regierung sieht darin auch eine Reaktion auf die international gestiegene Nachfrage institutioneller Investoren nach nachhaltigen Investments. Diese Entwicklung einer "vertieften Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien" sei zu begrüßen. Neue Risikotransferinstrumente der Versicherungswirtschaft wie etwa Katastrophenanleihen und andere Risikoverbriefungsprodukte hält die Regierung für eine "sinnvolle Ergänzung" der traditionellen Rückversicherung.

Chancen für den deutschen Finanzmarkt sieht die Regierung der Antwort zufolge auch in der Verknüpfung des EU-Emissionshandelssystems mit anderen Emissionshandelssystemen. Die EU-Marktteilnehmer hätten aufgrund ihrer Erfahrungen gute Chancen in diese Märkte einzusteigen. In Deutschland gebe es einen funktionierenden privatwirtschaftlichen Markt für Emissionsberechtigungen, heißt es weiter. Die Regierung unterstützt nach eigener Aussage auch die wettbewerbsneutrale Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel. Dessen Vorteil liege darin, daß Emissionsminderungen dort stattfinden, wo sie am günstigsten sind.

21. November 2007

Die Linke im Bundestag: Aktionsplan zur Kontrolle der Finanzmärkte gefordert

Die Bundesregierung muß nach Auffassung der Linkfraktion eine Vorreiterrolle übernehmen, um Regulierungslücken auf den Finanzmärkten zu schließen, die während der jüngsten Turbulenzen offenkundig wurden. In einem Antrag an den Bundestag (16/7191) fordert die Fraktion, die Basel-II-Regelungen über Eigenmittelanforderungen an Banken so zu überarbeiten, daß auch Finanzmarktakteure wie Kreditverbriefungs- und Zweckgesellschaften erfaßt werden. Makroökonomische Risiken sollten besser berücksichtigt und die Abhängigkeit von Rating-Agenturen und bankinternen Risikomodellen verringert werden, heißt es darin. Die Abgeordneten fordern "öffentliche und unparteiische" Rating-Agenturen. So lange es diese nicht gebe, müsse die Regierung eine Initiative ergreifen, um ein staatliches Zulassungsverfahren und eine öffentliche Qualitätskontrolle für die bestehenden Rating-Agenturen zu schaffen.

Darüber hinaus tritt die Fraktion „Die Linke“ für eine Mindestkapitalpflicht für Geschäfte von Banken mit Hedgefonds und für eine Tobin-Steuer ein, um kurzfristige Geschäfte unattraktiver zu machen und um bei Turbulenzen auf den Finanzmärkten "mehr Zeit zum Handeln" zu gewinnen. Ferner will die Linksfraktion die Praxis des Kreditverkaufs in Deutschland einschränken. Kreditverkäufe ohne Zustimmung des Kreditnehmers seien abzulehnen. Im Zentrum der Geschäftstätigkeit von Landesbanken müsse die Unternehmensfinanzierung stehen.

Riskante Anlagen ohne strukturpolitischen Nutzen seien zu vermeiden. Einschränken wollen die Abgeordneten die Anlagemöglichkeiten von betrieblichen Pensionsfonds und privaten Altersvorsorge-Fonds in risikoreichen Finanzprodukten. Dagegen wollen sie die Haftung von Unternehmensvorständen und Aufsichtsräten erweitern. Dies solle vor allem für die Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen gelten. Die Linke plädiert darüber hinaus dafür, die Börsenumsatzsteuer wieder einzuführen und in der Wirtschaftspolitik eine Wende von einer "aggressiven Exportorientierung" hin zu einer Binnenorientierung zu vollziehen. Dazu solle im Haushalt 2008 der Einstieg in ein beschäftigungsorientiertes, mittelfristiges Zukunfts- und Investitionsprogramm vorgesehen werden.

20. November 2007

G20-Reform-Agenda nach dem Sinatra-Prinzip

Etwas verspätet hat die südafrikanische Regierung die Dokumente des Finanzminister- und Zentralbank-Treffens vom vergangenen Wochenende auf die G20-Website gestellt. Neben dem offiziellen Kommuniqué findet sich dort auch eine Reform-Agenda 2007. Damit soll das „G20-Übereinkommen zu anhaltendem Wachstum“ umgesetzt werden. Das dreiseitige Papier hält allerdings eher das fest, was die einzelnen Mitgliedsländer der G20, jedes für sich, sowieso machen und belegt, daß auch die G20 über das im wesentlichen von der G7/G8 praktizierte Sinatra-Prinzip („I do it my way“) nicht hinauskommen.

Zwei Beispiele: Die Mitglieder der EU verfolgen nach diesem Dokument Strukturreformen als Teil der erneuerten Lissabon-Strategie, um die Vorteile der Globalisierung voll zu nutzen. Argentiniens wirtschaftspolitisches Hauptziel besteht demgegenüber in der Erzielung anhaltenden Wirtschaftswachstums und zugleich einer Sozialpolitik, die auf die Reduzierung der Ungleichheit zielt. Dabei werde inneren Ersparnissen als Quelle der Investitionsfinanzierung der Vorrang gegeben, um die Verwundbarkeit gegenüber internationalen ökonomischen Schwankungen zu minimieren. – Unterschiedlicher könnten die wirtschaftspolitischen Ziele nicht formuliert sein. Fragt sich nur, was am Ende dabei herauskommt, selbst wenn das alles nach Wort und Geist umgesetzt würde.

18. November 2007

G20-Ergebnisse: Geteilte Verantwortung statt einseitiges Blamegame

Das hatten die südafrikanischen Gastgeber geschickt ausgesucht, das Motto zu diesem 9. Treffen der Finanzminister und Zentralbanker der G20-Länder, zu denen neben den traditionellen Industrieländern des Nordens auch die wichtigsten Schwellenländer des Südens gehören. Es lautete: „Sharing – Influence, Responsibility, and Knowledge“ – also etwa „Einfluß, Verantwortung und Wissen teilen“. Auf den im Vorfeld heftig umstrittenen Umgang mit den globalen Währungsungleichgewichten (s. vorheriger Eintrag) angewendet, heißt dies, die „geordnete Rückführung der globalen Ungleichgewichte“ müsse „in geteilter Verantwortung“ erfolgen, wie es in dem heute verabschiedeten Kommuniqué des Treffens heißt. Und das gemeinsame Statement buchstabiert auch gleich durch, was das heißt:

* die USA müssen Schritte zur Verbesserung ihrer nationalen Ersparnisse unternehmen, darunter zur weiteren Haushaltskonsolidierung;
* die Europäer müssen ihr Binnenwachstum stärken;
* die Japaner sollten weitere Strukturreformen durchführen und ihren Haushalt konsolidieren;
* im aufstrebenden Asien müßte über Reformen die Binnennachfrage gestärkt und „in einer Reihe von Überschußländern“ eine höhere Wechselkursflexibilität erreicht werden;
* und schließlich sollten die ölproduzierenden Länder ihre Ausgaben steigern.

Nur ein Punkt dieses Aufgabenkatalogs bezieht sich auf die Pflichten derjenigen, die im Vorfeld hart angegangen wurden, als müßten sie allein die Lasten der Anpassung auf sich nehmen, also vor allem China. Vergleicht man das G20-Kommuniqué mit den Ergebnissen des letzten G7-Treffens (>>> G7: Druck auf China, Laissez-faire beim Dollar, Hedgefonds Fehlanzeige), so zeigt sich: Wenn der „neue Süden“ mit am Tisch sitzt, kommt etwas anderes heraus, als wenn die „großen Sieben“ (die längst nicht mehr „die Größten“ sind) unter sich bleiben. Die Umsetzung freilich steht auf einem anderen Blatt: Hier kann niemanden die anderen zwingen; hier ist politischer Wille gefragt.

16. November 2007

G20-Treffen bei Kapstadt: China-Bashing oder Währungskooperation?

Zielgerichtet haben die Triadenmächte USA, Europa und Japan in dieser Woche den öffentlichen Druck auf China erhöht, um das Schwellenland bei dem am Wochenende stattfindenden G20-Treffen in Kleinmond bei Kapstadt/Südafrika zur Aufwertung seiner Währung zu bewegen. Das Thema „globale Ungleichgewichte“ steht ganz oben auf der Tagesordnung. Doch substanzielle Ergebnisse sind von den Finanzministern und Zentralbankpräsidenten aus den 20 wirtschaftlich stärksten Ländern der Welt nicht zu erwarten, nicht zuletzt weil die Chinesen so nicht mit sich umspringen lassen. Das schon im Vorfeld sichtbare „China-Bashing“ erfüllt denn wohl auch eher die Funktion, über die Unfähigkeit der Triade hinwegzutäuschen, eine kooperative Währungspolitik zu entwickeln, die den Abwärtstrend des Dollars in halbwegs geordneten Bahnen verlaufen läßt.

Dabei wären die G20 eine fast ideale Plattform zur Entwicklung der überfälligen Reform des internationalen Währungssystems. Denn dort sitzen gleichberechtigt alle führenden Schwellenländer mit am Tisch. Dort sind die wichtigsten Überschuß- und Defizitländer versammelt, die für eine Anpassung der Währungen an die geänderten internationalen Kräfteverhältnisse gebraucht werden. Aber diesem Ansatz ist nicht gedient, wenn die alten Industrieländer sich nur zusammentun, wenn es darum geht, die Newcomer unter Druck zu setzen.

Dringend wären auch Schritte, die Position der Entwicklungs- und Schwellenländer in den formellen Institutionen der Weltwirtschaft, z.B. im IWF, zu verbessern. Das Thema „Reform der Bretton-Woods-Institutionen“ steht im Arbeitsprogramm des Gastgeberlandes Südafrika ganz oben. Allerdings dürfte es angesichts des Gerangels um die Währungen in der Prioritätenliste deutlich nach unten rutschen. Und: Auch hier sind kaum Ergebnisse zu erwarten, die dem stockenden Prozeß bei IWF und Weltbank (s. Blogeinträge vom Oktober aus Washington) neue Schubkraft geben könnten. Im Vorfeld durchgesickert ist ein Vorschlag der G20-Troika (aus Brasilien, Südafrika und Australien), nach dem sich die Stimmverhältnisse im IWF um ganze 2-3% zugunsten der Entwicklungsländer verschieben würden – eine Vorlage für den den neuen IWF-Geschäftsführer Dominique Strauss-Kahn, der in Kapstadt erstmals mit am Tisch der G20 sitzen wird. Der „Reformdirektor“ könnte dort klarmachen, daß solche Trippelschritte nicht ausreichend sind, um Relevanz und Legitimität des Fonds wiederherzustellen. Er könnte den Europäern ins Gewissen reden, freiwillig mehr Macht abzutreten, und die Entwicklungsländer ermutigen, energischer mehr Macht zu fordern. Eine erste Nagelprobe also, wie ernst die Reformrhetorik des „Frenchman“ gemeint ist.

Zur Währungspolitik bei W&E:
>>> Wer hat Angst vor dem fallenden Dollar (Mark Weisbrot)
>>> Paradoxien zwischen Euro, Dollar, Yen und Renminbi (Birgit Mahnkopf/Elmar Altvater)

9. November 2007

Deutsche Entwicklungshilfe: Traurige Berliner Wirklichkeit

In dieser Woche haben die Deutsche Welthungerhilfe und terre des hommes wieder ihren Bericht zur Wirklichkeit der Entwicklungshilfe vorgestellt. Der 15. Bericht bekräftigt die Kritik, daß die deutsche Hilfe (durch Einbeziehung der Schuldenerlasse und der Studienplatzkosten für Ausländer an deutschen Unis) künstlich hochgerechnet wird. Gefordert wird eine ehrlichere Statistik und ein Stufenplan zur Erhöhung der öffentlichen Leistungen, um das 0,7-%-Ziel pünktlich bis 2015 erreichen zu können. Die von der Bundeskanzlerin auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm angekündigten zusätzlichen Entwicklungshilfe-Gelder in Höhe von 750 Millionen Euro fänden sich zwar in den Haushaltsplanungen für 2008 wieder, doch die weitere Finanzplanung des Bundes geht von einer Fortschreibung dieser Summe aus. Ohne weitere Steigerungen werde die Bundesregierung nicht einmal die Verpflichtungen der EU-Länder bis 2010 erreichen, sagte Peter Mucke, Geschäftsführender Vorstand von terre des hommes, bei der Vorstellung des Berichts in Berlin.

Das stimmt. Ebenfalls in dieser Woche hat der Haushaltsausschuß des Bundestags den neuen BMZ-Haushalt (Einzelplan 23) abgesegnet, der 2008 auf 5,16 Mrd. € ansteigen wird. Zusätzlich eingetrübt wird das Bild aber dadurch, daß es deutsche Parlamentarier offensichtlich nicht lassen können, Duftmarken ihrer eigenen Engstirnigkeit in solchen Beschlüssen zu hinterlassen. Auf Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD wurde u.a. der Ansatz für die bilaterale finanzielle Zusammenarbeit um 18,7 Mio. € auf 1,41 Mrd. € gesenkt und beim Beitrag zum Europäischen Entwicklungsfonds sollen 13 Mio. € eingespart werden. Dafür sollen somit im kommenden Jahr noch 770 Mio. € zur Verfügung stehen. Eine Million Euro soll eingespart werden beim freiwilligen Beitrag an die Vereinten Nationen. Diese sollen noch 312,29 Mio. € betragen. Mehr ausgegeben werden soll hingegen unter anderem im Bereich der bilateralen technischen Zusammenarbeit. Hier sollen die Ausgaben um 20 Millionen Euro auf 730 Mio. € steigen.

Da stellt sich nicht nur die Frage nach den ungenügenden Steigerungssätzen der deutschen Hilfe, sondern auch die nach ihrer Verwendung: Müssen wir eigentlich immer mehr Geld für hochbezahlte, meiste deutsche „Experten“ ausgeben und immer weniger Finanzmittel über die UNO oder die EU laufen lassen?

8. November 2007

EIB als schwächstes Glied in europäischer EZ gebrandmarkt

Anläßlich der europäischen Entwicklungstage in Lissabon sorgen sich NGOs darüber, daß die Bedeutung der Europäischen Entwicklungsbank (EIB) wächst, obwohl ihre Umwelt- und Sozialstandards nach wie vor unzureichend sind. Magda Stoczkiewicz, der Koordinatorin des CEE Bankwatch Netzwerks zufolge, wird die EIB zum größten multilateralen Geldgeber in Entwicklungsländern. Im Vergleich zu anderen Gebern ließen ihre Umwelt- und Sozialstandards jedoch sehr zu wünschen übrig. Die EIB müsse starke Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards für ihre Aktivitäten in Entwicklungsländern erarbeiten, statt dort die „Unterstützerbank für europäische Konzerne“ zu sein.

Ein neuer Bericht, der vom International Rivers Network (IRN) im Auftrag von CEE Bankwatch geschrieben wurde, zeigt, wie Großstaudämme, die die EIB finanziert hat, der lokalen Bevölkerung und der Umwelt Schaden zufügen, statt der Entwicklung zu nutzen. Der Bericht, Raising the bar on big dams: Making the case for dam policy reform at the European Investment Bank, schildert fünf umstrittene Dammprojekte in Afrika und eines in Laos, zu deren Finanzierung die EIB beigetragen hat. Er zeigt, daß die EIB trotz vager Bezugnahme auf die Empfehlungen der Weltstaudammkommission (WCD) keine Sektorpolitik für Staudämme hat. Eine zentrale Empfehlung des Berichts ist deshalb eine bessere Analyse aller Optionen für den Energie- und Wasserbedarf eines Landes vor der Entscheidung für den Bau eines Staudamms. Lori Pottinger, Afrika-Programmdirektorin beim IRN, sagt: “Unser Bericht zeigt, daß die EIB mehr als 400 Mio. € in Projekte investiert hat, die große Folgekosten für die Länder hatten, in denen sie realisiert wurde. Die von der EIB unterstützen Dämme haben zum Artensterben beigetragen, die Armut der Menschen verschlimmert, die umsiedeln mußten, sie bedrohen kritische Ökosysteme, von denen Millionen leben und sie haben die Verschuldung der Länder verschlimmert. Statt jedoch dazu zu lernen, will die EIB in weitere Dämme von Äthopien bis Kongo investieren."

Ein ähnliches Bild zeigt eine Studie zur Rolle der EIB in afrikanischen Bergbauprojekten, die Friends oft he Earth Frankreich veröffentlicht hat. Nach dem Report, EIB: six years financing the plundering of Africa, hat die EIB zwischen 2000 und 2006 über 364 Mio. € in Bergbauprojekte investiert und seit Beginn 2007 schon über 300 Mio. € in zwei riesige Bergbauprojekte in Madagaskar und der Demokratischen Republik Kongo. Während der Beitrag von Bergbau zur Armutsbekämpfung sehr kontrovers gesehen wird, sind seine zerstörerischen Konsequenzen auf Umwelt und Lokalbevölkerung immer wieder gut dokumentiert worden.

6. November 2007

Klimaschutz auf EU-Ebene: Halbherzige Einbeziehung des Flugverkehrs

Auf europäischer Ebene wird derzeit über die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel diskutiert und eine Einigung in erster Lesung bis Ende November angestrebt. In der deutschen Bundesregierung zeichnet sich derzeit eine Position ab, die weit hinter den Beschlüssen des EU-Umweltausschusses vom 2. Oktober zurückzubleiben droht. Dies stellt nach Auffassung von Germanwatch, des BUND, des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), des WWF und des DNR die klimapolitische Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in Frage.

Klaus Milke von Germanwatch betrachtet die Einbeziehung des Flugverkehrs in das System des Europäischen Emissionshandels als für die Glaubwürdigkeit der EU wichtiges klimapolitisches Gesetzesvorhaben. Angelika Zahrnt vom BUND verweist auf neue Studien, die zeigen, daß sich die Welt auf einem Emissionstrend befinde, der noch jenseits der "Worst-case-Szenarien" des UN-Klimarates IPCC liege. Monika Ganseforth vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert, daß alle Klimawirkungen des Flugverkehrs einbezogen werden, nicht nur CO2. Juliette de Grandpré, Emissionshandelsexpertin beim WWF, hebt hervor, das Instrument des Emissionshandels biete den Fluglinien immer noch eine große Flexibilität, die Auswirkungen auf die Ticketpreise werden marginal sein. Zudem müßten die Zertifikate zu 100% versteigert werden. Dies sehen auch viele Wirtschaftswissenschaftler als transparenteste und effizienteste Methode zur Verteilung der Zertifikate. Als weitere Maßnahme sollte europaweit eine Kerosinsteuer eingeführt werden.

Die fünf Verbände unterstützen zudem den Vorschlag der EU-Kommission, die Einnahmen aus der Versteigerung für weiteren Klimaschutz und auch für Maßnahmen zur Anpassung an die negativen Konsequenzen des Klimawandels zu verwenden, insbesondere in den besonders betroffenen Entwicklungsländern. Dies wäre ein wichtiges Signal vor den anstehenden UN-Klimaverhandlungen in Bali, um gemeinsam mit den Entwicklungsländern Strategien für ein faires und gerechtes Klimaabkommen für die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls zu entwickeln.

Alle fünf Organisationen sind Mitglieder der Klima-Allianz und beteiligen sich an der Mobilisierung zum Klimaaktionstag am 8.12. in Berlin und am Kraftwerksstandort Neurath: http://www.die-klima-allianz.de.

24. Oktober 2007

G77: Sechs Punkte für Doha

(New York) Bei diesem Hochrangigen Dialog sollten wir uns darauf konzentrieren, einen Rahmen zu formulieren, der ein optimales Ergebnis der zweiten FfD-Konferenz („Finanzierung für Entwicklung“) in Doha Ende 2008 sicherstellt, erklärte gestern die pakistanische Finanzministerin Hina Rabbani Khar, stellvertretend für die Gruppe der 77 und Chinas in New York. Und dafür, was unter den gegenwärtigen Bedingungen optimal wäre, lieferte sie die Maßstäbe in Form von sechs Punkten gleich mit.

Erstens bleibe für die Mehrheit der Entwicklungsländer der Zugang zu konzessionärer Entwicklungshilfe entscheidend bei der Verwirklichung der Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) und entsprechend groß müsse der Druck auf die Industrieländer werden, die 0,7%-Versprechen bis 2015 einzulösen. Was die Qualität der Hilfe betrifft, so sollte nach Auffassung der G77 das neue Development Cooperation Forum im Rahmen des UN-Wirtschafts- und Sozialrates (ECOSOC) das entscheidende Forum werden. Zweitens plädieren die Entwicklungsländer (für manche vielleicht erstaunlich) dafür, in Doha einen Aktionsplan zur gleichmäßigeren Attrahierung von ausländischen Direktinvestitionen zu verabschieden. Unzureichend sei drittens die bislang erfolgte Schuldenstreichung. Es müßten mehr Mittel hierfür bereitgestellt und sichergestellt werden, daß das Verschuldungsniveau mit der Erreichung der MDGs kompatibel werde.

Der vierte Punkt der Benchmarks betrifft die nach wie vor ausstehende Reform der internationalen Finanzarchitektur. Diese müßte sich an Zielen orientieren, für die ursprünglich der IWF gegründet wurde, einmal die Gewährleistung finanzieller Stabilität, zum anderen die Bereitstellung ausreichender Liquidität für Länder in Zahlungsschwierigkeiten. Fünftens fordern auch die G77 – obwohl dieses Problem an ihnen bislang weitgehend vorbei gegangen ist – eine stärkere Regulierung und Transparenz für die sog. innovativen und komplexen Finanzprodukte, die die Finanzturbulenzen dieses Sommers verursacht haben. Und sechstens wollen die G77 endlich aus der Sackgasse der Doha-Runde der WTO heraus. Dies gehe aber nur, wenn der Entwicklungsanspruch der Runde eingelöst wird.

Insgesamt, so stellte die G77-Sprecherin fest, sei man mit dem Monterrey-Konsens noch nicht weit gekommen auf dem Weg zu einem neuen System finanzieller Governance, das die Ungleichgewichte und Ungleichheiten der Vergangenheit korrigiert und den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft gerecht werde. Es gab in der letzten Zeit viele Unkenrufe darüber, daß sich die G77 überlebt habe. Gestern hat sie als einzige staatliche Gruppierung einen klaren Weg nach Doha gewiesen.

23. Oktober 2007

UN-ECA: Geber im Rückstand gegenüber Afrika

Die Afrikaner sehen Fortschritte beim Schuldenerlaß, aber meinen, daß die Geber bei anderen Zielen, die 2002 in Monterrey formuliert wurden, im Rückstand sind. Dies geht aus einer neuen Studie der UN-Wirtschaftskommission für Afrika hervor, die pünktlich zum Hochrangigen FfD-Treffen („Financing for Development“) hier in New York erschienen ist. Sie mißt den Fortschritt bei der Umsetzung des Monterrey-Konsensus von 2002, in dem Geber und Nehmer eine „neue Partnerschaft“ eingegangen sind.

Die Studie konzediert, daß die afrikanischen Regierungen Fortschritte bei dert Mibilisierung interner Ressourcen gemacht haben, bemängelt jedoch, daß die Sparraten immer noch zu niedrig sind, gemessen an den Investitionserfordernissen. Investitionen aus dem Ausland steigen zwar, sind jedoch zu stark auf den Rohstoffsektor ausgerichtet. Kaum Fortschritte sehen die ECA-Experten beim Handel und bei der ODA, wo die Geber immer noch ihren Zusagen hinterher hinken. Beim Schuldenerlaß gebe es Fortschritte, doch sein wesentlich mehr notwendig.

UN-Hauptquartier: NGOs alarmiert über mangelnde FfD-Umsetzung

(New York) Am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York hat heute morgen der Hochrangige Dialog der UN-Vollversammlung zum Thema „Finanzierung für Entwicklung“ (FfD) begonnen. Die bis morgen dauernde Veranstaltung ist zugleich Follow-Up der Monterrey-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung aus dem Jahre 2002 und Vorbereitungstreffen für die Fortsetzungskonferenz, die Ende 2008 in Doha stattfinden soll (>>> W&E 03-04/2007). Die Reden wurden allerdings (mit der Ausnahme des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon von Politikern der zweiten und dritten Garde vorgetragen. Ihr gemeinsamer Nenner war die Versicherung: Die Millennium-Entwicklungsziele können erreicht werden, doch dazu sind weit höhere Anstrengungen erforderlich, als gegenwärtig erkennbar.

Wesentlich alarmierter klangen die Stellungnahmen von NGOs, die gestern in einem Hearing vorab vorgetragen wurden. Eine Allianz aus WEDO („Women’s Environment & Development Organization“), GCAP („Global Call to Action against Poverty” ) und WIDE (“Women in Development Europe”) sagte, die bislang zugesagten und geflossenen Finanzressourcen für nachhaltige Entwicklung, Armutsbekämpfung und das Empowerment von Frauen seien schlicht unzureichend. Nachhaltige Entwicklung, so Nerea Craviotto von WIDE, erfordere weitreichende politische Veränderungen. Alle Entwicklungs- und Wirtschaftspolitiken müßten der Verwirklichung der sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechte untergeordnet werden.

Die zentrale Forderung der hier vertretenen NGOs zielt darauf ab, daß die zivilgesellschaftliche Partizipation im Vorbereitungsprozeß auf Doha formalisiert wird. Bislang ist diese – ebenso wie der Vorbereitungsprozeß insgesamt – sehr stark durch informelle Strukturen gekennzeichnet. In einer gemeinsamen Stellungnahme des katholischen Entwicklungshilfe-Netzwerks CIDSE und von Caritas Internationalis wird gefordert, das Ziel des Vorbereitungsprozesses und der Doha-Konferenz müsse ein Ergebnis-Dokument sein, das den Konsens in Bezug auf vier Themenbereiche formuliert: Mobilisierung heimischer Ressourcen, Entwicklungshilfe und innovative Finanzierung, Schulden und systemische Fragen wie die Reform des IWF.

22. Oktober 2007

Weltbank: Erneuter Diskurswechsel unter Zoellick

(Washington) Überraschend schnell hat der neue Präsident der Weltbank Robert Zoellick (s. Photo) die krude Antikorruptionsrhetorik seines Vorgängers durch einen neuen Diskurs ersetzt, in dessen Mittelpunkt das Ziel einer „inklusiven und nachhaltigen Globalisierung“ steht. Das wurde schon in der letzten Woche deutlich, als er in einer Rede 100 Tage nach seinem Amtsantritt seine sechs „strategischen Themen“ vorstellte. Der Gemeinsame Entwicklungsausschuß von IWF und Weltbank hat gestern das „Potential“ dieser Orientierung anerkannt. In seinem Kommuniqué stellt der Ausschuß fest, daß „die stärkere Unterstützung für die Einbeziehung und das Empowerment der Ärmsten in der Entwicklung, vor allem in Subsahara-Afrika, und das aktive Engagement der Weltbank-Gruppe in fragilen und von Konflikten betroffenen Staaten Schlüsselelemente des strategischen Ansatzes“ der Bank sein müssen. Darüber hinaus wird der Weltbank eine starke Rolle bei der Sicherung der Globalen Öffentlichen Güter und bei der Bearbeitung globaler Fragen wie dem Klimaschutz zugesprochen.

Damit folgt die Weltbank auf der verbalen Ebene Empfehlungen, wie sie in letzter Zeit von verschiedenen Seiten gegeben wurden, von dem Politiökonomen Robert Wade von der London School of Economics etwa (>>> W&E 10/2007) oder der Präsidentin des einflußreichen Center for Global Development in Washington, Nancy Birdsall, oder auch der deutschen Entwicklungsministerin Heidemarie Wiecoreck-Zeul. Dies und die immer noch anhaltende Erleichterung über den Abtritt von Wolfowitz sorgen offensichtlich dafür, daß kaum einer auf der offiziellen Ebene das lyrische Tirili-Tirila des „pragmatisch-konservativen“ Zoellick aus dem Bush-Umfeld hinterfragt. Dabei steht es schon in auffälligem Gegensatz zu dem Mangel an Substanz, mit dem diese Jahrestagung heute zu Ende geht.

Es sei sehr enttäuschend, keine konkreten Initiativen aus diesem Wochenende hervorgehen zu sehen, die die Armutsreduzierung vorantreiben, beklagte die Sprecherin von Oxfam International, Elizabeth Stuart. Dabei ist es allerdings auch nicht so, daß der neue Präsident keine neuen Ideen mitbringt. Aber die entstammen zum großen Teil dem Instrumentenkasten des Investment Bankers an der Wall Street, wo Zoellick zwischenzeitlich Erfahrungen sammeln konnte. So stehen Finanzmarktentwicklung, Privatsektorförderung und die direkte Einbeziehung der Großindustrie und der Großfinanz in das Fundraising der Bank bei Zoellick hoch im Kurs.

Wenn der neue Mann an der Spitze der Weltbank seine ehrgeizigen Ziele verwirklichen will (und auch bei ihm bestehen diese in erster Linie in der Stärkung der Bank), wird er in der Tat auf keine Finanzquellen verzichten können. Zoellicks Plädoyer für mehr Geld für die Softloan-Filiale IDA ist ebenso energisch wie für die Aufrechterhaltung des Weltbank-Engagements in den Schwellenländern oder für die Umsetzung der sog. Clean Energy-Agenda der Bank. Die Geber sollten die Kassen der Bank jedoch nicht wieder auffüllen, ohne zuvor für einen wirklichen Kurswechsel in der Praxis zu sorgen. Konkrete Schritte wären ein Abstand von Kreditkonditionen, die Privatisierung und Liberalisierung vorantreiben, oder eine deutliche Aufstockung der Investitionen in Erneuerbare Energien, bei drastischer Kürzung des Portfolios für die fossile Energieproduktion. Viele NGOs haben die richtigen Ratschläge dafür längst parat.

21. Oktober 2007

Ohne IWF-Reform wächst das Risiko einer globalen Krise

(Washinton) Die Unfähigkeit der Mitgliedsländer, die überfällige Reform des IWF voranzutreiben, verschärft das Risiko einer globalen Wirtschaftskrise im Gefolge einer ungeordneten Rückführung der globalen Währungsungleichgewichte. Dies sagte der Chef der kanadischen Zentralbank, David Dodge, der Financial Times hier in Washington. Die sich hinziehende und unvollendete Reform unterminiere die Fähigkeit des IWF, eine größere Rolle bei der Lösung der globalen Währungsprobleme zu spielen. Wörtlich sagte Dodge: „Das ist genau die Zeit, in der wir die Fähigkeiten und Expertise des Fonds, die globalen Ungleichgewichte zu bearbeiten, brauchen.“ Doch das Scheitern der Reformbemühungen an diesem Wochenende (s. vorherigen Eintrag) habe die Chance verringert, daß die Mitgliedsländer zu einer gemeinsamen währungspolitischen Position finden.

IWF-Reform: Hinterläßt Rato dem Fonds einen Rohrkrepierer?

(Washington) Rodrigo de Ratos IWF-Reformen drohen zum Rohrkrepierer zu werden. Die Europäer weigern sich, Abstriche an ihrer überbewerteten Position im IWF hinzunehmen, und die USA sind nicht ernsthaft daran interessiert, den ärmsten Ländern im Fonds mehr Mitsprache einzuräumen. Das wurde gestern deutlich, nachdem der Wirtschafts- und Finanzausschuß des IWF (IMFC), das strategische Steuerungsorgan des Fonds, getagt hatte. Der frisch gebackene IMFC-Vorsitzende, der italienische Wirtschafts- und Finanzminister Tommaso Padoa-Schioppa (auf dem Photo rechts von de Rato), beschwor auf einer anschließenden Pressekonferenz zwar die Verdienste de Ratos. Er sei der Architekt der Mittelfristigen Strategie des Fonds, und habe den Finanzsektor als Arbeitsfeld des Fonds aufgewertet, die Aufwertung der Schwellen- und Entwicklungsländer in den Entscheidungsprozessen angestoßen, eine „multilaterale Surveillance“ eingeführt und eine neues Einkommensmodell für den IWF auf den Weg gebracht, zitierte er aus dem Kommuniqué. Doch bei näherem Hinsehen sind alle diese „Reformen“ unvollendete Baustellen. Ratos Nachfolger Strauss-Kahn (unten mit de Rato) wird hart arbeiten müssen, um das Steuer herumzureißen.

Bestes Beispiel dafür ist die vielzitierte Stimmrechtsreform im Rahmen der gegenwärtigen Quotenüberprüfung. Hier hatte die IWF-Spitze entscheidende Annäherungsprozesse für die Herbsttagung vorausgesagt. Die jetzt gefundenen Formulierungen im Kommuniqué überdecken jedoch fortbestehende Gegensätze nur mühsam. So wird von einer Verdoppelung der Basisstimmrechte gesprochen, eine Quotenerhöhung „in der Größenordnung von 10%“ ins Auge gefaßt und bei der Neubestimmung der Formel, nach der die Stimmrechte errechnet werden, soll künftig das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu Marktpreisen die entscheidende Größe bleiben, aber auch die Größe nach Kaufkraftparität (PPP) „berücksichtigt“ werden. Zum Vergleich: Die Entwicklungsländer fordern eine Verdreifachung der Basisstimmrechte, damit die ärmsten Länder bei der Neuverteilung des Einflusses nicht leer ausgehen, und sehen die Bedeutung von BIP und PPP für die Quotenformel genau andersherum. Und eine Begrenzung der Quotenaufstockung auf 10% läuft unter dem Strich darauf hinaus, daß die Industrieländer insgesamt an Entwicklungs- und Schwellenländer gerade mal 2% der Stimmrechte abgeben.

Ganz ähnlich ist es bei dem zweiten Bereich, der die Diskussion im IMFC heute geprägt hat, den Konsequenzen aus den jüngsten Turbulenzen auf den Finanzmärkten und der Anpassung der globalen Ungleichgewichte. Da der Dollarpreis „marktbestimmt“ (de Rato) ist, wird eine Intervention des IWF von vorneherein ausgeschlossen. Auch in anderen Punkten, etwa beim Umgang mit den explodierenden Derivaten, geht der IWF-Steuerungsausschuß nicht über die von den G7 gezogenen Grenzen hinaus (s. vorstehender Eintrag). Auch hier wird erst mal auf eine vertiefte Analyse der neuen Herausforderungen gesetzt statt zu handeln. Immerhin haben die Mitglieder des hohen Gremiums ein paar Punkte in das Kommuniqué geschrieben, die geklärt werden sollen: das Risikomanagement bei komplexen strukturierten Produkten, die Bewertung und Buchführung außerbilanzlicher Finanzinstrumente, die Rolle der Rating-Agenturen und die Grundprinzipien, die von den Aufsichtsbehörden angewendet werden sollen. Vielleicht werden die Analysen, die bis zum Frühjahr vorliegen sollen, ja ganz gut. Aber ob dann praktische Konsequenzen gezogen werden, dafür mag heute niemand seine Hand ins Feuer legen.

20. Oktober 2007

G7: Druck auf China, Laissez-faire beim Dollar, Hedge-Fonds Fehlanzeige

(Washington) Es unterstreicht den exklusiven Charakter der Gruppe der 7 (Finanzminister; s. neuestes "Familienphoto"), daß deren Kommuniqués nicht auf der Website des IWF, sondern auf der des jeweils gastgebenden Finanzministeriums veröffentlicht werden. Zwar werden diese Texte in den letzten Jahren von Treffen zu Treffen nur leicht modifiziert und fortgeschrieben. Doch aufgrund der zentralen Stellung der G7-Länder im globalen System ökonomischer Governance werden sie akribisch studiert. Das wichtigste Merkmal des neuesten G7-Kommuniqués, das gestern abend veröffentlicht wurde, wird hier allgemein darin gesehen, daß die G7-Finanzminister den Druck auf China zur Aufwertung seiner Währung weiter erhöhen, während gegen die anhaltende Talfahrt des Dollar nach Art des Laissez-faire nichts unternommen wird.

Als bisher schärfste Formulierung gegen China wird dieser Passus angesehen: „Wir begrüßen Chinas Entscheidung, die Flexibilität seiner Währung zu erhöhen, doch im Lichte seines steigenden Zahlungsbilanzüberschusses und der Inflation im Inland unterstreichen wir die Notwendigkeit einer beschleunigten Aufwertung seines effektiven Wechselkurses.“ In Bezug auf die Währungspolitik der G7-Länder selbst wird lediglich die Verpflichtung formuliert, „auf geeignete Weise zusammenzuarbeiten“. Auf die Frage, ob dies auch die Möglichkeit einer gemeinsamen Intervention in die Devisenmärkte einschließe, sagte ein Vertreter des US Treasury Departments: „Mit Sicherheit nicht.“ Obwohl US-Vertreter weiter von der „Politik des starken Dollars“ reden, halten dies alle Beobachter für reine Lippenbekenntnisse.

Ganz ähnlich ist es beim Umgang mit den aktuellen Turbulenzen an den Finanz- und Kreditmärkten. Hier formulieren die Finanzminister: „Die Verbriefung und die Finanzinvestitionen haben erheblich zum Wachstum unserer Ökonomien beitragen. Wir erwarten, daß die Marktteilnehmen viele der Mängel, die durch die kürzlichen Ereignisse deutlich wurden, beheben.“ Und alles weitere bleibt dann einer weiteren Untersuchung durch das Forum für Finanzmarktstabilität überlassen, das bis zum nächsten G7-Treffen einen weiteren Bericht abliefern soll. Übrigens: Da dies das letzte G7-Finanzministertreffen in diesem Jahr war, läßt sich sein Kommuniqué auch als Sargnagel für die Hedge-Fonds-Initiative der deutschen G8-Präsidentschaft ansehen. Nicht einmal der Begriff taucht in dem Dokument auf.

G24 verlangen echte Reformen beim IWF

Deutlich selbstbewußter als in den vergangenen Jahren sind die Formulierungen, die die Gruppe der 24, die die Entwicklungsländer beim IWF vertritt, gestern in ihr Kommuniqué geschrieben hat. Die G24 trifft sich traditionsgemäß immer parallel zu den G7-Finanzministern am Vorabend der eigentlichen Jahrestagung. Während die G7 bis in den Abend hinein tagte, kam die G24 mit ihrem Dokument schon nachmittags heraus. Vor allem zur anstehenden Stimmrechtsreform finden die Entwicklungsländer klare Worte.

Ohne Umschweife stellt das Papier fest, daß die bis jetzt auf dem Tisch liegenden Vorschläge „enttäuschend und inakzeptabel“ sind, da sie hinter den grundlegenden Zielen der Reform zurückbleiben. Dazu gehöre eine „signifikante Umverteilung der Stimmrechte zugunsten der Schwellen- und der Entwicklungsländer“. (Die bisherigen Szenarien lassen höchstens 2-3% mehr Stimmen für den Süden zu.) Diese dürfe aber nicht zuungunsten bestimmter Ländergruppen im Süden, etwa der LDCs, gehen. Wörtlich heißt es: „Um das demokratische Defizit der Bretton-Woods-Institutionen zu beheben, erneuern die Minister ihren Aufruf, die Basisstimmrechte mindestens zu verdreifachen, um die Stimmanteile der Länder mit niedrigem Einkommen zu erhöhen. Darüber hinaus rufen sie dazu auf, für alle politischen Entscheidungen im IWF ein Regime der ‚doppelten Mehrheit‘ in Betracht zu ziehen.“ Die Vorschläge von Strauss-Kahn (>>> Mit Strauss-Kahn aus der Krise?) erzeugen also bereits vor seinem Amtsantritt am 1. November Dynamik.

Das gewachsene Selbstbewußtsein hat aber vor allem ökonomische Gründe. Die Entwicklungsländer sehen sich vor dem Hintergrund der jüngsten ökonomischen Entwicklungen als „neue treibende Kraft wie auch als stabilisierender Faktor der Weltwirtschaft“ und stellen fest, daß die jüngsten Turbulenzen diesmal an ihnen weitgehend vorbei gegangen sind. Beklagt wird in dem Kommuniqué jedoch, daß man den auch im Süden nach wie vor bestehenden Risiken (‚downside risks‘) besser begegnen könne, wenn man mehr Vertrauen in ein finanzielles Auffangnetz auf multilateraler Ebene haben könnte – ein dezenter Hinweis darauf, daß die Akkumulation von harten Währungsreserven derzeit für die meisten Länder im Süden der einzige gangbare Weg ist, um sich vor volatilen Kapitalflüssen und spekulativen Attacken zu schützen.

19. Oktober 2007

Neuer Weltentwicklungsbericht: Sträfliche Vernachlässigung des Agrarsektors

(Washington) Die Entwicklungspolitik des Nordens vernachlässigt die Landwirtschaft genauso sträflich wie es die Regierungen im Süden tun. Der Anteil der Agrarförderung an der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) ist mit 4% exakt genau so niedrig wie das, was die Regierungen Subsahara-Afrikas im Rahmen ihrer Budgets für die Förderung der Landwirtschaft bereitstellen. Das ist weit weniger als die 11-14% des Staatshaushalts, die in Asien aufgewendet wurden, um die Grüne Revolution zu finanzieren. Das geht aus dem neuen Weltentwicklungsbericht hervor, der hier heute vorgestellt wurde und der das Motto „Agriculture for Development“ („Landwirtschaft für Entwicklung“) trägt.

Der Hinweis auf die Grüne Revolution in Asien kommt nicht von ungefähr, denn der Bericht möchte zu allererst darauf hinweisen, daß die Produktivität im Agrarsektor Afrikas beträchtlich hinter der anderer Regionen im Süden zurückgeblieben ist. Dabei leben und arbeiten in diesem Sektor 65% der Arbeitskräfte, die 32% zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts beitragen. Die Agenda „Landwirtschaft für Entwicklung“, die der Bericht vorschlägt, orientiert deshalb vor allem auf die Verbesserung des Investitionsklimas, die bessere Nutzung der Märkte, der Technologien und nachhaltigeres Wasser- und Bodenmanagement. Direkte Investitionen in den Agrarsektor seien mit Blick auf die Armutsreduzierung rund viermal so effektiv wie in anderen Sektoren. Umgekehrt, so meinte Weltbank-Präsident, Robert Zoellick, bei der Präsentation des Reports, helfe der neue Fokus auf die Landwirtschaft das wirtschaftliche Wachstum insgesamt zu forcieren. Produktivitätssteigerung, Wachstum, Technologien und Märkte – so lauten also die Schlüsselbotschaften, die der diesjährige Flaggschiff-Report der Weltbank aussendet.

Von den Industrieländern fordert der Bericht erneut den Abbau schädlicher Politiken wie die Behinderung afrikanischer Baumwollexporte. Auch müßten die Industrieländer dringend mehr tun, um die Bauern im Süden bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu unterstützen.

Die Weltbank liebt das Agrobusiness, die NGOs die Kleinbauern

(Washington) Selten haben die NGOs mit so vielen Stellungnahmen auf einen Weltentwicklungsbericht reagiert wie in diesem Jahr. In einem gemeinsamen Kommentar begrüßen FIAN und sechs weitere deutsche NGOs (EED, Oxfam, Brot für die Welt u.a.) zwar die neue Aufmerksamkeit für die Landwirtschaft, bewerten die Weltbankempfehlungen aber als ungeeignet, Armut zu bekämpfen und das Menschenrecht auf Nahrung zu gewährleisten. Vernachlässigt sehen die NGOs vor allem die Kleinbauern. Der Weltentwicklungsbericht recycle die altbekannten Rezepte der Liberalisierung, Gentechnik und Exportsteigerung. Den Kleinbauern, die durch diese Politik marginalisiert werden, erweise die Weltbank damit einen Bärendienst.

Auch Misereor und die Heinrich-Böll-Stiftung werfen Weltbank vor, aus richtigen Analysen falsche Schlüsse zu ziehen. In einem ausführlichen Analysepapier, das morgen in Washington präsentiert wird, heißt es: "Die Landwirtschaft wird ausschließlich durch die ökonomische Brille betrachtet; ihre vielfältigen sozialen und ökologischen Funktionen werden nicht angemessen bewertet." Für Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, lautet die Kernfrage, wie zukünftig genug Nahrung für alle produziert werden könne, und wie den ProduzentInnen besonders in den armen Ländern des Südens ein sicheres und angemessenes Einkommen garantiert werden könne: Diese Herausforderung stelle sich um so dringlicher, weil gerade die Landwirtschaft massiv vom Klimawandel betroffen sein werde, Wasser knapper und Öl teurer werde.

Mit einer weiteren ausführlichen Analyse wartet Oxfam International auf. Darin wird u.a. darauf hingewiesen, daß die weltweite Entwicklungshilfe für den Agrarsektor nach Angaben der OECD von 11,5 Mrd. US-Dollar im Jahr 1987 auf 3,9 Mrd. US-Dollar gefallen. Die Kredite der Weltbank für Landwirtschaft beliefen sich in 2006 nur auf 7% der gesamten Kreditleistungen der Weltbank. Das entspricht 1,75 Mrd. US-Dollar. Im Jahr 1982 waren es noch 30%. Auch die größten Geberländer haben ihre Entwicklungszusammenarbeit für den Agrarsektor in den vergangenen 20 Jahren deutlich verringert. So gab Deutschland 1996 noch 588 Mio. US-Dollar Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft in armen Ländern. Der Betrag sank auf einen Tiefststand von 136 Mio. US-Dollar im Jahr 2000 und erreichte 2005 wieder eine Höhe von 211 Mio. US-Dollar.

Ein weiterer kritischer "Bericht zum Bericht" ist heute von ActionAid International veröffentlicht worden: The World Bank and Agriculture. A critical review of the World Bank's World Development Report.

Bei IWF und Weltbank in Washington: Kleiner Paukenschlag am Vorabend der Jahrestagung

(Washington) Jetzt hat auch der Internationale Währungsfonds (IWF) die Rede des US-Finanzministeriums von der „Politik des starken Dollars“ Lügen gestraft. Im Gegensatz zu ihrem (ausscheidenden) Geschäftsführenden Direktor, Rodrigo de Rato, der noch letzte Woche erklärte, der Dollar sei „unterbewertet“, haben die „Experten“ des Fonds in dem gerade veröffentlichten World Economic Outlook festgestellt, die US-Währung sei immer noch zu hoch bewertet. Die überraschende Diagnose der IWF-Leute steht zumindest teilweise im Widerspruch zu ihrer Warnung vor einer ungeordneten Anpassung der globalen Ungleichgewichte als einer der größten Bedrohungen für die weltwirtschaftliche Entwicklung. Die Währungshändler jedenfalls haben dies als grünes Licht für weitere Dollarverkäufe genommen, und der Euro ist gestern promt auf ein neues Hoch im Verhältnis zum Greenback geklettert.


Zuletzt hatte der einflußreiche US-Ökonom Martin Feldstein, der einmal Chefökonom unter der Reagan-Administration war, gefordert, die Märkte müßten sich „von der Idee verabschieden, daß ein starker Dollar gut für Amerika sei“. Im Gegenteil: Ein fallender Dollar sei gut für die amerikanische Konkurrenzfähigkeit, und die Handelspartner, allen voran Europa, sollten sich mit der Stärkung ihrer inneren Kaufkraft auf den Ausfall der US-Exportmärkte vorbereiten. Täten sie dies nicht, würde dies in den USA automatisch die protektionistischen Kräfte stärken.

Kaum noch Aussicht auf Erfolg haben vor diesem Hintergrund die Bemühungen der Europäer, bei der kommenden G7-Finanzministertagung hier in Washington Formulierungen durchzusetzen, die den Höhenflug des Euro (und damit die Verschlechterung der europäischen Exportaussichten) zumindest vorübergehend stoppen könnten. „Der IWF hat wenig Sympathie für bedrängte Exporteure der Eurozone“, kommentierte die Financial Times lakonisch.

Die europäischen Finanzminister haben sich unterdessen – wohl um überhaupt noch einen Passus zum Thema Währungspolitik in das G7-Kommuniqué hineinzubekommen – dazu entschlossen, wieder einmal mit den USA Schulterschluß zu üben. Selbst Frankreichs Christine Lagarde erklärte, man dürfe nicht ausschließlich das Verhältnis des Euro zum Dollar betrachten, sondern müsse auch die Rolle des Yen und des Renminbi sehen – gemeinsames US-europäisches China- und Japan-Bashing also. Die verschiedentlich als wichtigstes Treffen der G7 der letzten Zeit bezeichnete Zusammenkunft an diesem Wochenende könnte vor diesem Hintergrund gut zu einer großen Enttäuschung werden. – Was freilich auch nicht übersehen werden darf: Die Euro-Aufwertung hat auch nach Auffassung der Europäischen Zentralbank noch nicht die Schmerzgrenze erreicht. Und es gibt willkommene Nebeneffekte: Die hohen Ölpreise, die auch gestern wieder eine neue Rekordmarke überschritten haben, können dadurch leichter verkraftet werden.

14. Oktober 2007

Konflikte in Afrika so teuer wie Entwicklungshilfe: Kontrolle des Waffenhandels überfällig

Kriege und kriegerische Konflikte zerstören die Volkswirtschaften vieler afrikanischer Länder. Rund 284 Mrd. US-Dollar haben sie Afrika zwischen 1990 und 2005 gekostet. Etwa den gleichen Betrag erhielt Afrika in diesem Zeitraum als Entwicklungshilfe. Dies geht aus einer aktuellen Studie Africa’s Missing Billions („Afrikas verlorene Milliarden“) hervor, die letzte Woche von Oxfam International, dem Internationalen Aktionsnetz zu Kleinwaffen IANSA und Saferworld in New York vorgestellt wurde. Anlaß sind die laufenden Beratungen des Abrüstungsausschusses der UN-Generalversammlung über ein neues Abkommen zur Kontrolle des weltweiten Waffenhandels. Die Studie ermittelt die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf die Volkswirtschaften von 23 betroffenen Ländern in Afrika. Dabei wurden sowohl direkte Kriegskosten (Rüstungsausgaben, zerstörte Infrastruktur) als auch wirtschaftliche Folgekosten (erhöhte Inflation, Verschuldung und Arbeitslosigkeit; Anstieg der Sterblichkeit) berücksichtigt. Schätzungen zufolge schrumpfte die Wirtschaft in den untersuchten Ländern im Durchschnitt um 15%.

Die Hilfsorganisationen Oxfam und IANSA fordern seit Jahren ein weltweites Übereinkommen, das den Handel mit konventionellen Rüstungsgütern verbietet, wenn dadurch das Humanitäre Völkerrecht gebrochen, Menschenrechte verletzt oder die nachhaltige Entwicklung untergraben werden. Anfang des kommenden Jahres soll unter dem Dach der Vereinten Nationen eine Gruppe von Regierungsexperten zusammentreffen. Sie hat den Auftrag, bis zur nächsten Generalversammlung im Herbst 2008 die Verhandlungsgrundlage für ein Waffenhandelsabkommen („Arms Trade Treaty“) zu schaffen.

8. Oktober 2007

Regenwaldabholzung im Kongo: Weltbank erneut im Zwielicht

In einem Bericht, der vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangte, kritisiert der offizielle Inspektionsausschuß der Weltbank (‚Inspection Panel‘) schwere Versäumnisse der Bank im Zusammenhang mit Regenwald-Projekten im Kongo. Anlaß für die Untersuchung war eine formelle Beschwerde von NGOs aus der DR Kongo, die mit den indigenen Pygmäen zusammenarbeiten. Es handelt sich um das zweitgrößte Regenwaldgebiet nach dem Amazonas in einer Größe Frankreichs. Der Bericht stellt fest, daß zwei von der Weltbank im Jahr 2002 bewilligte Projekte die Abholzung des Regenwaldes in industriellem Maßstab zum Ziel hatten und damit die DR Kongo potentiell zu Afrikas größtem Holzproduzenten machen würde. Zudem fand das Panel heraus, daß es bei Planung und Beginn der Projekte „unangemessene Beurteilungen vieler wichtiger sozio-ökonomischer und umweltrelevanter Belange bei der Forstnutzung“ gegeben habe.

Völlig außer Acht gelassen habe die Weltbank, daß die Waldgebiete des Kongo von Indigenen bewohnt werden. Lediglich „begrenzte Aufmerksamkeit“ sei der Tatsache gewidmet worden, daß etwa 40 Millionen Kongolesen, meist Kleinbauern in Subsistenzwirtschaft, die Wälder zum Überleben brauchen. Die Projekte würden nicht nur die Umwelt gefährden, sondern voraussichtlich auch nicht der Armutsbekämpfung dienen. Die Weltbank der Regierung der DR Kongo zudem eingeredet, daß die Einkünfte aus dem Holzeinschlag wesentlich höher sein würden, als es real der Fall ist.

Peinlich ist die Feststellung, das Weltbank-Management habe viele der eigenen Umwelt- und Sozialstandards mißachtet. Die Weltbank hat wiederholt betont, sie helfe, den bestehenden, aber meist illegalen Holzeinschlag in der DR Kongo unter Kontrolle zu bringen. Insbesondere würden die rund 150 Holzfirmen einer rechtlichen Begutachtung unterzogen. Das Inspection Panel stellt allerdings fest, daß dieser Prozess sehr schlecht durchgeführt werde. Die Zukunft von rund 15 Millionen Hektar Regenwald, der teilweise von Pygmäen bewohnt wird, werde durch diesen fehlerhaften Revisionsprozess gefährdet. – Offiziell veröffentlicht wird der Bericht voraussichtlich Ende Oktober.

3. Oktober 2007

DSK: Vom Reform-Kandidaten zum Reform-Direktor?

„Ich habe mich als Kandidat der Reform beworben. Jetzt bin ich der Geschäftsführende Direktor der Reform“, sagte Dominique Strauss-Kahn nach seiner Wahl im Executive Board am vergangenen Freitag. Wenn man ihn so reden hört, könnte man meinen, er wolle im Internationalen Währungsfonds (IWF) von einem auf den anderen Tag alles anders machen, wenn er am 1. November sein Amt antritt. Der Fonds solle nicht länger als Gendarm der Weltwirtschaft dienen, er müsse sich selbst reformieren, um seine Relevanz und Legitimität wieder herzustellen. Und korrigiert werden müsse auch das Image von der Weltbank als der „guten Mutter“ und dem IWF als dem „großen Knüppel“. Wo immer DSK, wie er sich in Frankreich gerne nennen läßt, derzeit auftritt, sei es im CNN-Interview oder bei France 2, sei es mit einem Wallstreet Journal-Kommentar oder in einem Le Monde-Interview, die Botschaft ist klar: Hier kommt einer, der den Fonds verändern will.

Das unterscheidet den „Frenchman“ ganz sicher von dem schwächelnden Horst Köhler und seiner mißglückten Konditinalitätsreform. Immerhin will Strauss-Kahn die gewichtige Konditionalitätsfrage neue aufrollen und klären, welche Auflagen für ein Programm wirklich wichtig sind, wie er in seiner Bewerbungsrede im Executive Board sagte. Einiges wurde auf den Weg gebracht, so Strauss-Kahn. „Doch dies ist nicht genug.“ Das unterscheidet ihn von dem arbeitssamen Vorgänger Rodrigo de Rato, der den Reformbedarf zwar erkannt hatte, aber dann doch lieber vorzeitig abtreten wollte. Die starken Worte gegen die Rolle des IWF als globaler Finanzpolizist und die Rückbesinnung auf das ursprüngliche Mandat des IWF, „das Wachstum und die Beschäftigung durch die Sicherstellung der finanziellen Stabilität in der Welt zu fördern“, unterscheiden Strauss-Kahn ganz sicher auch von dem letzten „Frenchman“ an der Spitze des Fonds: Michel Camdessus, der erst hernach seine Erfüllung in Reden vor der Sozialarbeiter-Fraktion der Katholischen Kirche fand, in seiner Amtszeit jedoch der Protagonist der neoliberalen Globalisierer-Rolle des IWF war.

Wenn Strauss-Kahn auf die Rolle der internationalen Finanzmärkte in diesem „Zeitalter der Turbulenzen“ (wie der ehemalige Chef der US-Zentralbank, Alan Greenspan, seine Autobiographie genannt hat) zu sprechen kommt, redet er gerne von der Finanzstabilität als einem „öffentlichen Gut“, das der IWF gewährleisten müsse. Dies dürfte der schwierigste Bereich sein, in dem der neue IWF-Chef sich bewähren muß. Unabhängig davon, wie ernst die neue Reformrhetorik wirklich gemeint ist (>>> beteiligen Sie sich doch an der heute beginnenden Umfrage in der rechten Spalte dieses Blogs und stimmen Sie mit ab), auch Strauss-Kahn wird nur in einer Politik der kleinen Schritte vorankommen können: „Alle diese Veränderungen können nicht über Nacht vonstatten gehen“, heißt es in seiner Vorstellungsrede. Auch seine Lösungen sind also „incremental rather than radical“, kommentierte da der Londoner Economist beruhigt. Immerhin habe DSK mit seiner Kampagne, zu der eine Lobby-Tour mit 60.000 Meilen und ein eigener Blog gehörte, die Energie bewiesen, die hoffen läßt, daß wenigstens er seine gesamte Amtszeit von fünf Jahren durchhält.